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Professor P. - Neues vom Baumstammsortierer

Professor P.’s Rhythm & Soul Revue

Neues vom Baumstammsortierer

Professor P.’s Rhythm & Soul Revue

Der Professor träumt sich nach Florida und stromert mit der getönten Pilotenbrille auf der Nase durch die Nacht – im Ohr Neues von JJ Grey, Albert Castiglia und The Imagine If sowie ein Talking-Heads-Tributealbum und verschiedene Soul-Vinylsingles.

Eigentlich wollte ich an dieser Stelle ja von jenem Tag berichten, da ein Rudel von Möpsen das Arbeitszimmer von Professor P. stürmte. Frisch erlebte Ereignisse drängen diese Anekdote jedoch etwas nach hinten. Wer aber fleißig weiterliest in unserer heutigen Rhythm and Soul Revue, wird schon bald erfahren, was ein hyperaktives Mops-Trio mit der leicht neonverfärbten Funk- und Soulmusik der neunziger Jahre zu tun hat, just keep on keepin’ on, um mal wieder den unvergleichlichen Dr. John zu zitieren. Nun denn, frische Erinnerungen: Heute morgen klingelte der Wecker in frühesten Morgenstunden, obwohl doch der Tag des Herrn ist. Das kümmert die Terminplaner des örtlichen Fußballverbands ja leider nicht, sie setzten ein Auswärtsspiel* der Tochter in jene Zeit des sonntäglichen Wochenendes, da sich noch der Frühnebel vom Fluss hochwälzt und die Sonne verschlafen hinterm Horizont auf den ersten Kaffee des Tages wartet. Die Missus schlief ebenfalls noch, weshalb ich zu dunkler Stunde blind ins Regal griff und das erstbeste T-Shirt über den Kopf stülpte. Welches, das bemerkte ich erst später im Rückspiegel der Postkutsche, mit der die Mannschaft in fremde Regionen der Stadt verfrachtet wurde, ausgiebig bedruckt war. „Welcome to Mofro’s Down Home Review – Where the Sun Shines Brightest“: Das steht vorne in kleiner Typografie drauf, über einer Illustration, die die Sonne Floridas darstellen soll, und, oh boy, back came the memories… Es gab eine Zeit, da der Professor bei jedem Konzert ein T-Shirt erwarb, den bunt bedruckten Baumwollblob jedoch irgendwann an die örtliche Obdachlosenwohlfahrt weitergab, weshalb wahrscheinlich bis heute einige vom Leben gebeutelte Mitmenschen in verblichenen Konzert-T-Shirts von Jethro Tull, Miles Davis und Erste Allgemeine Verunsicherung herumlaufen. Einige wenige Exemplare behielt ich im Schrank, darunter jenes dunkelblaue Exemplar vom allerersten Auftritt von JJ Grey & Mofro auf europäischer Scholle. Dass dies ausgerechnet im fernen Frankfurt, und dort in der Mittelgroßraumdisko Batschkapp sein musste – man kann sich die Schauplätze des unverhofften Glücks nicht immer aussuchen. Der Professor lenkte sein Pferdchen seinerzeit, es muss 2007 oder 2008 gewesen sein, gen Süden und wurde mit circa 16 weiteren Besuchern Zeuge des Beginns einer schönen kleinen Karriere. Stay tuned!

* Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass sich beide Mannschaften im ersten Spiel der Saison nach einem nervenaufreibenden Hin und Herr auf Unentschieden einigten: 5:5. Die Sonne brannte trotz frühherbstlicher Terminlage wie in Florida in der Hochsaison. Karma, ich hör Dir trapsen …

JJ Grey & Mofro – Olustee

Professor P. - Neues vom Baumstammsortierer

Achtung, Opa erzählt von früher: In the good ol’ days, da man zur Zerstreuung den Fernseher anschaltete und irgendwas auf RTL oder SAT1 anschaute, da gab es Programmzeitschriften mit Millionenauflage. Eine davon hatte der Professor abonniert, und das nicht wegen der Auflistung des RTL-Programms, sondern wegen einer Seite im hinteren Teil des Heftes. Dort wurden Platten besprochen, nur mit zweieinhalb Sätzen, aber auf den Punkt. Falls der unbekannte Autor von damals dies hier lesen sollte: Danke, mein Freund! Eine dieser Rezensionsminiaturen versprach „Florida-Soul mit Country-, Funk- und Southern-Rock-Einflüssen“, Front-Porch-Blue-Eyed-Blues aus dem Hinterland des Sonnenstaates. Country Ghetto des bis dahin unbekannten JJ Grey und seiner Band Mofro wurde zur Platte des Sommers für den Professor. Kurz darauf verließ der Sänger-Schrägstrich-Gitarrist, seinerzeit noch hauptberuflich Baumstammsortierer im Holzgroßhandel im Hinterland von Florida, erstmals seine Heimat und kam für drei Konzerte nach Deutschland. Das erste fand statt in Frankfurt, und der Professor ritt schnell wie der Ponyexpress gen Süden. Am Mini-Merch-Stand schließlich erwarb ich das bewusste T-Shirt, aus den Händen von Mr. Grey persönlich überreicht. Später sah ich den guten Mann in fast ausverkauftem Hause, die Karriere hatte verdientermaßen Fahrt aufgenommen. Dann aber: 9 Jahre Funkstille, kein Album, JJ Grey war von des Professors Radar verschwunden – bis ich mich eher aus Versehen im fast vergessenen Konzertshirt am Spielfeldrand der Begegnung der 1. B-Mädchen von Altona 93 bei Grün-Weiß Eimsbüttel wiederfand. Okay, langer Umweg zur Message des Tages: Das neue Album Olustee, fünf Minuten vor Redaktionsschluss dieser Rhythm and Soul Revue im Stream gehört, Freunde, Freunde … Der Eröffnungssong „The Sea“ – Goosebumpsballade à la Cat Stevens. „Top Of The World“ – Jukejointfridaynightdancesoulfunk für’s müde Tanzbein. Titelsong „Olustee“ – Punkgitarre tanzt im Pogo-Wettkampf mit der Mundharmonika und kreiert damit das neue Crossgenre Stoner Soul. Um es mal selbst formvollendet auf den Punkt zu bringen: Fuckin’ awesome!

Label: Alligator/H’Art
Format: CD, LP, DL 24/96

Albert Castiglia – Righteous Souls

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Um Reisekosten zu sparen, bleiben wir jetzt einfach unter der Sonne Floridas, beziehungsweise setzen wir die getönte Pilotenbrille auf und stürzen uns ins neonirrlichternde Nachtleben Miamis. Die Chance ist groß, dort bis zum Morgengrauen auf Albert Castiglia zu treffen, den bekanntesten Bluesmann an der Küste des Golfs von Mexiko. Vielleicht spielt er ja in einer lokalen Bar und sieht uns im Hintergrund am Tresen herumlungern. Ein wissendes Lächeln wird durch seinen Fünftagebart marschieren, denn auch er trägt gerne getönte Pilotenbrillen im mild gebräunten Antlitz des Südstaatenbrothers. Er wird uns darob natürlich sofort als Bluesbrüder und Soulschwestern im Geiste erkennen. So weit des Professors Tagtraum, da ich selbst am Keyboard herumgroove, Grammatiktriolen und semantische Analogieakkorde in die Tasten haue und im Hintergrund Castiglias neues Album Righteous Souls laufen habe. Und das, Freunde, ist ein feines, ein fettes, ein funky-funky Blueswerk – für solche Zwecke bemühte man damals, als Castiglia in den jungen Neunzigern mit Mitte zwanzig als Tourgitarrist des 1998 verstorbenen Mundharmonikateufels Junior Wells für erstes Aufsehen sorgte, die heute verbrämte Musikrezensionsfloskel „Voll auf die Zwölf“. Unter aktiver Beihilfe von Kollegen (darunter die Bluesgitarrenbarden Joe Bonamassa, Josh Smith und Popa Chubby) „brennt man hier ein gnadenloses Groove-Feuerwerk ab“ – diese flaue Floskel gibt’s von mir umsonst dazu, aber was soll man machen, wenn die niedersten Headbanging-Instinkte mit einem rundum gelungenen Southern-Rock-Album befriedigt werden? Hört hier hinein: „Centerline“ (Gitarrenduell mit dem 500-Kilo-Bluesschwergewicht Popa Chubby), „Get Down To The Nitty Gritty“ (tanzbarer Juke-Joint-Blues mit Gastsänger Alabama Mike) sowie „The Dollar Done Fell“ (Cover des Buddy-Guy-Chicago-Blues-Standards in verfunktem Arrangement und im Duett mit Floridagitarrenfreund Josh Smith aus Fort Lauderdale).

Label: Gulf Coast Records (H’Art)
Format: CD, LP, DL 16/44

Various Artists – Everyone’s Getting Involved: A Tribute to Talking Heads’ Stop Making Sense

Professor P. - Neues vom Baumstammsortierer

Bitte habt gerade einmal etwas Geduld, geneigter Lesezirkelkreis. Der Professor muss weit, weit zurückspulen … (Fünf Minuten Warteschleifenmusik) So, weiter geht’s: In dunkelgrauer Vorzeit, da ich mich noch mit Ablativ, Eff-von-Iks-Funktionen und dem Bruttoinlandsprodukt der Mongolei auseinandersetzen durfte, da pilgerte ich zu jedem Konzert einer Kapelle namens Ottodox und die Reformierten. Das war eine Coverband, die in den achtziger Jahren hier oben am Polarkreis vor allem bei Stadtteilfesten extremst engagierte Musikkabarettversionen von „Purple Rain“, „Real Wild Child (Wild One)“ und eben des Talking-Heads-Hits „Life During Wartime“ zum Besten gab. Insofern war ich zunächst einmal grundlegend interessiert, als eine CD des gerade veröffentlichten Covermusikwerks Everyone’s Getting Involved: A Tribute to Talking Heads’ Stop Making Sense in der professoralen Packstation landete. Zumal obendrein der von Regisseur Jonathan Demme inszenierte Konzertfilm Stop Making Sense (noch vor seinen Hits Philadelphia und Das Schweigen der Lämmer) und das dazugehörige Livealbum Mitte der achtziger Jahre zu einem der kulturellen Erweckungserlebnisse meines noch jungfräulichen Musikverständnisses avancierte. Das vorliegende Album lässt mich aber etwas ambivalent ausgependelt zurück: Sehr gute Interpretationen stehen neben sehr schlechten – was mit dem schon im Titel verankerten Ansatz „Everyone’s getting involved“ zu tun haben könnte: Einige Künstlerinnen und Künstler hätte man für das ambitionierte Ansinnen, ein Livealbum zu covern, besser nicht involviert. Miley Cyrus zum Beispiel: Was die frühere Hannah Montana-Schauspielerin und Hitparaden-Eroberin hier mit „Psycho Killer“ anstellt, nein, nein, nein. Humptatabeats aus der Premiumproduzentendatenbank, die den kongenialen Kern des Songs in seiner spartanischen Instrumentierung mit Ghettoblaster, Akustikgitarre und David Byrnes übergroßem beigem Leinenanzug ad absurdum führt. Umso mehr überrascht mich die liebevolle Inszenierung von „Heaven“, vorgetragen von The National mit akustischem Piano, analoger Gitarre und Matt Berningers leicht schleppendem Bariton. Berninger kann eben Cover, vor drei Jahren hatte er ja bereits Velvet Undergrounds „I’m Waiting For The Man“ (auf I’ll Be Your Mirror – A Tribute To The Velvet Underground & Nico) wunderschön ins Licht geführt. „Burning Down The House“ wiederum ist schön nah am punkigen Original, intoniert von Taylor Swifts „Eras Tour“-Vorband Paramore. „Life During Wartime“ aber: Ein gewisser DJ Tunez, nigerisch-amerikanischer DJ, macht aus dem von Keyboard und Drums angetriebenen Hammersong ein arg entschleunigtes Schraubenzieherliedchen mit, warum auch immer, brasilianischer Copacabanajazzgrundierung. Not my cup of Caipirinha. „Take Me To The River“ dann: Die neuseeländische Popsängerin Lorde, trotz eines Nummer-1-Hits vor rund zehn Jahren mit „Royals“ mir nicht bekannt, zaubert hier in Talking-Heads-typischer gut gelaunter Polterhaftigkeit ein kleines postmodernes Retrokunstwerk.

Label: A24 Music
Format: CD, LP, DL 24/48

The Imgaine If – Great Expectations

Professor P. - Neues vom Baumstammsortierer

Ach, Kanada. Ort der Sehnsucht, seit der Professor mit der Missus und dem Nachwuchs 100 000 Meilen im viel zu kleinen Campervan abriss. Ahornsirupsüße Glückseligkeit. Geheimnisvoll-tiefe Wälder, in denen der Grizzlybär honigtrunken Twostep mit dem Biber tanzt, wenn gerade kein Holzfäller hinschaut. Überhaupt ein Land, in dem noch Holzfäller Holzfällerhemden tragen, das kann man sich in Metropolen wie Barcelona oder Castrop-Rauxel ja gar nicht mehr vorstellen. Aus dem besseren Amerika also erreichte mich jetzt ein Plattendebüt, das ich Euch gerne empfehlen möchte. The Imagine If kommen aus Toronto, der größten Stadt des Landes. 2019 gegründet – bad timing für eine neue Band. Jetzt endlich das erste Werk, Great Expectations, gefördert von der kanadischen Regierung und der FACTOR-Stiftung (Foundation Assisting Canadian Talent On Recordings): Überraschend eingängiger Südstaatensoul mit saftiger Orgel und gehaltvoller Gospelröhre. Wenig Informationen zirkulieren bisher zur Band, nur ein, zwei verwackelte Youtube-Filmchen aus der lokalen Horseshoe Tavern. Das Quintett um Sängerin Alia Logan lässt Americana-Bildwelten vor dem inneren Ohr Klanggestalt annehmen, das gefällt dem Professor. Hört hier hinein: „Old Shack By The Highway“ (Eröffnungssong mit Orgel und treibendem Schlagwerk sowie fräsender Bluesgitarre, die mit dieser Energie vermutlich zwei bis drei Ahornbäume fällen könnte), „Devil’s Child“ (Southern Soulrock, der zeigt: Hier ist ein gutes Songwriting-Team bei der Arbeit) und „Flowers“ (Roadsidebar-Ballade, bei der die Cowboyhutträgerin mit den weißen Cowgirlboots den Holzfäller ihrer Wahl eng umschlungen auf die kleine Tanzfläche zwischen Bühne und Tresen führt). Folks, let’s dance!

Label: The Imagine If Records
Format: CD, DL 24/48

Various Artists – Verschiedene Vinylsingles

Professor P. - Neues vom Baumstammsortierer

Nun also zu den Möpsen. Und bevor hier sensible Seelen mit Zornesröte um die Nase ob des Professors unmöglicher Siebzigerjahre-Attitüde in Sachen Höflichkeit gegenüber dem besseren Geschlecht an ersten Hashtags basteln: Ich spreche natürlich von Canis lupus familiaris, dem gemeinen Mops. Und ergänzend hier noch eine unerhebliche Information am Rande: Der englische Maler William Hogarth, einer der bedeutendsten Künstler des Königreichs im 18. Jahrhundert, setzte sich im Selbstbildnis gerne mit seinem Mops zusammen in Szene, der ausgerechnet auf den Namen „Trump“ hörte. Well… An einem schönen Sommervormittag jedenfalls stürmte ein charmantes, gut gelauntes Mops-Trio des Professors Poeten-Mansarde. Im Schlepp Emanuel Fränzel-Brase, Groove- und offenbar auch Canis-lupus-familiaris-Freund. In nordeuropäischer Hemisphäre meist als „Emu“ bekannt, als DJ, Labelmacher und Plattenproduzent in Sachen Soul, der seit Anfang der neunziger Jahre auf einer Open-End-Odyssee zur Förderung des Mediums Vinylsingle unterwegs ist. Anfang des Jahres nun fusionierten sein Hamburger Label Soulciety Records mit dem befreundeten Single-Outlet Sed Soul aus Bremerhaven zu Sedsoulciety Recordings, um seit Jahrzehnten in beiden Archiven lagernde und fast vergessene Soul- und Funk-Aufnahmen im frisch gepressten Seven-Inch-Format in die Freiheit zu entlassen. Überhaupt sind Singles in DJ- und Vinylnerd-Kreisen neuerdings wieder das angesagteste Medium, daher möchte der Professor Euer Augenmerk auf die von wohlkuratierenden Händen ausgewählten ersten Veröffentlichungen richten. Bobby Byrds Never Get Enough etwa: Mitte der Neunziger hatte James Browns alter Gefährte in Hamburg für Soulciety Records einige seiner Songs neu aufgenommen, das Album On The Move feierte seinerzeit in Europa bescheidene Erfolge. Aus dieser Session stammt die nun neu veröffentlichte Aufnahme, die den Soulshouter, obwohl im hinteren Drittel seiner Karriere, auf dem Höhepunkt seines Schaffens präsentiert. Für den Professor ist diese Single, da ich Byrd seinerzeit, 1994, als er eine Woche zu den Aufnahmen in Deutschland weilte, bei einem seiner legendären Konzerte erleben durfte, ein besonderes Highlight. Auf der B-Seite einer jeden Single aus dem neu gegründeten Vinylvertriebshaus findet sich eine Instrumentalversion des jeweiligen Songs, als „Dienstleistung für alle DJs“, wie Emu mir Mops-umspielt beim Redaktionsbesuch verriet. Weitere Werke stammen von der Vibrafonlegende Roy Ayers, von Produzent und Songwriter Mousse T. (er schrieb „Sex Bomb“ für Tom Jones) und von eher unbekannten Bands wie dem Bremerhavener Soulprojekt Cool Million. Einige dieser arg von Achtziger-Vibes umwehten, Keyboard- und Drumcomputer-lastigen Aufnahmen treffen nicht ganz den Nerv des Professors – aber das soll ja nix heißen. Mein Respekt gilt dem leidenschaftlichen Engagement in Sachen Soul – keep on keepin’ on!

Label: Sedsoulciety Recordings
Format: Vinylsingle

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