63. ION stellt ihr Programm 2014 vor
Die Internationale Orgelwoche Nürnberg geht unter der künstlerischen Leitung des Berliner »Konzertdenkers und –designers« Folkert Uhde ins zweite Jahr. Vom 23. Mai bis zum 1. Juni möchte das Nürnberger Festival unter dem Motto »Rausch« dazu verführen, sich zehn Tage lang mit allen Sinnen hinzugeben. Das aus mehr als 40 Veranstaltungen bestehende Programm deckt ein musikalisches Spektrum von mittelalterlicher Musik über Bach, Mahler und Bruckner bis hin zur Uraufführung und improvisierter Musik ab; es entführt u.a. zu mönchischer Kontemplation, barocker Lebensfreude, raumgreifendem Klangrausch und aktueller arabischer Musik im Dialog mit der christlichen Tradition und deren Jahrtausende alten Wurzeln. Noch stärker als im letzten Jahr ist das Festival geprägt durch maßgeschneiderte Konzepte und Aufführungsformen, die in dieser Art nur in Nürnberg zu erleben sind. |
Bereits vorab, am 3. Mai, schürt ein kleines musikalisches Fenster im Rahmen der die ganze Nürnberger Innenstadt bespielenden »Blauen Nacht« die Vorfreude auf die diesjährige ION. |
Eröffnet wird das Festival am 23. Mai mit einer Wiederentdeckung: 1625/26 veröffentlichte der Nürnberger Meister Johann Staden eine zweibändige Sammlung mehrchöriger Kirchenmusik nach dem Vorbild venezianischer Komponisten wie Giovanni Gabrieli. Im Auftaktkonzert der ION ist sie unter dem Motto »Venedig in Nürnberg« erstmals in einem dreidimensionalen Klangerlebnis mit dem Windsbacher Knabenchor und zwei hochkarätigen Spezialensembles für die Musik dieser Zeit wieder zu hören. Das Abschlusskonzert am 1. Juni liegt in den Händen der Staatsphilharmonie Nürnberg mit ihrem GMD Marcus Bosch am Pult. Bruckners Sinfonie Nr. 5 B-Dur wird vorbereitet und eingebettet in eine die große Lorenzkirche räumlich und klanglich ausfüllende Uraufführung für Perkussionsensemble des jungen Schweizer Schlagzeugers und Komponisten Alexandre Babel. Ein kontinuierlich aus der Stille sich steigernder Klangrausch. |
In dieser dramaturgischen Klammer lotet das Festival verschiedene Arten des Rausches aus: Am Anfang steht die ekstatisch-musikalische Verehrung der Jungfrau Maria durch den Chor des Bayerischen Rundfunks und der Barockgeigerin Midori Seiler (25.05.). Weiter geht es mit dem äußerst selten zu hörenden Messiaen Zyklus »Vingt regards sur l’enfant-Jésus«, einem der wichtigsten Klavierwerke des 20. Jahrhunderts (26.05.), gespielt von dem international renommierten Berliner Pianisten Martin Helmchen – und ergänzt durch ein Lichtdesign, das die »Zwanzig Blicke« in einen sich über zwei Stunden verändernden Lichtprozess übersetzt. Das Projekt »Über das Verlangen« mit dem Vocalconsort Berlin, dem belgischen Ensemble Zefiro Torna und der aus Tunesien stammenden Sängerin Ghalia Benali zeigt die gemeinsamen Wurzeln von Orient und Okzident am Beispiel der Liebeslieder aus dem biblischen Hohelied Salomons (28.05.). Gegenstand einer musikalischen Bildbeschreibung sind die »Drei Freunde« und Organisten D. Buxtehude, J.A. Reincken und J. Theile, deren Lebensumstände und Musik zu einem lebendigen Kaleidoskop des 17. Jahrhunderts werden (29.05.). »Die Kunst der Fuge« ergründet eines der großartigsten und rätselhaftesten Werke der Musikgeschichte in einer eigens von dem niederländischen Concertgebouw-Organisten Leo van Doeselaar für die ION erarbeiteten Fassung für vier Orgeln, ein Streicherensemble und Saxophonquartett. Die Mehrdimensionalität der Musik wird durch ein Raum- und Lichtkonzept und die vier Orgeln der Lorenzkirche im Dialog mit der Architektur erfahrbar (30.05.). Die »rauschhafte Nüchternheit« der Benediktiner wird durch ein Gregorianik-Projekt erlebbar, das in fünf Konzerten zwischen 6 Uhr morgens und Mitternacht den Lebens-, Arbeits-, Bet- und Singrhythmus mittelalterlicher Mönche nachvollzieht. Die thematisch konzipierten Konzerte gipfeln in einem »Klangrausch« mit The Tallis Scholars, einem der renommiertesten a-capella-Vokalensembles der Welt, unter der Leitung des legendären Chorleiters Peter Phillips (31.05.). |
Nach dem erfolgreichen Pilotprojekt geht die IONacht als umfangreichste Veranstaltung des Festivals am 24. Mai von 19.30 Uhr bis Mitternacht in die zweite Runde. Dann öffnen die großen Nürnberger Innenstadtkirchen und der Rathaussaal wieder die Tore für über 200 Mitwirkende aus Nürnberg und der Welt. Ein Höhepunkt ist das Mitsingkonzert der Damen des Chores des Bayerischen Rundfunks – nur für Frauenstimmen! |
Einen dringend notwendigen Schritt in Richtung Familien geht die ION mit ihrem erstmalig stattfindenden Renaissance-Fest im Museum Tucherschloss (25.05.). Der Nachmittag im historischen Ambiente mit vielen Künstlern dreht sich um Fragen nach Musik und Alltagskultur der Renaissance-Menschen – Armen wie Reichen. |
Ein vierteiliger Mahler-Zyklus bildet einen weiteren Schwerpunkt. Der britische Organist David Briggs hat mit seinen Versionen von Gustav Mahlers Sinfonien einen eigenen Klangkosmos erschaffen, aus den vier Transkriptionen bei der ION vorgestellt werden (27., 29., 30. Mai und 1. Juni). |
Bereits Kultstatus haben die fünf Orgel-Mittagskonzerte (26.-30.05.), die diesmal vier Preisträger der ION-Orgelwettbewerbe um den »Johann-Pachelbel-Preis« der vergangenen Jahre und die Trägerin des Grand Prix d’Interpretation des renommierten Orgelwettbewerbs in Chartres/Frankreich portraitieren. |
Eine Neuauflage erleben auch sich großer Beliebtheit erfreuende, mit Folkert Uhde hinzugekommene Formate wie die fünf Klangproben (26.-30.05.) und die ION-Party (28.05.). Zu weiteren Veranstaltungen gehören Gottesdienste und das 10. Schulprojekt der ION. |
»Der Mensch besteht nicht nur aus Ratio. Er braucht auch Intuition und Leidenschaft. Er lässt sich gerne verführen. Er berauscht sich an Gefühlen, Dingen, Menschen und Ideen. Wir feiern in diesem Jahr die Abwesenheit der Ratio, den Kontrollverlust und laden ein, sich hinzugeben – dem Klangrausch, dem Sog der Nacht, der Freude des Festes, dem musikalisch ausgedrückten Verlangen, dem Feiern der Freundschaft, dem Erleben von Gemeinschaft und Ritualen. Spüren Sie der »trunkenen Nüchternheit« mittelalterlicher Mönche nach und gehen Sie mit uns auf die Suche nach den Quellen von Inspiration und Kreativität – und der Stille zwischen den Klängen, die jedes Mal anders klingt«, fasst Folkert Uhde das Leitmotiv der ION 2014 zusammen. |
Die Internationale Orgelwoche Nürnberg – Musica Sacra (ION) ist das wohl älteste Festival für Geistliche Musik in Europa, wenn nicht sogar weltweit. Sie gehört zu den kulturellen Highlights der Metropolregion Nürnberg und strahlt weit über ihre Grenzen hinaus. 2013 hat Folkert Uhde, Berliner Konzertdramaturg, Produzent, Kulturmanager und Gründer des Berliner Kultur- und Veranstaltungshauses RADIALSYSTEM V – die Künstlerische Leitung der ION übernommen. Sein Aufbruch beinhaltet, die Marke »ION« neu aufzuladen und das Verständnis und die Ausdeutung dessen, was »Geistliche Musik« ist, zu erweitern und zeitgemäß zu beleben: Mit neuen Konzertformaten, im Dialog mit der großartigen Architektur der historischen Spielorte und mit Angeboten, die auch ein Publikum jenseits von Musikspezialisten zum Besuch der ION verführen sollen.
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