PMC Fact Fenestria – Der direkte Umweg
Ausgerechnet lange, gefaltete Luftschächte versprechen bei Transmissionline-Lautsprechern besonders schnellen, präzisen Bass. Bei der PMC Fact Fenestria setzt sich dieser Ansatz über das gesamte Frequenzband fort. Ein Feuerwerk an ungewöhnlichen technischen Lösungen dient hier einem simplen Ziel: musikalische Wahrheit unmittelbar ans Ohr zu bringen.
In aller Kürze
Die PMC Fact Fenestria verbindet das Beste aus beiden Welten: Die bedingungslose Neutralität eines Profi-Monitors und die Musikalität eines hochkarätigen High-End-Schallwandlers.
Ein bisschen besorgt war PMC-Entwicklungsleiter Toby Ridley ja schon, dass ich seine Schätzchen unsachgemäß behandeln könnte. Beim Verlassen unserer Redaktion drehte er sich in der Tür zu mir um: „Versprich mir, dass du ihnen ordentlich Pegel gibst, ok?“ Großes Indianerehrenwort, alle Sorgen sind völlig unbegründet. Dass Ridley zusammen mit Creative Director Keith Tonge und Besser-Distribution-Geschäftsführer Udo Besser direkt vor Ort waren, um die Fact Fenestria aufzubauen und sachkundig einzurichten, ist zu einem gewissen Grad dem glücklichen Umstand geschuldet, dass die FIDELITY ihr Hauptquartier vergleichsweise unweit des Münchner MOC aufgeschlagen hat, wo die Lautsprecher noch wenige Tage zuvor dem Publikum der HIGH END vorgeführt worden waren. So lag es nur nahe, dass wir die Fact Fenestria im Nachgang mehr als freiwillig für eine gewisse Zeit unter unsere Fittiche nahmen.
Wie man es von echten Profis erwartet, gingen die Briten mit einer Mischung aus guter Laune und großem Ernst an die Aufstellung, und die Prozedur nahm im Wesentlichen den gesamten Tag in Anspruch. Uns fiel auf, dass sie keine Hilfsmittel im Gepäck hatten. Als Meister ihres Fachs haben sie alle erforderlichen Messgeräte direkt im Ohr, denn letztlich gebe für sie nicht die Frage den Ausschlag, ob die Lautsprecher schöne Messschriebe produzieren, sondern ob Musik klingt, wie sie soll. Statt zu messen, wurde also immer wieder gehört, und ehe wir uns versahen, war der Hörraum auf den Kopf gestellt: Es wurden Akustikmodule und Möbel geschoben, umplatziert, verrückt oder das Sofa abwechselnd um wenige Zentimeter nach vorn und nach hinten platziert, bis sich schlagartig ein zufriedenes Lächeln um alle Münder zeichnete.
Im professionellen Umfeld konnte sich PMC (Professional Monitor Company) mit seiner Leidenschaft von Anfang an einen hervorragenden Ruf erarbeiten. Entsprechend lang ist die Liste der Referenzen: BBC, Metropolis Mastering und die Emile Berliner Studios zählen ebenso zum Kundenkreis wie die Musikergrößen Stevie Wonder, Robbie Williams und Brian May. Die Heimlautsprecher sollen sich von PMCs Referenzmonitoren dabei nur durch ihr wohnraumfreundlicheres Äußeres unterscheiden, die Klangsignatur soll dagegen mit den professionellen Abhörwerkzeugen identisch, also im Wesentlichen nicht vorhanden sein. Als Monitorhersteller frönt PMC selbstverständlich dem linealglatten Frequenzgang und auch ansonsten tadellosen Messwerten. Dennoch geben sich die Briten keineswegs der Illusion hin, dass sich alles, was den Klang eines Lautsprechers ausmacht, in nüchternen Zahlen und Graphen erfassen lässt. Sind die strengen objektiven Kriterien erstmal erfüllt, geht für Toby Ridley die Arbeit deshalb erst richtig los: An jeder Stelle der Frequenzweiche probiert er unterschiedlichste Kondensatoren, Spulen und Widerstände mit jeweils identischen Werten durch und ermittelt in Hörtests, welches Bauteil an welcher Stelle am besten klingt. „Wenn ich meine Arbeit gut mache, lassen sie mich danach auch kurz raus an die Sonne“, beschreibt er scherzhaft seine Work-Life-Balance.
Doch schon bei der Umsetzung der messbaren Performance treibt man bei PMC ungewöhnlich hohen Aufwand und beschreitet durchaus auch den ein oder anderen Sonderweg, deren markentypischster sicherlich der Einsatz von Transmissionlines anstelle von Bassreflexgehäusen ist. Erfunden hat PMC das Konzept freilich nicht; das Prinzip ist bereits seit den 1930er Jahren bekannt, leidet jedoch traditionell unter der erforderlichen Länge der Leitung, die der allgemeinen Lehre nach ein Viertel der Resonanzfrequenz betragen muss und folglich meist zu kühlschrankgroßen Gehäusen führte. PMC hat es sich von Anfang an zum Ziel gesetzt, diese Technologie handhabbarer und kompakter zu gestalten. In mittlerweile jahrzehntelanger Forschungsarbeit ermittelte man daher das optimale Verjüngungsverhältnis des Halses der Leitung zur Austrittsöffnung ebenso wie die Wahl der verwendeten Dämmschäume, die dank ihrer porösen Struktur die effektive Schallgeschwindigkeit im Innern um knapp ein Drittel verringern – das erlaubt es, die Leitung entsprechend zu verkürzen und dennoch dieselbe tiefe Tuningfrequenz zu erzielen. Gegen Ende der 1990er schaffte es PMC damit, die Transmissionline im HiFi salonfähig zu machen, und einige Jahre darauf präsentierte der Hersteller mit der kompakten DB 1 den weltweit kleinsten Lautsprecher dieser Bauart. Von diesem Titel ist die Fact Fenestria freilich weit entfernt, dafür kann sie für jedes der beiden Bassgehäuse jeweils mit einer eigenen Transmissionline aufwarten.
Den Antrieb stellen pro Modul je zwei 17-Zentimeter-Tieftöner, deren flache Sandwichmembran aus zwei hauchdünnen Kohlefaserschichten besteht, die einen Membrankern aus einem speziellen Hartschaum umschließen. Die Anforderungen an das Membranmaterial waren hier ungewöhnlich hoch, denn eine der Kenngrößen bei der Entwicklung von Transmissionlines ist die Effizienz der Ankopplung der Treiber an die Luftsäule hinter ihnen. Bei der Fact Fenestria fällt die Anbindung bei der Tuningfrequenz so effizient und somit so hart aus, dass die schwingende Luftsäule konventionelle Membranen schlicht zerreißen würde.
Angesichts der enormen Kräfte, die hier wirken, hat man sich bei der Fact Fenestria einiges einfallen lassen, um unliebsamen Vibrationen Einhalt zu gebieten. Am augenfälligsten sind dabei die vier geschwungenen Seitenflügel, die die Außenverkleidung bilden und elastisch mit den Gehäusen der Tieftoneinheiten verbunden sind. Die elegante Designlösung, die den mannshohen Lautsprechern eine offene und leichte Erscheinung verleiht, hat zugleich auch eine akustische Funktion: Die Härte der Aufhängungselemente und das Gewicht der Flügel sind exakt so gewählt, dass das System einen abgestimmten Massedämpfer bildet: Vibrieren die Seitenwände der Bassgehäuse auf ihrer Eigenfrequenz, schwingen die Außenschalen relativ zu ihnen gegenphasig auf derselben Frequenz und Amplitude mit – absolut gesehen stehen sie damit einfach nur still und geben dementsprechend keinen Schall an die Umgebung ab. Diesen Kniff hat man sich von der Konstruktion von Wolkenkratzern abgeschaut, in denen schwere Pendel auf dieselbe Art Schwingungen auffangen, wie sie etwa bei Erdbeben entstehen. Als angenehmer Nebeneffekt sind die Flügel ohne Weiteres austauschbar – sollte einem also nach einigen Jahren das gewählte Furnier langweilig werden, lässt es sich zum überschaubaren Kurs einfach auswechseln.
Damit die höheren Tonlagen von der Tieftongewalt unbehelligt bleiben, nutzt PMC als Mittelhochtoneinheit einen aus Aluminium gefrästen Träger, der elastisch vom Hauptgehäuse entkoppelt ist und in dem wiederum schwimmend gelagert der Mittel- und der Hochtöner eingefasst sind. Als Mitteltöner kommt nicht wie üblich ein Konustreiber, sondern eine 75-Millimeter-Gewebekalotte zum Einsatz, die dank ihrer deutlich geringeren Masse hohe Auflösung und natürliche Tonalität verspricht. Auch wenn der Treiber vergleichsweise klein und leicht ist, kann man ihm keineswegs vorwerfen, er sei zart besaitet: Mit seiner üppig dimensionierten Sicke bietet er großzügige Hubreserven, was unter anderem eine für diese Treiberart bemerkenswert niedrige Übergangsfrequenz zu den Tieftönern von 380 Hertz möglich macht – und wenn ein Treiber in einer fertig entwickelten PMC zum Einsatz kommt, weiß man grundsätzlich, dass er hart im Nehmen ist. Während der Einrichtungsprozedur berichtete mit Toby Ridley schmunzelnd, dass er beim Testen schon die ein oder andere Hochtöner-Schwingspule durch die Seidenmembran hindurch hat glühen sehen – es hat also durchaus ein wenig gedauert, bis man beispielsweise den 19-Millimeter-Tweeter so weit hatte, dass er den Belastbarkeitsanforderungen gewachsen war.
Wenn sich die Jungs schon so viel Mühe gegeben haben, der Fact Fenestria Pegelfestigkeit mit auf den Weg zu geben, wäre es ja unhöflich, ihnen nicht gebührend die Sporen zu geben, also starte ich die Hörsession mit „Raining Rock“ vom gleichnamigen Album der britischen Neo-Hardrocker Jettblack. Mit seinen kreischenden Riffs und dem schamlos gassenhauerischen Liedtext könnte das 2012er Stück locker aus den späten Achtzigern sein und sich nahtlos zwischen Mötley Crüe und Skid Row einreihen. Über die Fact Fenestria kann es in unserem Hörraum außerdem auch die Lampenfassungen zum Zirpen bringen. Besonders beeindruckt bin ich allerdings nicht von der schieren Lautstärke, sondern von der mühelosen Kontrolle, die die Lautsprecher jederzeit über das Musikgeschehen behalten. Und: Bei allem Spaß an der Sache enthalten sie sich konsequent jeglicher Effekthascherei. Tonal ist die Fact Fenestria ein Musterbeispiel an tonaler Ausgewogenheit und Signaltreue, an absolut keiner Stelle ist irgendetwas über- oder unterbetont, der Bass reicht bis in den tiefsten Keller, trägt aber nie zu dick auf und ist, wenn gefordert, so knochentrocken, schnell und direkt, wie ich es – wenn überhaupt – nur selten gehört habe.
Natürlich muss ein High-End-Lautsprecher deutlich mehr können als einfach nur kontrolliert knallen. Nachdem ich eine Tasse Kaffee lang meinem Gehör die Zeit gegeben habe, sich vom Nachklingeln zu befreien, lege ich mit Holly Coles Shade deshalb audiophilere Kost ein. „A Cottage For Sale“ enthält ein Hammondorgel-Solo, das mit einer schnell ansteigenden Tonfolge beginnt, bei der die Sängerin guttural mitkichert – so klar voneinander getrennt habe ich Orgel und Stimme bislang noch nie gehört. Die Fact Fenestria demonstriert hier zudem noch mehr als zuvor ihre tadellose Abstimmung: Das Timbre der Stimme wie auch aller Instrumente trifft sie stets auf den Punkt, kommt dabei jedoch niemals in die Verlegenheit, nüchtern oder gar analytisch zu klingen. Bei „Midnight Sun“ vom gleichen Album spannt sie nicht nur den Raum zwischen Holly Coles klar und direkt eingefangener Stimme und den Streichern im Hintergrund beeindruckend weit auf, sondern verbindet auch die wenigen Elemente des sparsam, aber wirkungsvoll arrangierten Stückes zu einem unerwartet opulenten Ganzen, das den Raum mühelos mit Atmosphäre füllt.
Das langwierige Bauteiljonglieren hat sich absolut bezahlt gemacht: Auch wenn die PMC Fact Fenestria insgesamt eine schonungslos direkte Gangart ohne jegliche akustische Retusche an den Tag legt, ist sie dennoch ausnehmend musikalisch: Sie zeigt dem Hörer nur das, was auf der Aufnahme ist, und sie zeigt alles, was darauf ist – das aber von der absolut besten Seite. Irre, wie viel Spaß Wahrheit machen kann!
Info
Lautsprecher PMC Fact Fenestria
Konzept: passiver 3-Wege-Standlautsprecher
Bestückung: 4 x 17-cm-Tieftöner, 75-mm-Mitteltonkalotte, 19-mm-Sonomex-Gewebehochtöner
Frequenzgang: 23 Hz bis 25 kHz
Nennimpedanz: 4 Ω
Empfindlichkeit: 86 dB
Besonderheiten: mehrteiliger Aufbau mit zwei Transmissionline-Tieftonmodulen und aus vollem Aluminium gefräster Mittelhochtoneinheit; auswechselbare, als Massedämpfer wirkende Seitenverkleidung; Rhodium-Triwiring-Terminal mit anpassbarem Hoch- und Tieftonzweig
Ausführungen: Tiger Ebony, Walnuss, Weiß seidenmatt
Maße (B/H/T): 37/170/62 cm
Gewicht: ca. 80 kg
Garantiezeit: 20 Jahre bei Registrierung
Paarpreis: um 90 000 €
Kontakt
Besser Distribution GmbH
Holbeinstraße 8
12205 Berlin
Telefon +49 30 8560 650 10
www.pmc-speakers.com
Mitspieler
CD-Player: Ayon CD-3sx, Audio Note CD 5.1x
Netzwerkplayer/DAC: Lumin P1, X-odos xo|stream
Vor-/Endstufenkombi: AVM Streaming DAC SD6.8, MA8.3 Monoblöcke
Vollverstärker: Aavik I-580
Lautsprecher: Wilson Audio Sasha DAW, Voxativ 9.87
Rack: Solidsteel, Creaktiv, Finite Elemente
Kabel: AudioQuest, in-akustik, Furutech