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Quartett Pulcinella

Pulcinella Quartet

Auf der Kante tanzen

Pulcinella Quartet

Pulcinella ist eine humoristische Figur aus der italienischen Commedia dell’Arte – ein wenig derb, aber überaus clever. So klingt auch die Musik des gleichnamigen Quartetts.

Mehr als 600 Konzerte haben sie gespielt, waren Gast auf vielen französischen Festivals und auf Bühnen in der ganzen Welt – von Kolumbien bis Vietnam, vom Senegal bis Indien. Das Pulcinella Quartet aus Toulouse gilt als unwiderstehlicher Liveact: mitreißend musikantisch, mit kunstvoller Holprigkeit und experimenteller Originalität. Ihre Musik sei „traditionell und avantgardistisch, wild und domestiziert, präzise und extravagant – eine Vereinigung der Gegensätze“, so schreibt der Journalist Pascal Rozat. Den Witz ihrer abrupten Stilwechsel und karikaturhaften Übertreibungen versteht man offenbar rund um den Globus. Bei Pulcinella mischt sich Jazz-Improvisation mit Zutaten aus Musette, Balkantänzen, Rock und Funk, häufig in atemlosem Tempo und im lustvollen „Zapping“ von Stil zu Stil. Dass das funktioniert und die Hörer begeistert, liegt natürlich auch an der spieltechnischen Virtuosität der vier Akteure. Der Festival-Veranstalter Jenö Hartyándi meint: „Ihr Humor lenkt sie nie von ihrer Ernsthaftigkeit ab.“ Für ihn ist die Musik von Pulcinella „teils aktueller Jazz, teils Musiktheater“.

Ferdinand Doumerc und Florian Demonsant geben bei Pulcinella die Richtung vor – oder besser: die vielen Richtungen. Der eine ist hauptsächlich Saxofonist und Flötist, ein vielbeschäftigter Musiker auch im Pop- und Heavy-Metal-Kontext. Der andere spielt das Akkordeon, fühlt sich der Zirkusmusik, den Balkan-Rhythmen und der Musette nahe. Diese beiden schreiben praktisch sämtliche Stücke der Band. Auf dem Album 3/4 D’Once (BMC 248, 2017) sind es insgesamt acht Stücke von durchschnittlich sechs Minuten Länge.

Quartett Pulcinella

Da gibt es nervöse, insistierende Rhythmus- und Ostinato-Kapriolen („TPDC“), eine wilde Polka mit gackerndem Saxofon („Melchizedec“) oder einen sentimentalischen Tanzwalzer mit Widerhaken („Devant Ta Porte“). Die Stile und Haltungen wechseln oft mitten im Stück, die Improvisationen sind raffinierte Kunstaufgaben, und ungerade Balkan-Metren treffen auf Krimi-Grooves oder minimalistische Stillstände. In „Le Paris Sont Ouverts“ und „Mélatonine“ kommt auch einmal Rock-Härte auf.

Eine interessante Modifizierung von Sound und Stil brachte das Folgealbum Ça (BMC 283, 2019). Die Band hatte auf Tournee hinter einer Bühne eine eingestaubte Elka-Elektroorgel entdeckt, ein seltsames Relikt aus den 1970er Jahren, und sie den Besitzern abgeschwatzt. „Es dauerte einige Zeit, all die Möglichkeiten zu erkunden, die das Instrument bot“, erzählen die Musiker. „Manchmal klingt es wie eine Rhythm Box, eine elektrische Gitarre oder ein Moog-Synthesizer. Es ist schräg, unmöglich zu klassifizieren, zeitlos, abwegig, mit all seinen Unperfektheiten und Glückstreffern.“ Kurzum: das richtige Spielzeug für eine unberechenbare Band wie Pulcinella.

Quartett Pulcinella

Demonsant spielt die Elka-Orgel über ein Akkordeon-Knopfmanual, zaubert damit wilde Szenarien oder piepsende Klangmuster, die an frühe Computerspiele erinnern. Das Instrument ist wie ein fünftes Bandmitglied und hat die Stilistik von Pulcinella verändert – die musikalischen Ideen bekommen nun etwas mehr Raum und Zeit zur Entfaltung. Grotesk und virtuos klingt die Musik aber weiterhin, behält dieses „wilde Gefühl, dieses Auf-der-Kante-Tanzen, ein wenig wie Punk“ (so der Jazzkritiker Mathieu Durand).

Die Offenheit und Abenteuerlust der Band aus Toulouse fördert auch ihr Interesse, mit anderen Künstlern zu kooperieren. Das Quartett macht Musik für Theater- und Filmvorführungen, für Tanz- und Zirkus-Performances oder Lesungen. Sie begleiten die italienische Sängerin Maria Mazzotta, arbeiten mit dem Jazzsaxofonisten Émile Parisien, dem Schweizer Sänger Andreas Schaerer, der kolumbianischen Formation La Perla oder holen mit Correntin Restif einen zweiten Akkordeonisten in die Band. Ein frühes Beispiel ist ihr kooperatives Album Panthers’ Play (BMC 167, 2009) zusammen mit dem ungarischen Jazztrio Dzsindzsa.

Quartett Pulcinella

Ein gemeinsamer Workshop beim ungarischen Mediawave Festival 2008 machte den Anfang. Mit zwei Saxofonen, zwei Bässen und zwei Schlagzeugen im vereinigten Oktett bieten sich erweiterte Möglichkeiten für karikaturhafte Stakkato-Themen, Bebop-schnelle Signalmotive, machtvolle Jazz-Ekstasen oder heftige Gegensätze in „Zapping“-Technik. Gábor Weiss, der Leader von Dzsindzsa, fertigte sogar ein kunstvolles unbegleitetes Duostück für die beiden Saxofone („Shalala“).

www.pulcinellamusic.com

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