Moon Balloon – Philipp van Endert und das Filmorchester Babelsberg
Urbane Klanggemälde von Philipp van Endert & Orchestra
Die Stromgitarre lässt ein sanftes, mitsummbares Balladen-Thema in die Leere perlen. Die ohrschmeichelnden Klänge werden von fragil geknüpften Streicherteppichen aufgefangen, fortgeführt, zu etwas Neuem transformiert. Nur wenig später ist es mit der Idylle vorbei, ein einsames Flügelhorn erzählt vor nervösen Stakkati eine hinterfragte Geschichte mitten aus dem Leben, voller Emotion, voller Dramatik, voller Bewegung.
Philipp van Endert hat sich einen Traum erfüllt. Der Jazzgitarrist ging mit dem Filmorchester Babelsberg im Mai 2021 ins Studio, um seine melodiösen Kompositionen in neuem Gewand einzuspielen. Von seinem Freund Peter Hinderthür hat van Endert sich für die ungewöhnliche Kooperation Arrangements schneidern lassen, deren Jazz-Ursprünge erst aufs zweite oder dritte Hinhören offenbar werden. Eher ist dies – was die Wahl des Begleitensembles auch nahelegt – urban geprägte Filmmusik für nie gedrehte Kino-Preziosen.
Eine Nummer wie „Fu“, in der Christian Kappe und sein Flügelhorn die zentrale Rolle spielen, würde auch als Soundtrack zu einem Agententhriller oder einen Krimi aus der Schwarzen Serie eine gute Figur machen. Der Titeltrack „Moon Ballon“ würde zu einem ruhig erzählten Roadmovie über Menschen passen, die eine bittersüße Romanze erleben. Und denen Philipp van Endert ein beinahe kitschfreies Happy End gönnt. Den „Sundowner“ gießen sich van Endert und seine Mitstreiter – außer Kappe ist auch der langjährige Band-Sidekick André Nendza am Bass dabei – in einer mondänen New Yorker Bar hinter die Binde. Am Dirigentenpult sorgt Jörg Achim Keller für einen überraschend entspannten Groove, wie ihn vielleicht nur ein auf Filmmusik geeichter Klangkörper zuwege bringt. Da werden von den Streichern auch komplex synkopierte Passagen hörbar mühelos aus dem Handgelenk geschüttelt.
Den zentralen Nostalgie-Kick liefert freilich Philipp van Endert mit seinen röhrenverstärkten E-Gitarren, die unwiderstehlich nach dem Jazz der Nachkriegszeit klingen, voll, satt und farbig. Und dabei so „laid back“, dass diese Scheibe in kalten Winternächten fast ebenso gut wie ein Kaminfeuer wärmt. Florian van Volxem hat diese schwelgerische Herzensangelegenheit unspektakulär und dennoch audiophil in die Plattenrillen beziehungsweise die Karbon-Pits gebannt. Wer eine Mehrkanal-Anlage sein eigen nennt, kann bei JazzSick Records auch eine Dolby-Atmos-Version herunterladen, dann wird die auch so phänomenale Räumlichkeit noch besser und vor allem bewegender in den heimischen Hörraum geholt.
Nur ein Wermutstropfen trübt die Freude: dass dieses überaus feine Album nur etwas über 37 Minuten Laufzeit hat. In dieser Musik kann man getrost über Stunden baden – Wellness für Ohren und Seele garantiert.
Moon Balloon von Philipp van Endert und dem Filmorchester Babelsberg auf jpc gibt es hier.