Classidelity: Peter Tschaikowsky – Sinfonie Nr. 6, Romeo und Julia
Schwedisches Kammerorchester, Thomas Dausgaard
Etwas mehr als eine Woche nach der Uraufführung seiner 6. und letzten Sinfonie starb Peter Iljitsch Tschaikowsky auf mysteriöse Art und Weise. War er der in St. Petersburg wütenden Choleraepidemie zum Opfer gefallen oder war es Selbstmord? Beide Thesen sind nicht vollständig sicher zu belegen. Fest steht aber, dass Tschaikowsky mit seinem letzten Werk Neuland betrat, brach er hier doch mit der traditionellen Dramaturgie der Sinfonie. Die von ihm selbst Pathétique genannte Sinfonie wird nicht von einem strahlenden Finalsatz in Dur beschlossen, sondern von einem langsamen Satz, der an ein Requiem denken lässt. Hier hat die Hoffnung keinen musikalischen Raum mehr.
Das Schwedische Kammerorchester unter Thomas Dausgaard spielte die Pathétique in einer reduzierten, kammermusikalischen Besetzung ein. Ist man Tschaikowsky in großem orchestralem Gewand gewöhnt, wird der Unterschied deutlich, denn die großen Streicherteppiche, die sich bei manchen Interpretationen wie zäher Honig um die Ohren legen, gibt es hier nicht. Dies hat zunächst Vorteile: Durch die kleinere Zahl an Streichern wird der Satz klarer und transparenter, auch sind die Holzbläser im Orchester nun viel deutlicherwahrzunehmen. Sehr präzise und schnelle Tempi werden möglich, was beispielsweise in der Durchführung des ersten Satzes gut hörbar ist. Die tiefen Streicher kommen konturierter als gewohnt zum Vorschein, gerade Pizzicati gewinnen deutlich an Substanz. Für den Zuhörer wirkt es, als sei der übliche Streichervorhang zur Hälfte weggeklappt, sodass nun Holz und Blech mit viel weniger Widerstand nach vorne dringen können.
Ein Nachteil ist aber zweifellos auch, dass die Lautstärke von Streicherpassagen nun begrenzt ist und die Bläser sich zurückhalten müssen. In manchen Teilen sind die Streicher fast ausgeblendet, während das Blech bei choralartigen Abschnitten müde wirkt, wenn auf die Gesamtbalance geachtet werden muss. Trotz schöner lyrischer Momente – besonders in den Holzbläsern – fehlt es ein wenig an der sinfonischen Kraft, die Tschaikowsky eigentlich verlangt. Sehr gut gelungen ist dagegen wieder der letzte Satz, der nicht von der ersten Note an ins Statisch-Depressive verfällt, sondern emotional und zupackend musiziert wird. Nach dem fast mystisch-sakralen Tam-Tam-Schlag kommt der Ausklang aber zu abrupt. In der hier vorliegenden Kombination mit der Fantasie-Ouvertüre Romeo und Julia dennoch eine empfehlenswerte Einspielung.