Oktopoden sind nachtaktiv …
… und wie unser Test offenbarte, trifft das auch auf das neue Plattenauflagegewicht „Octopus“ von bFly-audio zu.
Als debütierender Autor von FIDELITY sollte ich meinen ersten Artikel dem neuesten Produkt von bFly-audio widmen – einem Plattengewicht namens „Octopus“. Wenige Tage nach Vereinbarung des Tests erhielt ich ein kompaktes, aber beachtlich schweres Musterpaket des Herstellers. Inhalt waren gleich drei Exemplare des Kraken, die alle erhältlichen Varianten des Gewichts repräsentierten. Optisch und haptisch, so mein erster Eindruck, wirkten die noblen Briefbeschwerer ziemlich vielversprechend.
Auf meinem Plattenspieler durften schon viele Gewichte und Klemmen ihr Talent beweisen, aufgrund des umständlichen Handlings oder anderer Unzulänglichkeiten war den meisten aber nur eine kurze Karriere beschieden. Wie es der Zufall wollte, blieb allein bFly-audios PG1+ MK2 als Dauergast auf meinem Acoustic-Signature-Barzetti-Laufwerk. Die silbrig glänzende Scheibe macht nicht nur haptisch vieles besser. Im Gegensatz zu den meisten anderen Plattengewichten übt sie nicht nur Druck aus, sondern reduziert mit ihren Absorbern auch unerwünschte Mikrovibrationen. Ein Unterschied, den man hören kann. Bisher war ich damit äußerst zufrieden und musste deshalb auch nichts hinterfragen. Was meine Neugier darauf, was der Octopus anders oder sogar besser machen könnte, nur steigerte.
Hohe Kompatibilität
Im Telefonat erläuterte mir Reinhold Schäffer, Entwickler und Eigentümer von bfly-audio, dass sein Entwicklungsziel nicht nur eine Optimierung des PG1-Modells war. Es ging ihm auch darum, die Kompatibilität zu unterschiedlichsten Typen von Plattenspielern zu vergrößern. Außerdem sollte sein Octopus eine verbesserte Klangsignatur mitbringen. Während das Klangbild mit dem PG1 etwas geschmeidiger wirkt, sollte der Octopus eine strukturierte, straffere Gangart fördern.
Aber zunächst zur Kompatibilität: Der Octopus ist modular aufgebaut. Die Basis bildet eine Aluminiumscheibe, in die acht aus Buchenhalbkugeln und Gelpads aufgebaute Absorber eingelassen sind. Neben deren kreisrunden Vertiefungen sitzen acht weitere, durchgehende Fräsungen. Sie verringern das Gewicht der massiven Scheibe und brechen Resonanzen auf. Zwei unterschiedliche Dornaufnahmen aus einem speziellen Kunststoff sowie zwei alternative Gewichte ermöglichen verschiedene Einsatzmöglichkeiten. Mit wenigen Handgriffen lässt sich der Octopus vom reinen Auflagegewicht zur Klemme umbauen, die Schallplatten fester an den Teller presst und etwaige Wellen (zumindest größtenteils) ausgleicht. Die Absorber vermeiden dabei, dass es zu unerwünschtem Flattern kommt. Mit immerhin 20 Bauteilen ist der Oktopode für ein Produkt seiner Art vergleichsweise aufwendig geraten. Und nach Auskunft des Herstellers soll bald eine weitere Version mit noch höherem Gewicht folgen.
Ersteindruck: er wirkt!
Um mich mit dem Handling vertraut zu machen und einen ersten Eindruck zu gewinnen, hörte ich mich zuerst eher beiläufig quer durch meine Plattensammlung. Obwohl noch nicht mit höchster Konzentration bei der Sache, bemerkte ich sofort eine Veränderung, die vielleicht am besten mit einer tonalen und räumlichen Entschlackung zu beschreiben wäre. Den Anfang machte Frenchy von Thomas Dutronc – Interpretationen bekannter Chansons, begleitet von kompetenten Jazzern und gesanglich unterstützt von illustren Stars. „C’est si bon“ beginnt mit dezent swingendem Kontrabass und spärlichem Schlagzeug, dann setzen peu à peu die markanten Stimmen von Iggy Pop, Thomas Dutronc und Diana Krall ein.
Im ersten Moment schienen die Stimmen im Vergleich zu meiner PG1+ MK2 an Volumen zu verlieren. Tatsächlich jedoch klangen sie weniger aufgebläht, klarer und verständlicher. Sibilanten wurden sauberer wiedergegeben, die Klangbühne zog sich auf realistischere Dimensionen zusammen und die räumliche Staffelung der Instrumente und Stimmen wurde leichter nachvollziehbar.
Gewicht macht musikalisch
Luigi Boccherinis Fuge in C-Dur, gespielt von Cellist Jörg Baumann und Kontrabassist Klaus Stoll, offenbart einen weiteren, völlig ungeahnten Effekt: Ich ertappte mich bei einem rhythmischen Kopfnicken. Kann Kammermusik aus dem 18. Jahrhundert funky sein? Die hierdurch gewonnene Erkenntnis über den Einfluss auf die Wiedergabe der rhythmischen Strukturen veranlasste mich zu einem krassen Genrewechsel. Das roh und fern jeglicher audiophiler Ambitionen aufgenommene Reggae-Album Tribesman Assault von Roots Underground nahm jetzt unter dem Octopus Platz. Wie schon erwartet, groovten Schlagzeug und Bass tighter und vehementer, als ich sie je zuvor vernommen hatte. Und die Klangveränderungen durch das Gewicht waren weit stärker ausgeprägt als vermutet.
Das trieb meine Neugier zu immer neuen Tonträgern und ließ die Stunden verfliegen, ehe mir ein Blick auf die Uhr, es war mittlerweile halb drei, bestätigte, dass auch diese Art von Oktopoden nachtaktiv ist – oder macht.
Form follows function
Eine nicht zu unterschätzende Eigenschaft des Plattengewichts beziehungsweise der Klemme ist die einfache und sichere Handhabung. Dies gilt besonders für den Einsatz mit dem kugelförmigen Gewicht. Da ich zu den notorischen „On the fly“-Auflegern gehöre, ist das für mich ein extrem wichtiger Aspekt. Die mitgelieferte Filzunterlage, mit der der Octopus sicher auf empfindlichen Oberflächen abgelegt werden kann, zeugt von einer auch im Detail durchdachten Gebrauchstauglichkeit. Obwohl seine Form an einen Octopus vulgaris erinnert, zeigt der Umgang mit dem Plattengewicht, dass der Leitsatz des Architekten Louis Sullivan „Form follows function“ hier passend Verwendung findet.
Wir meinen …
Die von Herrn Schäffer angestrebten Entwicklungsziele sind meines Erachtens nachvollziehbar umgesetzt. Die Steigerung der Wiedergabequalität (im Maßstab des durch ein Plattengewicht Möglichen), das Handling und die makellose Verarbeitung machen den flexiblen und vielseitigen bFly-audio Octopus wirklich empfehlenswert!
Technische Daten
bFly-audio Octopus
Konzept: modulares Plattenauflagegewicht/Plattenklemme
Ausführungen: 2 unterschiedlich schwere Modelle mit jeweils Knauf (Auflagegewicht) und Kugelgriff (Klemme); „Variabel“-Version mit austauschbaren Dornaufnahmen, auch als „Duet“ erhältlich, was einer Kombination der Grundversionen entspricht
Durchmesser: 78 mm
Höhe: 37 mm (Zylinderknauf), 58 mm (Kugelknauf)
Gewicht: 230 g (Zylinderknauf), 300 g (Kugelknauf)
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: je nach Ausführung und Material von 450 € (Light) bis 1050 € (Duet Heavy)
Kontakt
bFly-audio
Theodor-Sachs-Straße 60
86199 Augsburg
+49 821 9987797
info@bfly-audio.de
Mitspieler
Plattenspieler/Laufwerk: Acoustic Signature Barzetti
Tonarm: Rega 808
Tonabnehmer: Rega Excalibur Platinum
Phonovorverstärker: Electrocompaniet ECP 2 Mk II
Verstärker: Electrocompaniet EC 4.8, Electrocompaniet EC AW250R
Lautsprecher: KEF Reference 1
Zubehör: Isotek Aquarius, Isotek Syncro, Isotek Optimum, AudioQuest PowerQuest 3, AudioQuest NRG Z3, AudioQuest Yukon, Kimber 8TC 2x Bi-Wire, WBT, bFly-audio PG1+ MK2, Sonic Voice Leatherwood Plattentellerauflage, Nessie Vinylmaster, Flux Nadelreiniger