PS Audio Stellar DAC Gain Cell + Stellar S300 – Smart Move
Teuer und groß kann jeder, auf der HIGH END sieht man das jedes Jahr. Wenn aber neue Produkte günstiger und besser werden und sich keinen Deut um High-End-Vorurteile scheren, sind sie einen genauen Blick wert.
Fotografie: Ingo Schulz
PS Audio ist seit vielen Jahren eine feste Größe in der High-End-Welt. Ich habe einige faszinierende DACs der US-Firma gehört, auch sehr gute Phonovorstufen. Am beeindruckendsten ist es allerdings immer noch, ein und dieselbe Anlage mit und ohne PS Audio Power Plant zu hören. Für mich ist dieser Netzsynthesizer, der einen komplett neuen Wechselstrom mit 230 Volt und 50 Hertz generiert, das mit Abstand wichtigste „Zubehör“ für eine Stereoanlage, wenn es denn wirklich gut werden soll.
Dazu passt in meinen Augen das sehr „professionelle“ Image der Firma, technisch fundierte Lösungen ohne Voodoo anzubieten. Offenbar investiert Paul McGowan, der Chef von PS Audio, sein Geld nicht in Philosophien und Blingbling, sondern in saubere Elektrotechnik. Nimmt man sich mal etwas Zeit und liest sich durch die schier unzähligen Posts in Paul McGowans Blogs, merkt man schnell, dass diese Firma es wirklich ernst meint. Jede Lösung wird durchdacht und begründet – Klarheit und Transparenz, wohin man auch blickt. Dass die Fertigung in Boulder im US-Bundesstaat Colorado erfolgt und nicht aus Kostengründen nach Fernost ausgelagert wird, passt dann ebenso ins Bild wie die hohen Umweltstandards der Firma.
Da das alles zwangsläufig seinen Preis hat, steht PS Audio für eines nicht: Sparangebote für Schnäppchenjäger. Angesichts der Preise der neuen Stellar-Serie möchte man hier Einspruch einlegen. Jetzt werden sicher einige Leser zu Recht anmerken, dass auch 1700 Euro für eine Stereoendstufe eine ganz ordentliche Summe ist, die nicht eben als Schnäppchen durchgehen kann. Nachdem ich aber in den letzten Tagen gehört habe, wie locker die S300 auch weitaus teurere Konkurrenz in die Tasche steckt, bleibe ich dabei: Diese Geräte sind echte Sparangebote. Im besten Sinne!
Packt man die Endstufe S300 und ihre Partnerin, die DAC-Vorstufe Main Cell DAC aus, verwundert zunächst einmal die „Leichtigkeit“ der beiden Kollegen – wann habe ich das letzte Mal eine potente Endstufe mit einer Hand ins Regal geschoben? Natürlich fallen aus dem Vollen gefräste Aluminiumburgen aus, wenn ein Gerät günstig kalkuliert werden soll, liegen doch genau hier die größten Kosten in der Produktion vergraben. Doch da der Klang mit Sicherheit zu allerletzt von der Dicke der Frontplatte und der Masse der Schalter abhängt, ist es nur smart und richtig, genau hier den Rotstift anzusetzen. Die Aluminiumschalen des Stellar-Duos, die mit den Seitenwänden das Gehäuse bilden, sind sicher nicht das, was man sich in High-End-Kreisen unter einem echten Boliden vorstellt, treffen allerdings mit ihrem klaren No-Nonsense-Design genau meinen Geschmack. Spaltmaße und Passungen hat man bei Edelprodukten der Szene sicher auch schon besser gesehen, gehen aber meines Erachtens völlig in Ordnung.
Die Fronten beider Stellar-Modelle sind aufgeräumt und schlicht, die Rückseiten bieten alles, was man fürs musikalische Leben benötigt. Bei der Endstufe S300 gibt es naturgemäß wenig zu schalten und walten: Vorne befindet sich lediglich ein beleuchteter Standby-Schalter, das war es auch schon. Auf der Rückseite finden wir symmetrische und unsymmetrische Eingänge, zwei Paar stabile Klemmen für Lautsprecherkabel je Kanal, die Netzbuchse und einen „harten“ Netzschalter. Mehr braucht man auch nicht.
Bei der DAC-Vorstufe geht es freilich etwa üppiger zu: vier analoge Eingänge, davon einer in symmetrischer Ausführung, Ausgänge in beiden Varianten und dazu eine ganze Reihe aller nötigen und möglichen Digitaleingänge. Im Falle der PS Audio Stellars lohnt sich übrigens die symmetrische Anschlussart, da beide in der Tat durchgehend symmetrisch aufgebaut sind.
Öffnet man den Deckel der Endstufe S300, fallen gute Bekannte ins Auge: zwei Endstufen-Module aus der ICE-Power-Reihe. Diese kombiniert Paul McGowan allerdings mit einer eigenen Class-A-Eingangsstufe, die mit den typischen vergossenen „Gain Cell“-Modulen von PS Audio bestückt sind. Die komplette Stromversorgung läuft über die Schaltnetzteile der Endstufen, folglich sucht man vergeblich irgendwelches Schwermetall. Ein Fliegengewicht also – aber eines, das es durchaus in sich hat, wie wir noch merken werden …
Auch in der Vorstufe kommen die von McGowan entwickelten Gain-Cell-Module zur Anwendung. Neben einer diskreten Class-A-Verstärkerschaltung, die in den vergossenen Kästchen temperaturstabil arbeiten kann, ermöglichen die Gain Cells eine Lautstärkeregelung unter Auslassung weiterer Schaltungen, da die eigentlichen Verstärkerschaltungen je nach Lautstärkewunsch unterschiedlich angesteuert werden und in der Folge entsprechende Pegel ausgeben. Ein ziemlich gewieftes System, bei dem man sich nicht in die Karten blicken lassen möchte – auch deswegen die Vergussmasse.
Der Wandler ist ein alter Bekannter aus dem PS-Audio-Sortiment: eine Weiterentwicklung des NuWave DSD. Dieses Board verarbeitet sämtliche PCM- und DSD-Datenraten und klingt vermutlich – wenn sich seit meinem letzten Erlebnis eines DACs von PS Audio nicht viel geändert hat – sehr klar, detailliert und mit einem guten Händchen für Klangfarben und musikalischen Fluss. Wir werden sehen.
Zu Beginn unserer gemeinsamen Zeit schließe ich die Endstufe S300 an die Hauptmonitore in meinem Studio an. Die erste gute Nachricht: Nichts rauscht oder knackt. Die Endstufe dokumentiert ihren Leerlauf nur durch das Leuchten des Standby-Schalters. Schon nach einer erfreulich kurzen „Warmlaufzeit“ von vielleicht zehn Minuten kommt die S300 auf den Punkt und zeigt, was sie kann. Zunächst fällt die für wirklich gute Class-D-Verstärker typische Kantenschärfe des Klangbildes auf. Einzelne Instrumente werden im Panorama noch etwas präziser umrissen (Kollege Brockmann, der meinen Raum kennt, fragt sich vermutlich gerade, wie das denn noch gehen soll) und lösen sich auf eine faszinierend natürliche Weise vom Hintergrund ab. So fällt es beispielsweise sehr leicht, auch in komplexen Mixen die Einstellungen von Equalizern oder Kompressoren einzelner Spuren zu beurteilen. Diese hervorragende Auflösung wird allerdings nicht nur in den Mitten, sondern über den gesamten Frequenzbereich geboten, wobei sie in den untersten Regionen auf Kosten einer gewissen Fülligkeit bzw. Wärme durchgezogen wird. Bei den meisten Lautsprechern und (vor allem!) Räumen ist diese Klarheit im Bass allerdings ein unbedingter Vorteil. Das merke ich, als ich später die Endstufe eine Etage höher im Wohnzimmer ausprobiere. Hier – sozusagen in üblicher Consumer-Akustik – fällt mir keine Verschlankung mehr auf, alles klingt, wie es soll. Im Studio höre ich es allerdings auch nicht mehr, sobald die Subwoofer mitlaufen.
Besonders gut gefällt mir die Paarung mit meinen alten Spendor 3/5SE, die, kaum werden sie von den PS Audio bedient, regelrecht über sich hinauswachsen. Die Lautsprecher sind im Raum nicht mehr zu orten; selten habe ich die Spendors so schwere- und mühelos spielen hören. Das schafften sie in ähnlicher Form zwar auch schon mit anderen Class-D-Endstufen, konnten dann aber eine gewisse Härte oder besser: Sprödigkeit nicht verbergen. In diesem Fall bleibt bei allem Detailreichtum alles flüssig und geschmeidig, wofür ich jetzt rein spekulativ die hauseigenen Class-A-Eingangsstufen verantwortlich mache. Übrigens verträgt sich die Stellar S300 bestens mit Class-A-Vorstufen; im Studio läuft sie mit einer Crane Song Avocet deutlich besser als mit allen anderen Konzepten.
Im Paarlauf mit der Vorstufe DAC Gain Cell treten dann auch genau diese Synergieeffekte zutage. Es ist eine Art klangliches „Einrasten“, das man schwer beschreiben kann. Und doch bin ich sicher, dass die meisten von Ihnen genau wissen, was gemeint ist. Dabei ist es übrigens gleich, ob der Pre als rein analoge Vorstufe oder auch als DAC arbeitet. Ich beschreibe es am besten anhand einer CD: Die faszinierend schönen Aufnahmen der Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven mit András Schiff können mit ihrer dynamischen Bandbreite und der Plötzlichkeit der Lautstärkewechsel labile Anlagen schon an die Grenzen bringen. Gut, dieser Klasse sind wir hier eindeutig entwachsen, allerdings sind diese CDs auch für größere Geschosse eine echte Aufgabe. In Kombination mit anderen Spielpartnern liefert das PS-Audio-Duo eigentlich schon alles, was man braucht. Details, Informationen, Klangfarben, Fluss – alles ist da, wenn auch der Rest der Kette qualitativ angemessen arbeitet. Spielen die beiden Geräte zusammen, denkt man allerdings über all diese Parameter nicht mehr nach. Alles wirkt nun zu selbstverständlich, als dass man auf so etwas achten könnte. Nun tritt auch eine besondere Fähigkeit von András Schiff zutage, die man wirklich nur bemerkt, wenn „außenrum“ alles stimmt und nichts mehr stört: Er hat die Fähigkeit, komplexe Werke vor einem in ihre Teile zu zerlegen, ohne den Zusammenhang zu lösen. Wie in einer Explosionszeichnung aus dem Maschinenbau entstehen plötzlich Räume vor, neben und hinter den Noten – während des Hörens hat man das Gefühl, man könne durch die Architektur des Werkes gehen wie durch eine Kathedrale. Während man es hört, bemerkt man es kaum, weil es so selbstverständlich wirkt. Hört man dann jedoch das gleiche Stück von einem (nein: von fast jedem) anderen Pianisten, erschrickt man, wie klein und zweidimensional auf einmal alles klingt. Der Verlust schmerzt. Genau solche Momente kann man aber abseits des Konzertsaals nur erleben, wenn bei der Stereoanlage wirklich alles stimmt. Und das ist von der Preisklasse unabhängig.
Eine Lautstärkeregelung, die im Signalpfad liegt, verfälscht das Signal, egal wie aufwendig sie gemacht ist. Deshalb hat sich PS-Audio-Gründer Paul McGowan schon vor rund anderthalb Jahrzehnten eine andere Herangehensweise an das Problem einfallen lassen. Statt für die Regelung der Ausgangslautstärke Potentiometer, Schaltnetzwerke, Transformatoren oder Widerstandskaskaden zu benutzen, setzt McGowans „Gain Cell“ auf ein anderes Prinzip: den von Howard Jones und Gilbert Cell schon in den 1960er Jahren entwickelten „Variable Gain Amplifier“. Dieses Prinzip war in den goldenen Zeiten der analogen Aufnahmetechnik bei Tonstudio-Equipment weit verbreitet, da es sich auch als klanglich überlegen herausgestellt hatte.
PS Audios „Gain Cell“ variiert beim Dreh am Lautstärkeregler den Verstärkungsfaktor, anstatt das Signal als solches zu beeinflussen. Durch den „Variable Gain Amplifier“ erspart sich PS Audio zusätzliche Schaltungen im Signalpfad und erreicht einen extrem sauberen Regelbereich von über 80 dB. Auch im Stellar Gain Cell DAC funktioniert die „Gain Cell“ rein analog: Sie schaltet die Eingänge des Vorverstärkers um, ohne jemals die analoge Ebene zu verlassen, besitzt zudem ein vollsymmetrisches Schaltungslayout, um Einstreuungen und Übersprechen zu minimieren.
Damit auch im Signalweg des Endverstärkers möglichst kein Klang verloren geht, setzt PS Audio in der Endstufe Stellar S300 eine sogenannte „Analog Cell“ ein, eine Entwicklung von Darren Myers, dem Chefdesigner der Stellar-Serie. Die „Analog Cell“ verkörpert eine gegenkopplungsfreie, symmetrische MOSFET-Eingangsstufe, die im Class-A-Betrieb läuft. Sie soll der tonalen Charakteristik einer Röhre extrem nahe kommen und ermöglicht dem Entwickler die klangentscheidende Feinabstimmung (engl. „voicing“) der Endstufe.
Hans von Draminski
Vorverstärker-DAC
PS Audio Stellar Gain Cell DAC
Eingänge analog: 1 x Line in symmetrisch (XLR), 3 x Line in unsymmetrisch (Cinch)
Eingänge digital: 2 x Koax (asynchron, max. 192 kHz), USB (asynchron, max. 192 kHz), optisch (asynchron, max. 96 kHz), I2S (max. DSD128, PCM 384 kHz)
Ausgänge analog: je 1 x symmetrisch (XLR), unsymmetrisch (XLR), Kopfhörer (6,3-mm-Klinke)
Besonderheiten: CPLD-Eingang (FPGA) senkt Jitter und reduziert Laufzeitverzögerungen, 3 Digitalfilter für PCM-Signale, „Native Mode“ für Digitalsignale, vollsymmetrische Analogschaltung, passiver Ausgangsfilter, Fernbedienung
Maße (B/H/T): 43,5/8/31 cm
Gewicht: 6 kg
Garantiezeit: 3 Jahre (bei Registrierung)
Preis: 2000 €
Stereo-Endverstärker
PS Audio Stellar S300
Leistung (8/4 Ω): 2 x 140/300 W
Eingänge: symmetrisch (XLR), unsymmetrisch (Cinch)
Ausgänge: 2 x Lautsprecher
Besonderheiten: vollsymmetrische, bis 2 Ω stabile Schaltung, Dual Mono mit jeweils eigener Stromversorgung, Ausgangsklemmen aus massivem vergoldetem Kupfer
Maße (B/H/T): 43,5/8/31 cm
Gewicht: 6 kg
Garantiezeit: 3 Jahre (bei Registrierung)
Preis: 1700 €
Mitspieler:
Plattenspieler: Transrotor Apollon (modifiziert)
Tonarm: SME V
Tonabnehmer: Ortofon Cadenza
Phonoverstärker: iFi Micro iPhono
CD-Player: Mark Levinson 390S
Diverse DACs, Computer und Musikplayer
Vollverstärker: Lavardin IT
Lautsprecher: Diapason Adamantes 25th, Sky Audio Verdade, Spendor S3/5SE
Raum: 31 qm, akustisch mit Diffusoren und Absorbern modifiziert, um kurze Nachhallzeiten und weitgehend frequenzunabhängige Diffusion zu erzielen