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Piega Master Line Source 3 im Raum

Piega Master Line Source 3 im Test

Piega Master Line Source 3 – Schiere Perfektion in kompakter Form

Das ist sie. Die Piega Master Line Source 3. Die Lösung. Der ultimative Trick. Das Dimensionstor zum Ausfalten. Das High-End-Präzisionswerkzeug für beengte Platzverhältnisse. Kurz: ein Top-Schallwandler für alle jene, die kein Stadion als Hörraum besitzen.

Fotografie: Ingo Schulz

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Piega Master Line Source 3 Standlautsprecher von vorne und hinten

In jenen Multiple-Choice-Fragebögen, mit denen ich schon seit einigen Jahren online bombardiert werde, gibt es oft einen Auswahlbutton mit der Aufschrift „Ich mag die Marke“. Schade nur, dass hier nach Rasierschaum gefragt wird oder nach Schokolade, aber nie nach Lautsprechern zum Preis eines gut ausgestatteten PKW der unteren Mittelklasse. Bei Piega hätte ich keine Probleme, besagten Button aus purer Überzeugung anzuklicken, denn die Ausnahmeschallwandler aus der Schweiz haben mich in der Zeit, in der ich mich intensiv mit Unterhaltungselektronik des oberen Segments beschäftige, noch nie enttäuscht. Vor allem die kleineren Modelle waren für mich stets Dimensionstore in andere Welten, die gern auch einmal die Gesetze der Physik im Allgemeinen und die der Akustik im Besonderen zu verbiegen schienen. Unvergessen etwa der grandiose Eindruck, den die „kleine“ Piega Coax 711 bei mir und dem Rest des FIDELITY-Teams hinterließ. Eine Traumbox für rund 16 000 Euro das Paar, die auch im normalen Mietwohnungsalltag nicht deplatziert wirkte, wenn man sie erst einmal platziert hatte – für einen nicht zu den Bodybuildern zählenden Journalisten ein Problem, dass den massiven, praktisch schwingungsfreien Aluminiumgehäusen geschuldet ist.

Mit den großen Piegas fremdelte ich gleichwohl ein wenig. Zwar löste das Flaggschiff, die Piega Master Line Source, spontane Begeisterung aus, weil man sie auch mit den fiesesten Hörtest-Scheiben keines Fehlers, keiner Schwäche, keiner Nachlässigkeit überführen konnte. Im Kopf hatte ich dennoch ein dickes Aber, denn schon aufgrund ihrer Abmessungen ist die MLS1 kein Schallwandler für jedermann. Braucht sie doch neben einem gut gefüllten Bankkonto auch einen properen Hörraum, in dem sie ihre abgrundtiefe Bassgewalt, ihren charmanten Höhenglanz, ihre überaus homogene Stimmwiedergabe zur Gänze ausspielen kann.

Piega Master Line Source 3 Magnetostatic Line Source Driver Frame

Mein stummes Gebet, es wurde in Horgen im Kanton Zürich, da, wo die silbern glänzenden Piegas überwiegend in Handarbeit entstehen, wohl gehört. Wahrscheinlich, weil ich nicht der einzige Musikfreund bin, der die klangliche Macht der MLS-Serie bis dato partout nicht in sein heimisches Wohnzimmer holen konnte. Die ultimative Lösung heißt Master Line Source 3 und ist nicht weniger als die Quadratur des Kreises: feinste Bändchen- und Dipol-Technologie in einem Gehäuse, das gerade einmal 23 Zentimeter breit, 165 Zentimeter hoch und 33 Zentimeter tief ist. Ein überaus schlankes, aufs erste Hinsehen handliches Standboxen-Teil, das pro Stück allerdings nicht ganz so freundliche 65 Kilo wiegt. Was ein unübersehbarer und für Couchkartoffeln wie mich nur schwer tragbarer Beleg dafür ist, dass hier eine aufwendige Metallkonstruktion zum Einsatz kommt. Stolz ist man bei Piega darauf, dass sich die Gehäuse der Premium-Lautsprecher des Hauses dank einer ebenso komplexen wie wirkungsvollen Innenverstrebung gleichsam „stimmen“ und so in Grenzen an verschiedene Raummoden anpassen lassen.

Dazu brauchen Schall wiedergebende Präzisionswerkzeuge wie die MLS3 keinen Digitalen Signal-Prozessor (DSP) und auch sonst keine Spielereien im Signalweg. Der akribischen Berechnung von Abstrahlverhalten, Weichenbauteilen und Gehäuseparametern folgen bei Piega grundsätzlich ausgedehnte Hörtests. Im Grunde die Garantie für den Kunden, von unangenehmen Überraschungen verschont zu bleiben. Wer eine Piega – ganz gleich, welche – kauft, ist ebenso auf der sicheren Seite wie mit einer vollmechanischen Schweizer Uhr an seinem Handgelenk.

Nur dass diese nicht so gut klingt, ihr leises Ticken auf die Dauer etwas monoton werden könnte und der Innovationsdruck hinter der Konstruktion auch nicht ganz so lastend wie bei einem Piega-Lautsprecher sein dürfte. Denn die Konkurrenz schläft nicht und hat in den letzten zweieinhalb bis drei Jahren eine Menge Top-Lautsprecherklang in die „kleineren Klassen“ weitergegeben.

Mit rund 32 000 Euro Paarpreis ist die Piega MLS3 gewiss keine Billigbox, aber für jene, die ihre Talente zu schätzen wissen, könnte sie eine Wertanlage mit deutlichem Mehrwert darstellen. In dem kompakten Metallkonstrukt verbirgt sich eine Klangriesin, die ihren beiden „großen Schwestern“ MLS1 und MLS2 dicht auf den Fersen ist. Die „Line Source Driver“, die dem Lautsprecher seinen Namen geben, sind jene auch optisch bei abgenommener Schallwand dominanten Bändchen-Mittelhochtöner, vier pro Kanal, die der Piega ihre immense Detailfülle und die auffällige Feinheit zu höheren Frequenzen hin verleihen. Nach unten hin schließen sich akustisch völlig bruchlos (was eine Piega-Spezialität ist und einen der größten Habenposten der Schweizer darstellt) zwei 18-Zentimeter-Tieftöner an, die durch zwei nach hinten gerichtete, gleich große Passivmembranen unterstützt werden. Was bei der MLS3 für ein überaus stabiles Bassfundament sorgt, das stets so aufgeräumt und sauber wirkt wie Zürichs Bankenviertel.

Wer nun nach Zickigkeiten, Nickeligkeiten, Diven-Allüren sucht – immerhin ist die MLS3 de facto ein Dipolstrahler und könnte daher in manchen Aufstellungsvarianten zur Nervensäge werden – sucht vergebens. Nicht einmal in Sachen Verstärker-Elektronik stellt das kleinste Modell der „Master“-Reihe besondere Ansprüche. Bei einem Wirkungsgrad von 92 Dezibel bei einem Watt Eingangsleistung kommt sie nicht nur mit Transistor-Geräten zurecht, sondern auch mit Röhrenschaltungen, selbst wenn diese etwas schmalbrüstiger ausfallen. Selbst mit den nur acht Watt pro Kanal, die mein Audio Note iZero an den vier Ohm Nennimpedanz der Piega MLS3 zu liefern in der Lage ist, konnte ich wunderbar Krach machen und mich beispielsweise an staubtrockenen, ansatzlos in den Hörraum geprügelten Bassdrum-Impulsen erfreuen, wie sie sich etwa auf dem Album Survivor Blues des von schwerer Krankheit genesenen US-amerikanischen Bluesrock-Gitarristen Walter Trout finden.

Ja, die MLS3 kann richtig rocken, kann dafür sorgen, dass die Luzie so abgeht, wie man es von einer noblen Schweizerin nie erwartet hätte. Ihr Feinsinn hat in solchen Momenten Pause, es wird Musik für Bauch und Beine gemacht, bei der selbst Studioaufnahmen, wenn sie nicht völlig zu Tode mikrofoniert wurden, einen Hauch von Live-Energie transportieren.

Piega Master Line Source 3 im Raum

Zur ganz großen, berührenden und bewegenden Form läuft die Piega MLS3 allerdings mit deutlich filigranerem Hörstoff auf. Zum Beispiel mit dem Album Coming Home der schwedischen Sängerin und Songschreiberin Charlotte Eriksson. Die auf Charlotte Erikssons eigenem Plattenlabel Broken Glass Records in kleiner Auflage erschienene LP ist ein klangliches Juwel, das sich ganz auf den sehr individuellen, eigentlich immer ganz leicht angerauten Pop-Sopran der zerbrechlich wirkenden Künstlerin konzentriert. Mein Clearaudio DaVinci holt bei der mit 45 Umdrehungen sehr sorgsam in schneeweißes, nahezu knisterfreies Vinyl gepressten Produktion erfahrungsgemäß auch die winzigsten Details aus der Rille. Und die Piega Master Line Source serviert sie mir wie auf einem Silbertablett mit Spitzendeckchen. Charlottes auf leisen Sohlen daherkommende Ironie und ihre tiefe Emotionalität kommen ungefiltert beim Hörer an.

Ein vergleichsweise neues Projekt sind die MF Robots von Ian Kincaid, Ex-Drummer der Brand New Heavies, das er zusammen mit der ebenfalls früher bei den Heavies beschäftigten Sängerin Dawn Joseph realisiert hat. Klangtüftler trifft auf Soulkatze, gemeinsam rühren sie einen kochend heißen Eintopf aus Jazz und Blues, Hip-Hop, Pop und Fusionrock an, der ebenso intelligent wie tanzbar über die Rampe kommt. Musik für Kopf-Hörer, die sich gerne ein wenig bewegen. Das aktuelle Album Music for Robots gibt sich in der Vinyl-Version erfreulich unkomprimiert und verrät ganz viel vom perfekten Timing der Piega MLS3, für die Laufzeitunterschiede in der Chassisphalanx ganz offensichtlich ein Fremdwort sind.

Bildergalerie Piega Master Line Source 3

Abrupter Genrewechsel, wie ich ihn manchmal für die Seelenhygiene brauche: Auf den Plattenteller des Dr. Feickert Volare wandert Gustav Mahlers Sechste Sinfonie in der querständigen und bisweilen schon ziemlich irritierenden Sichtweise des russisch-griechischen Dirigenten Teodor Currentzis und seines Orchesters MusicAeterna. Das Clearaudio Jubilee (siehe zu dieser Kombination auch FIDELITY Nr. 43) darf sich durch orchestrale Klangmassen arbeiten, die sich in den Tutti manchmal wie Gebirgsmassive auftürmen – mit fiesen, weil stechenden Bläsern, wuchtigem Schlagwerk-Einsatz und schier entfesselt agierenden Streichern. Wenige mit bekannte Lautsprecher bewältigen die Reise durch Mahlers zerrissene, surreal gefärbte Seelenlandschaften, ohne tonale Blessuren davonzutragen oder Dynamik-Defizite zugeben zu müssen. Die MLS3 analysiert die musikalische Textur selbst in hektisch dichten Passagen mit maximaler Lässigkeit und scheint mich die ganze Zeit zu fragen, ob ich nicht noch eine Schippe drauflegen will. Das tue ich, meiner Ohren halber aber nur bis zur gefühlten Originallautstärke. Und freue mich an den ebenso weiten wie tief gestaffelten Räumen, die mir die Piega in meinen Hörraum projiziert, als könne sie die Steinwände einfach auflösen. Dazu kommt ganz viel Klangfarbenpracht in lyrischen Adagio-Passagen. Dass die MLS3 einzelne Schallereignisse so scharf umrissen vor mir aufbaut, als seien diese von Tim und Struppi-Schöpfer Hergé mit kräftigem Druck per Zeichenstift geschaffen worden, gehört zur chamäleonartigen Wandlungsfähigkeit, die eigentlich allen mir bekannten Piega-Schöpfungen gemein ist. Dass so viel Wohlklang nun auch in normal großen Zimmern kein Traum mehr bleiben muss, ist ein Geschenk, ganz ohne Frage.

Piega Master Line Source 3 Standlautsprecher Detail akustische Linse

Wir meinen

Fantastisch fein aufgelöst klingende, erfreulich aufstellungs- und verstärkerunkritische Kompakt-Standbox mit Partytalenten, die hörbar die Gene der größeren Modelle mitbekommen hat.

 

Piega Master Line Source (MLS) 3

Funktionsprinzip: 3-Wege-Standlautsprecher, Dipol-Charakteristik mit akustischer Linse
Empfohlene Verstärkerleistung: 20–500 W pro Kanal
Wirkungsgrad: 92 dB/W/m
Impedanz: 4 Ω
Frequenzgang: 28 Hz–50 kHz
Anschluss: Bi-Wiring mit „Piega Multi Connectors“ (Mehrwege-Anschlussklemmen)
Bestückung: 4 x Line Source Driver 111, 2 x 18-cm-UHQD-Bässe; 2 x 18-cm-UHQD-Passivmembranen
Ausführung: Schwarz, Silber, Weiß oder Zebrano, jeweils mit farblich angepasster Schallwand
Besonderheiten: Handfertigung in der Schweiz
Maße (B/H/T): 165/23/33 cm
Gewicht: 65 kg
Paarpreis: 31 900 €

 

www.piega.ch

www.in-akustik.de

 

Mitspieler

CD-Player: Audio Note Zero, Mark Levinson No. 390s
SACD-Player: Marantz SA14 V1, Sony SCD 333 ES, Pioneer D6
Plattenspieler: Clearaudio Innovation Compact, SoReal Audio Seismograph, Dr. Feickert Volare
Tonabnehmer: Clearaudio Da Vinci und Jubilee MC, Denon DL-103R
Vollverstärker: Audio Note iZero, Marantz HD-AMP1
Vorverstärker: Mark Levinson No. 38S, Trigon Snowwhite, Marantz SC-22
Endverstärker: Mark Levinson No. 27, Marantz MA-22, John Curl JC3, Trigon Dwarf II
Phonoverstärker: Musical Fidelity M-VNYL, Clearaudio Basic
Lautsprecher: KEF R900, Infinity Kappa 7.2 Series II, MuSiCa NoVa PlethorA

 

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