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Funkidelity Rhythm and Soul Revue

Prof. P.’s Rhythm and Soul Revue

Prof. P.’s Rhythm and Soul Revue

KANADADIDELDUM

Der Professor verordnet bedächtiges Konsumieren von Puts Marie, Tiwayo, Nick Waterhouse, Fun Lovin’ Criminals, Cari Cari, Michelle David, Eli Paperboy Reed sowie Mother Upduff.

Der Professor hat ja hier, zwischen im kargen Redaktionskeller von meditierenden Jungmönchen mit Federkiel und flüssigem Gold handgeletterten Seiten, ein interaktives Langzeitprojekt laufen. Via quasi-genialer Selbstüberhöhung ziehe ich Euch, meine verehrten Versuchskikaninchen, immer wieder aufs Neue hinein in die professoralen Erlebniswelten. Entführe Euch, Hand in Hand in Zweierreihen spazierend, ins imaginative Zwischenreich Eures liebsten Rhythm-and-Soul-Vorturners, in eine Welt, in der Zeit und Raum nur mehr Illusionen sind, Träume in Träumen – wenn ich könnte, würde ich aus dieser wohlfeilen Idee der halbspirituellen und vollimaginären Leser-Blatt-Bindung ein Haiku formen, das jeden Großmeister der fernöstlichen Poesie am Nirwana zweifeln lassen könnte. Mach’ ich aber nicht. Sondern berichte Euch dies: Zwanzig Meter vor mir mäht ein guter Mann seinen Ferienhausrasen, es ist Freitag, die Rente ist unter Dach und Fach, drinnen brät Mutti Schollenschnitzel, da kann man draußen ruhig den Vormittag damit verbringen, 50 Quadratmeter Grünfläche im ewigen Hin und Her plattzutreckern. Ja, der Professor hat sich in sein jährliches Musen-Ersatz-Retreat begeben, in ein Kapitänshäuschen an den Gestaden eines abgelegenen Meeresbusens, um die Gedanken zu sortieren und den wartenden Redaktionsmönchen schlussendlich ein Textverarbeitungs-Dokument zum erweiterten Versand zur Verfügung zu stellen. Am Himmel grasen zarte Schäfleinwolken, ein Rotkehlchen oder Schwarzkopfseeadler tiriliert im Ginster- oder Hagebuttenbusch, die korrekte Bestimmung von Flora und Fauna gehörte noch nie zu meinen Stärken. Der Rasenmähermann aber sitzt jetzt zu Tisch, Freitagsscholle Finkenwerder Art, so ist’s zu vermuten ob der feinen Bruzzelspecknote in the air. Wollen wir uns also nun auf das konzentrieren, was wirklich zählt im Leben. It’s soultime, baby. Let’s get it on… Bzw.: Grüezi mitenand!

Puts Marie Catching Bad Temper Label: Two Gentlemen/Haldern Pop Recordings Format: CD, LP, DL CD-Qualität
Puts Marie Catching Bad Temper Label: Two Gentlemen/Haldern Pop Recordings Format: CD, LP, DL CD-Qualität

Ein schön kalter Montag, Freunde. Gletscheratem, Frühlingsgefühle on ice, if you know what I mean. Westschweizer Alpen und nördlicher Polarkreis pressten in heißkalter Begierde die Knie aneinander an einem Abend … Ja, was war das eigentlich für ein Abend? Jedenfalls schienen für ein, zwei Stunden die Kontinentalplatten derart verschoben, dass man beim Talabstieg vom Berner Jura gleich mit beiden Füßen in der North German subculture landete. In der dunstigen Dunkelgrauzone eines peppigen Hinterhofkellers experimentierte vor überschaubarem Publikum eine der besten leider komplett unbekannten Bands der Welt mit ihren vielerlei Talenten. Puts Marie aus Biel im Kanton Bern: Aufmerksame Leser werden sich erinnern, vor gut zwei Jahren bereits brach Prof. P. hier in unserem feinen Rhythm-and-Soul-Kompendium anlässlich der Veröffentlichung Masoch I-II dermaßen viele Lanzen für das Quartett, da wäre das Mittelalter lanzenlos gewesen. Nun ein neues Werk, Catching Bad Temper, und wieder eine Darbietung in des Professors Habitat: Mon dieux, mon ami, mon stermäßig, wie man in petite Bienne so sagt. Da kippten die vier Mannen der Vereinigung Puts Marie alles auf die Bühne, was man in bald 20 Jahren als tingelndes popkulturelles Mysterium so zusammengetragen hatte: Punkfunkschnipsel, Raprockfragmente, Texmexmixmax … Das wird dann zu einem magisch-manischen Schwiizersoul zusammengezwirbelt, man trägt noch Tage später eine Träne der lustvollen Begeisterung im Knopfloch des Holzfällerhemdes spazieren, geehrter Lesekreisel. In der Uhrenweltmetropole und Bauhausheimat Biel versteht man sich auf präzisest montierte Melodieminiaturen, auf scheinbar einfache Hymnen in brachial-verschachtelter Psychedelic-Tonalität … Ach, hört Euch das Werk selbst an. Anspieltipps: „Catalan Heat“ (schwerer Rhythmus, schleppend wie ein Bernhardiner mit Rum-Fässchen im Tiefschneehang oberhalb der Bieler Alpen plus Gitarre wie ein jodelnder Gamsbock), „C’Mon“ (lose Rap-Mischung aus Latino-Groove und Brooklyn-Beats, dazu eine Gitarre, verschlafen-funky wie ein gähnender Braunbär) und „The Waiter“ (zarte Melodie, von schwülen Gewittern umwölkt wie ein Gletschergipfel im Herbst).

Tiwayo The Gypsy Soul of Tiwayo Label: Blue Note/Universal Format: CD, LP, DL 24/44
Tiwayo The Gypsy Soul of Tiwayo Label: Blue Note/Universal Format: CD, LP, DL 24/44

Jetzt müssen wir mal eben zurückspulen, Achtung, time travel, fasten your seatbelts, folks. Vor hundertdreizehneinhalb Leben schlich der Professor, niedergedrückt vom Blues einer brackigen Beziehung, emotionally waidwund durch die Sümpfe des Südens der Verunreinigten Staaten, Moskitos im Nacken und einen alten Alligator an der Leine. Ja, bad ol’ times. Doch meine stolpernden Füße führten mich eines Abends in ein Etablissement mit Bowlingbahnen und Bluesbühne. Hier trat ein König des Soul und Rhythm’n’Blues auf, mittlerweile verstorben, den nur leider auch zu Lebzeiten fast niemand kannte außerhalb der City Limits von N’ Awlins: Snooks Eaglin, auch Little Ray Charles gerufen, wegen seines seelentiefen Gesangs und weil er blind war. 2500 Songs konnte er auf Zuruf spielen, auf einer zerrupften Gitarre. Allerdings wird meine Erinnerung an jenen Abend auf ewig auch vom Duft der Pinkelrinnensteine geprägt sein. Kurz vor dem Konzert suchte nicht nur der Prof. das Herren-WC auf, auch Mr. Eaglin, hereingeführt vom Drummer und den Stehplatz neben mir einnehmend … Ach, das waren Zeiten. Fast vergessen hatte der Professor dieses Anekdötchen, bis vor dreieinhalb Tagen wieder ein Soulbluesmann dem gleichen Bedürfnis in professoraler Nachbarschaft nachging, während draußen schon der Background-Chor zur Hammondorgel summte … Shake-and-dance, und sodann hetzte man Schulter-an-Schulter hinaus, der eine vor, der andere auf die Bühne. Tja, Freunde, das nennt man Borderline-Berichterstattung, da müsst ihr durch. Tiwayo wiederum nennt sich der Mann, von dem ich hier erzählen muss: Aufgewachsen in Paris, Straßenmusiker, durch die Südstaaten getingelt, Memphis, New Orleans, jetzt, mit Anfang 30, erste Platte, The Gypsy Soul Of Tiwayo, aufgenommen und produziert von Grammy-Mann Mark Neills (Black Keys, Los Straightjackets) im Soil of the South Studio in Georgia, abgemischt von Philippe Weiss (Selah Sue, Kendrick Lamar, Madonna). Lasst Euch nicht beirren vom Namedropping: ein gleichermaßen rauer und retrowarmer Geniestreich. Gospelsoul, Reggae und Blues in energiegeladene Soulpoparrangements gegossen. Anspieltipps: „A Place To Call My Own“ (Magische Mini-Melodie mit Gospel-Anklängen und Ohrwurm-Potenzial), „Wild“ (dito) und „Love Me Like You Say“ (das klingt wie ein verschollener Song von Santanas Abraxas, Seventies-warme uptempo Apres-Sex-Ballade in sanftem Lavalampen-Groove).

Nick Waterhouse Nick Waterhouse Label: Innovative Leisure Format: CD, LP, DL CD-Qualität
Nick Waterhouse Nick Waterhouse Label: Innovative Leisure Format: CD, LP, DL CD-Qualität

Zwischen der hymnischen Verehrung seines dritten Albums Never Twice hier im musikmagazinischen Tempel der Lust und den nun ebenfalls nur mühsam zu bändigenden Euphorieschüben anlässlich des mit dem eigenen Namen betitelten vierten Werks Nick Waterhouse durfte der Professor kurz den Tempel des Frusts besuchen bzw. ein Konzert des Künstlers. Das war ernüchternd. Kam irgendwie als Intellektuellen-Rock’n’Roll und Schöngeist-Soul für dauerfilmende Handypärchen rüber, coolgelangweilte Band, uninteressierter Waterhouse. Aber, Freunde der mittelschweren Tanzmusik, das soll uns hier und heute nicht mehr stören. Manch einer findet seine Bestimmung eben im Studio, so auch Nick Waterhouse, in diesem Fall in den Electro Vox Studios in Los Angeles, einem Traditionshaus aus den 1930er Jahren, in dem schon Charlie Parker und Bing Crosby im Pleistozän der Populärmusik erste Schritte unternahmen. Waterhouse, in einem Vinyl-Plattenladen in San Francisco zum Soulbruder gereift, mischt auch auf dem neuen Werk all jene Sounds der späten 50er und frühen 60er, als Rock-and-Roll in Soul überging, Gospel und Blues aus den Kirchen und Jukejoints in die Charts wanderten. Er mischt rohen Garagenrock mit glühendem Gospel, sanften Stax-Soul mit schartigem Surf, Blues mit Popballadigem. Das gefällt dem Professor. Listen: „By Heart“ (Dopamin ausschüttende Melodie, polternder Drum-Sound, Barrelhouse-Piano), „Song For Winners“ (schaukelnder Rhythm’n’Blues, dazu ein Whisky direkt aus dem Fass, bitte, und für die Lady einen Milkshake mit Schuss) und „I Feel An Urge Coming Up“ (Geschenk von Soullegende Joshie Jo Armstead an Waterhouse. Sie schrieb einst für Ray Charles, etwa „I Don’t Need No Doctor“, und sang im Background von Ike Turner und James Brown. Hier jetzt: satter Gospelgroove, den Waterhouse mit spartanischer Surfgitarre umtanzt).

Fun Lovin’ Criminals Another Mimosa Label: DiFontaine Format: CD, LP, DL CD-Qualität
Fun Lovin’ Criminals Another Mimosa Label: DiFontaine Format: CD, LP, DL CD-Qualität

So, das Rhythm-and-Soul-Live-Feed verkündet: Mittlerweile sitzt der Professor nicht mehr vor dem Kapitänshäuschen, sondern auf Platz 36 in Wagen 6 des ICEs von Hier nach Da, neben sich ein uralter Haudegen, der selten duscht und eine Vorliebe für mumifizierte Bananen und Salamistullen pflegt. Da muss der Professor sich aus purem Überlebensdrang in eine seiner gern besuchten Paralleldimensionen flüchten. Zum Beispiel mit Another Mimosa von den Fun Lovin’ Criminals. Kurz für Euch ein „Was bisher geschah“: Band der Neunziger, Stratosphären-Höhenflüge nach „Scooby Snacks“ mit Pulp Fiction-Filmzitaten und dem Coversong-Album Mimosa, seit einigen Jahren aber eher erdnah unterm Radar fliegend, die letzte Veröffentlichung ist neun Jahre her. Nun: wieder ein Coveralbum des New Yorker Trios. Grandios. Werke von Bobby Womack, Tom Petty bis hin zu Ice Cube … Covern ist ja keine leichte Disziplin. Die Fun Lovin’ Criminals aber beherrschen das unterschätzte Genre wie kaum eine andere Band: Neues Arrangement, neue Stilistik, wohlplatzierte Rap-Pointen – ohne den Wesenskern eines Werkes zu korrumpieren. „Rumble“ etwa, 1958 von Link Wray intoniertes Instrumental, das von Iggy Pop bis Jimmy Page einst jeden der heutigen Granddaddys des Psychedelic-Schrägstrich-Punk-Rocks zur Gitarre greifen ließ, kommt hier als cholesterinhaltige Instrumentalschwarte daher, mit grummelnder Tarantino-Gitarre, klagender Mundharmonika, Brachialbass und aggressiv polterndem Schlagwerk. „Going Down“ von Freddie King groovt als lässiger Southern Funk-Rock, Womacks „Daylight“ weht als flirriges Westcoast-Ding ins Ohr. Höhepunkt ist „Mary Jane’s Last Dance“, von Tom Petty nur als Single-B-Seite sowie auf einem Greatest-Hits-Album veröffentlicht. Pettys southern Swing, angereichert mit Hiphop-Beats und Stax-Bläser-Sound: That’s the spirit. Gaston bzw. Bahnservicemitarbeiter, noch einen Mimosa. Oder ein Chili auf Eis.
PS: Falls sich die Honigmilchtrinker unter den Lesern fragen, was in einen Mimosa gehört: zu gleichen Teilen Champagner und Orangensaft.

Cari Cari Anaana Label: DiFontaine Format: CD, LP, DL CD-Qualität

Wenn ein Duo aus Dösterreich mit Drumcomputer und Didgeridoo experimentiert, dazu eine düstere Deltabluesgitarre anschlägt, dann ist klar: Der Prof hat zu viel „D“ aus dem Scrabble-Säcklein gezogen … Aber ich will nicht ablenken, mache ich ja nie, wie Ihr wisst, nein, ich komme zum Punkt. Und der ist: Das Albumdebüt von Cari Cari gehört zu den schönsten Neuentdeckungen im professoralen Orbit. Großes Talent für hymnische Melodien in spartanischen Minimalarrangements, Americana-Tumbleweed-Sound mit düsteren Sisters-of-Mercy-Anklängen, Surf-Akkorde mit Wiener Distinguiertheit (noch ein D …). Hört hier hinein: „Summer Sun“ (von Stephanie Widmer geraunte mozarteske Melodei, umschlungen von schmeichelnder Retrogitarre und sanfter Basslinie), „Mapache“ (Ode an die mexikanische Surf-Gitarre bzw. Bewerbungssong für den nächsten Tarantino-Soundtrack. Der erste Schritt ist übrigens schon getan, Cari Cari finden sich in der Audiospur eines brasilianischen Surffilms sowie der US-Fernsehserie Shameless) und natürlich „Nothing’s Older Than Yesterday“ (ein Hit – wenn die Welt gerecht wäre. Minimalistische Ballade mit schönem Gitarrensolo hinten heraus). Kleiner Tipp Eures Eventberaters: Die Band tourt bis in den Herbst 2019 hinein.

Michelle David The Gospel Sessions Vol. 3 Label: MDGS Format: CD, LP
Michelle David The Gospel Sessions Vol. 3 Label: MDGS Format: CD, LP

Natürlich, das ahnen alle Freunde von Prof. P.’s Rhythm and Soul Revue, kommen wir auch in FIDELITY-Ausgabe Nr. 44 nicht ohne mittelalte Goudagrooves aus. Schon vor zwei Monaten lobte der Professor ja einen Wettbewerb aus für eine fundierte Begründung, warum zwischen Tulpen und Tomaten so viel Soul, Funk und Rhythm-and-Blues gedeiht, eine Antwort aber für dieses urniederländische Treibhausmirakel seid Ihr mir noch schuldig, geehrte Gospelgemeinde. Hier ein neues Fallbeispiel: Michelle David aus New York fand nach Ballettausbildung an der berühmten Fame-Highschool, Medizinstudium, Musical-Karriere, Background-Job bei Diana Ross und Tingeltangeljahren mit den Golden Gospel Singers erst im Schatten einer holländischen Windmühle ihre wahre Bestimmung. Mit zwei örtlichen Gitarristen/Produzenten formte sie eine Gospelfunk-Formation, Freunde, das klingt wie made in Memphis. Dritte Platte The Gospel Sessions Vol. 3 (Vol. 1 und 2 kennt der Prof. leider noch nicht): Funk und Soul und Blues und Gospel tanzen eng umschlungen auf schummrigem Dancefloor somewhere way down south, draußen lauert die Schwüle des Mississippi-Deltas, drinnen riecht’s nach deep fried crawfish … Solch Transzendenz vom Hier ins Da, das schafft nur, wer den Soul in der Seele trägt. Listen: „Taking It Back“ (Volltempo-R’n‘B-Funk inkl. Vollpowersoulstimme), „Nobody But The Lord“ (Soulgospelballade mit schöner Bläser-Backgroundchor-Untermalung) und „Tell Me Why“ (Basslinie, dazu moderne Elektrocomputersounds, langsam schält sich aus einer behutsamen Bluesballade ein leichter Soulfunk heraus, klingt nach Stax 4.0.)

Eli Paperboy Reed 99 Cent Dreams Label: Yep Roc/H’Art Format: CD, LP
Eli Paperboy Reed 99 Cent Dreams Label: Yep Roc/H’Art Format: CD, LP

Zu den speziellsten sportlichen Ertüchtigungen der Welt gehört das Apnoe-Tauchen in den Tiefen des weltweiten Wirrwarrs, und unbesungener Champion darin ist natürlich das Recherche-Orakel der FIDELITY-Redaktion, the P. who’s me, Euer liebster Funk- und Soulprediger. Als Beifang meiner ökologisch einwandfreien Schleppnetz-Fahndung in Sachen Eli Paperboy Reed zog ich dies aus dem Bermudaviereck verschollener Informationsfragmente: Auf dem neuen, mittlerweile fünften Werk des noch immer erstaunlich jungen Soulshouters Reed wirken The Masqueraders mit, eine der langlebigsten und gleichzeitig unbekanntesten Soul-Bands der Welt, seit den späten Fünfzigern aktiv und nie wirklich berühmt. Ein Motown-Plattenboss unterband den Durchbruch einst mit dem Argument, der Sound der Sangesbrüder sei dem der damals durchstartenden Temptations zu ähnlich … Als tragische Spätestfolge passierte nun dies: Ein im Schnitt fast 80-jähriges Resttrio der Masqueraders bewarb sich 2017 bei America’s Got Talent, groovte sich, getragen von einer Mischung aus Bewunderung und Seniorenfürsorge, bis ins Viertelfinale, wo man schließlich von der späteren Siegerin des Castings-Formats geschlagen wurde: einer zwölfjährigen Bauchrednerin, deren Plüschhase eine rosa Puschelfrisur trug. America, land of confusion … So, und nun zu Mr. Reed: Entspanntes Rhythm-and-Blues-Werk im Sound der späten Fünfziger, schon für den deutlich gospelgroovigeren Vorgänger My Way Home fand der Professor nur wärmste Worte. Aufgenommen in den Traditionsstudios Sam Phillips Recording in Memphis, dort, wo schon Bob Dylan, Roy Orbison und Johnny Cash vors Mikro traten. Reed darf das, er klingt und sieht aus, als sei Otis Redding in den Körper eines Highschool-Quarterbacks geraten, Leute, Leute, old fashioned Rock-and-Roll-Pop, swing those hips and dance the night away… Und Dank für die Reaktivierung der Masqueraders!

Mother Upduff Tales Of Tangle Label: Nasoni Records Format: LP
Mother Upduff Tales Of Tangle Label: Nasoni Records Format: LP

Achtung, Tag der offenen Tür bei des Professors Rhythm and Soul Revue. Wann? Jetzt. Heuer will ich die hochgeschätzte Lesezirkelklientel mal kurz hinter den roten Samtvorhang meines kleinen Off-Breitweg-Musikrevuetheaters schauen lassen und Euch bei einer Scoutingtour an die Hand nehmen. Da spielte neulich die bereits in FIDELITY vorgestellte schwedische Doom-Blues-Mädelsband MaidaVale erneut in einer schön verranzten Kaschemme am Hafenrand. Im Vorprogramm Liquid Orbit, eine mir unbekannte Psychedelic-Gruppe aus Bremen. Klopf-klopf beim Label Nasoni Records aus Berlin, Spezialist für Bewusstseinserweiterung via Vinylkonsum. Kurze Zeit später hatte der Professor den DHL-Paketstationskasten gut gefüllt mit Vinyl der vagen Kategorie Heavy-Duty-Drug-Soul. Unter anderem dies: Mother Upduffs Tales Of Tangle. Quartett aus Vancouver, Kanadadideldum. Entschuldigt diesen oder jenen semantischen Ausrutscher, Nachwirkungen des Nasoni-Vinyl-Genusses. Auf Intervention des Labels wurden alle von Mother Upduff in Eigenregie veröffentlichten sechs EPs, bislang nur als Download auf Bandcamp gegen Spende angeboten, neu abgemischt und auf Vinyl gepresst. 20 Songs, darunter vier bislang unveröffentlichte, ein psychedelisches Garagenbluesfolksoul-Gesamtkunstwerk. Gitarren, zwischen der Monotonie eines R.L. Burnside und düsterem Doom-Rock taumelnd, Sänger Jeff Collins wankt dazu zwischen brüchiger Folk-Melancholie und bluesgetränkter Motörhead-Manie – schlicht genial. Anspieltipps: „Grave Robber“ (bedächtig-bravouröse Dekonstruktion des Genres Blues), „The Captive“ (klingt seltsamerweise nach einem Puts-Marie-Song, s. o., intoniert von einer Deep-Purple-Coverband aus dem Mississippi-Delta) und „Transient (Electric)“ (Zeitlupenfunk mit Doors-Keyboard). Fazit: Strange, but beautiful, wie man in Kanada so sagt. Zu beziehen über Bandcamp oder www.nasoni-records.com.

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