Phonokabel Kabelfamilie – Dem gedachten Ideal so nah
Mein erster Kontakt mit den Strippen von Phonokabel beginnt mit einem Stapel grauer Kisten, die sich in meinem Wohnzimmer auftürmen und nichts von ihrem exklusiven Inhalt erahnen lassen.
In den betont schlichten Schachteln verbirgt sich eine NF-Kabelfamilie, die andere Hersteller in feine Ebenholz-Schatullen verpacken würden, um den hohen Klanganspruch auch nach außen weithin sichtbar zu signalisieren. Von solcherlei Bling-Bling hält Phonokabel-Vordenker Hans Jörg Schulz gar nichts. Und er ist damit in bester Gesellschaft.
Mit dem Thema „Kabel“ setzte ich mich im High-End-Kontext auseinander, als ich noch nicht einmal im Traum daran dachte, jemals selbst publizistisch in diesem Bereich tätig zu werden. Irgendwann nach dem Studienabschluss musste es – Stichwort: verwirklichte Jugendträume – ein betagter Accuphase E 205 sein. Heute würde ich den Verstärker-Oldtimer einer versierten Werkstatt meines Vertrauens zur Überholung der Endstufen-Elkos auf die Werkbank stellen. Als junger Erwachsener litt ich still unter dem in den Höhen arg schrillen Klang des nicht mehr taufrischen Boliden, verdächtigte eine Weile zu Unrecht meinen deutlich neueren Marantz-SACD-Player – und rückte dem Phänomen mit gezieltem Einsatz von hochwertigen Geräteverbindungskabeln zu Leibe. Der Accuphase musste trotzdem irgendwann gehen, aber ich hatte gelernt, dass Kabel durchaus den Klang einer Anlage verändern und im besten Falle befördern können.
Seit damals habe ich es auch aufgegeben, mit Menschen zu diskutieren, die den klanglichen Charakter von Kabeln bestreiten und ihre durchaus teuren Komponenten mit Beipack-Klingeldraht verseilen, weil es ja „sowieso keinen Unterschied macht“. Zugegeben, die Klangschattierungen sind oft subtil. Wenn Quellen, Verstärker und Schallwandler nicht zu den ganz unterirdischen Vertretern ihrer jeweiligen Gattung gehören, dann sind Kabel-Experimente meist etwas, bei dem es um Nuancen geht, nicht um Riesenunterschiede.
Dachte ich zumindest. Bis ich vor ein paar Jahren eine in einem einfachen Pappkarton gelieferte XLR-Strippe aus den USA bekam, die das Auflösungsvermögen meiner Anlage immens steigerte, klangliche Einzelheiten in einer bis dato nicht gekannten Abbildungsschärfe präsentierte und in mehrfacher Hinsicht weit über ihrem Verkaufspreis „spielte“. Fast ein Erweckungserlebnis, an dessen Wiederholbarkeit ich dennoch nicht glaubte – bis ich den Inhalt besagter Pizzakartons in gleich zwei Ketten meines Gerätebestandes stöpselte. An dieser Stelle könnte ich es kurz machen: Die Phonokabel des Entwicklers Hans Jörg Schulz gehören zum Besten, was man diesseits der 10 000-Euro-Schwelle kaufen kann. Punkt. Aber das wäre nicht angemessen, denn analog zu ihren Talenten muss man bei dieser Kabelfamilie intensiv in die Tiefe, in die Breite und ins Detail gehen.
Hans Jörg Schulz ist kein Dogmatiker. Deshalb lässt er auch seinen Kunden die freie Auswahl. Zum Beispiel bei den Cinchkabeln: Haben sie eine weiße Glasfaserhülle, ist dies Indikator dafür, dass die Schirmung nicht mit signalführenden Teilen verbunden ist, schwarze (Kunststoff-) beziehungsweise braune (Basalt-)Hülle stehen dagegen für einen einseitig angeschlossenen Schirm. Die Klangunterschiede sind, wie schon gesagt, eher fein, aber deutlich hörbar. Hier ein wenig mehr Hochtonglanz und Feinziselierung, dort eine leicht gesteigerte Homogenität und beide Male Geschmackssache: Anschließen, ausprobieren und am Ende für eine Variante entscheiden.
Der eigentliche Zauber der Phonokabel ist die konsequente Abwesenheit des Aha-Effekts, denn diese Kabelkonstruktionen, die es in verschiedenen Konfektionierungen gibt und die ab Werk sogar die Wahl zwischen ViaBlue- und Furutech-Steckern lassen, sind nicht einmal im Ansatz „gesoundet“. Keine spektakulär überbetonten Frequenzbereiche; nichts, was auf Anhieb mitreißt und auf lange Sicht gesehen nervt. So geradlinig und schlicht wie die Schachteln scheint zunächst auch ihr Inhalt zu sein. Nach kurzer Zeit hat man einfach vergessen, dass hier ein neuer Satz Kabel werkelt, denn das Ohr gewöhnt sich rasch an die hohe Auflösung, die stimmige Geschlossenheit, den akribisch abgebildeten virtuellen Raum und dessen erstaunlich weite Grenzen. Das ist in Tiefe wie Breite deutlich mehr als zuvor. Zu spüren bekommt der Rezensent den unbestreitbaren Zugewinn aber erst so richtig, als der Redaktionsschluss naht, die Phonokabel ins FIDELITY-Fotostudio müssen und deshalb wieder mit Bestandskabeln ersetzt werden.
Plötzlich sind die Spitzentöne der jungen Neuseeländerin Hailey Westenra auf Odyssey (Decca) wieder deutlich härter und eine Spur nerviger, das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Mariss Jansons spielt nicht mehr im Studio 1 am Rundfunkplatz, sondern muss sich in einem deutlich engeren Raum drängen, und auch die Hamburger Elbphilharmonie wirkt kleiner und farbloser als erinnert. Frisch auf meinem Rezensentenschreibtisch eingetroffen sind zwei spannende Barock-Produktionen, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten: Auf Cancionero de la Sablonata (note music Heidelberg 2020) widmet sich das Historisten-Ensemble La Colombina der Musik im Spanien König Philips IV. – Miniaturen zwischen Renaissance und Frühbarock, von der Sopranistin Maria Cristina Kiehr, dem Altus Claudio Cavina, dem Tenor Josep Bernet und dem Bassbariton Josep Cabré in einer französischen Abtei mit ganz viel Sinn für die ach so wichtigen Wahrheiten zwischen den Notenzeilen eingesungen. Mit den Phonokabeln gelingt der Brückenschlag über die Jahrhunderte mit lässiger Mühelosigkeit, legt sich ein zwingender Bann über den Zuhörer, ist der Faszinationsfaktor riesig.
Auf seiner bei Thomas Hammers „primton“-Label erschienenen CD concerto zampogna beweist der Originalklang-Spezialist Christian Walter, dass er sich auf historische Grooves bestens versteht und lässt es mit seiner barocken Drehleier in bester Spielmanns-Manier krachen. Dank der Phonokabel, mit denen ich zwischenzeitlich die Mark-Levinson-Kette durchverkabelt habe, dominiert bei Walters virtuosen Ausflügen ins 18. Jahrhundert die Lebendigkeit. Die Akustik der Berliner Hofmeisterkirche umschmeichelt die Musiker und gibt genau jenes Maß an Hall mit, das aus einer guten eine außergewöhnliche Aufnahme macht. Die Phonokabel geben das ungefiltert weiter.
Wir meinen
Die Phonokabel von Hans Jörg Schulz werten so gut wie jede Kette auf. Der Klanggewinn ist unmittelbar nachvollziehbar, die Kabel sind unbedingt neutral.
Info
Kabelfamilie | Phonokabel Hans Jörg Schulz
Ausführung: Geräteverbinder und Lautsprecherkabel in verschiedenen Konfektionierungen symmetrisch und unsymmetrisch, verschiedene Steckertypen im Angebot, auch spezielles Phonokabel mit SME-Stecker und XLR-Anschluss erhältlich
Preise: Phonokabel (1,25 m; SME): 1559 €; Interconnect (1 m): 1460 € (Cinch), 1560 € (XLR); LS-Kabel (2 x 3 m): 1949 € (ungeschirmt), 2096 € (geschirmt); alle Preise beziehen sich auf 16% MwSt.
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