Norddeutsche HiFi-Tage 2018 im Hotel Holiday Inn Hamburg – immer noch Hörtest!
Auf den Norddeutschen HiFi-Tagen 2018 konnten Sie fragen, wen Sie wollten: Sowohl die Besucher, als auch die Aussteller hatten ausnehmend gute Laune und fühlten sich in Hamburg gut aufgehoben. Sogar diejenigen, die in der wetterbedingt „supercoolen“ Eingangshalle ausharren mussten.
„Wie heißt denn das hier alles, bitte?“ fragte die Frau ihren Mann, als sie gemeinsam durch den Flur im Erdgeschoss schlenderten. Der Mann wusste Bescheid: „Das hier sind die Norddeutschen HiFi-Tage“. Die Frage der Frau war keineswegs unberechtigt. Denn der Veranstalter, das HiFi-Studio Bramfeld, nennt seine Norddeutschen HiFi-Tage (NDHT), die am ersten Februar-Wochendende 2018 bereits zum 13. Mal stattfanden, auch immer noch „Hörtest“. Diese doppelte Namensgebung finden wir ein wenig verwirrend, also bleibt FIDELITY bei den allseits gebräuchlichen „Norddeutschen HiFi-Tagen“, oder auch kurz: den „Norddeutschen“ oder etwas kryptisch NDHT.
Die „Norddeutschen“ hatten 2018 deutlich mehr Aussteller als im Vorjahr zu bieten und belegten daher auch deutlich mehr Räume im Hotel Holiday Inn. Die traditionell erste HiFi-Show des Jahres ist beliebt wie nie zuvor, sowohl bei den mehr als 5000 Besuchern, als auch bei den mehr als 170 Ausstellern, die ihre Pretiosen 2018 auf insgesamt acht Etagen präsentierten. Zugegeben: Selbst Messeprofis können gelegentlich schon mal die Übersicht verlieren, wer oder was denn wo zu finden ist. Vorteil hierbei: Beim Suchen stößt man zuverlässig auf bisher Unbekanntes. Auch schön.
Klassisches Hamburger Schietwedder sorgte vor dem Eingang des Holiday Inn für eine wirklich steife Brise, die mit erstaunlicher Präsenz auch in der Hotellobby und den unmittelbar angrenzenden Ständen zu spüren war. Kein Zuckerschlecken für HMS und Sieveking Sound und noch ein paar andere Aussteller, die ihre Produkte in einem zwangsweise sehr coolen Umfeld präsentierten. Auch Mika Dauphin, der seit Kurzem mit Ivonne Borchert-Lima die Geschäftsführung vom HiFi-Studio Bramfeld innehat und im Eingangsbereich die Messebesucher begrüßte, streifte sich kurz nach Öffnung eine dicke Jacke übers Business-Hemd.
Wir hingegen wärmten uns schon nach kurzem Hinschauen an den brandneuen Suprema-Verbindern von HMS und freuen uns schon auf den Bericht des Kollegen Volke, der in einer kommenden FIDELITY-Ausgabe darüber berichten wird. Zugleich cool und leuchtend ging es bei AVM zu. Gleich zwei Plattenspieler vervollständigen ab sofort das Portfolio der High-End-Spezialisten: Evolution R5.3 und R30 ziehen mit illuminierten Plattentellern die Blicke auf sich, die Preisschilder zeigen knapp 3000 bzw. 5000 Euro. Für mächtig „Badaboom“ und starke Klangpräsenz sorgte allerdings ein Pärchen neuer AVM-Monos an großen Lansche-Schallwandlern.
Den Plattenspieler von Einstein wiederum hatten wir – obwohl „unbeleuchtet“ – schon im Herbst auf den Westdeutschen HiFi-Tagen in Bonn entdeckt, und allmählich wird es mit „The Record Player“ konkret. Einstein-Chef Volker Bohlmeier hofft, den schicken Dreher samt „kleinem“ Tonarm für unter 11000 Euro anbieten zu können, das Laufwerk allein soll für rund 8000 Euro zu haben sein. Gebaut wird The Record Player und auch der Tonarm übrigens in Japan von Ishiyama-san, der schon für Fidelity Research und Ikeda tätig war.
Wir bleiben noch ein bisschen bei Analogtechnik: WOD bezauberte mit dem supereleganten Laufwerk Bergmann Galder samt kleinem Tangentialarm Odin, darin ein feines System von Miyajima Lab. Großes analoges Klangkino auch bei Tobian, wo die hauseigene Röhrenelektronik und Hochwirkungsgrad-Lautsprecher – wieder einmal – mit einem Direkttriebler von Langer zusammentaten. Die größte Analog-Überraschung gelang allerdings einem Damen-Duo: Ulla Scheu und Daniela Manger trauten sich, den kleinsten Scheu-Plattenspieler an große Elektronik von Esoteric (Phonoentzerrer E-02, demnächst in FIDELITY, plus neuer Grandioso-Vollverstärker) anzuschließen und über Manger-Schallwandler zu spielen. Das klang federnd und musikalisch mitreißend, obwohl das Preisverhältnis von Analog-Quelle zum „Rest“ ungefähr 1:40 (!) betrug. Tolle Überraschung!
Mitreißend auch das Doppelpack aus Live Act Audio und Eternal Arts, die sich erneut einen größeren Raum im 16. Stock teilten und dort abwechselnd vorführten. Bei Live Act Audio profitierten die nochmals verfeinerten Koaxial-Modelle von den vielfältigen Akustik-Elementen aus dem Hause „Audiophile Architektur“, darunter auch in künstlerischer Ausführung von Lisa Bolz; die junge Designerin aus Hamburg (www.lisabolz.de) feierte im Holiday Inn quasi ein Heimspiel. High-End-Grandseigneur Dr. Burkhardt Schwäbe bot klassisch-geschmeidige Klangqualität vom analogen Tonband. Der Eternal-Arts-Chef bietet ab sofort ausgewählte Masterkopien der Werke von Hammond-B3-Virtuose Tommy Schneider auf analogem Tonband an – für 200 Euro pro Band ein ebenso kostspieliges wie klanglich herausragendes Vergnügen für Kenner.
Mutig: Karsten Beyer von Fine Music trat eine echte klangliche Beweisführung mit seinen HiFi-Racks an. Ein „ordentlicher“ CD-Player spielte erst auf einer ganz normalen Stellfläche (hier: das Hotel-Schreibtischbrett), dann auf dem hauseigenen Brett, dann auf einem kompletten Fine-Music-Spezialrack. Das war kein Marketing-Talk, sondern brachte deutliche Klangunterschiede zutage. Die klangliche Tendenz zeigte stets eindeutig in Richtung „gefälliger“ (sprich: weniger hart) und war sogar über die etwas merkwürdigen Lautsprechern klar und deutlich hörbar.
Block entwickelt sich allmählich zum Spezialisten für vernetzten Klang, dessen Produkte nicht nur gut klingen, sondern auch viel Gegenwert fürs Geld bieten. Den entdeckten wir auch bei Musical Fidelity, wo ein brandneuer, äußerst viel versprechender DAC aus der M6-Serie für schlanke 1500 Euro zu sehen war. Die Vinylfreunde aus der FIDELITY-Mannschaft gerieten dann völlig aus dem Häuschen, als sie den ebenfalls neuen Vista Phono unter die Lupe nehmen konnten: nicht weniger als fünf (!) individuell einstellbare Phonoeingänge plus superfeine Röhren-Ausgangsstufe für keineswegs übertriebene 4000 Euro? Schon bestellt!
Überhaupt gab es einiges zu entdecken, das diesseits der Mega-Bucks-Liga hervorragend klang, von den Bowers&Wilkins 702 S2 (im stets pickepackevollen B&W-Salon) über RussellK bis hin zu Canton, Nubert oder auch Neat Explorer, die optisch stark an verkleinerte Shahinian Arc erinnerten. Best Sound of the Show jedoch attestieren wir – insbesondere angesichts der moderaten Preise – gern den kompakten PMC-Boxen bei Klaus Hermann, die im kleinen Hotelzimmer wirklich großartigen Sound boten. Dicht auf den Fersen: ELAC mit zwei neuen Modellen namens Adante AS und AF. Und nicht nur bei ELAC, sondern bei gefühlt zwei Dutzend anderen Ausstellern sorgte ein Netzaufbereiter von AudioQuest für saubere Stromverhältnisse – das Thema boomt und wird zunehmend wichtiger. Bei hifi2die4 war natürlich ein großer Netzgenerator von PS Audio am Start, dessen Display die Funktionen und Effizienz auch optisch darstellen kann.
Was uns sonst noch auffiel: Der große neue Technics SP-10R sieht tatsächlich so wunderschön aus, wie alle Fotos vorab versprochen hatten, ebenso das SL-1000R-Paket mit passendem Tonarm, das auf den NDHT an hauseigenem Besteck zur Hochform auflief. Handfester ging es bei Ascendo zu, „eckiger“ (aber nur optisch) bei Trenner&Friedl, während Heinz-Walter Höltkemeyer mit seinem Space One die omnidirektionale Abstrahlung feierte und die Besucher ermunterte, während der Klangdemonstration an jeder Stelle des Raumes das Stereopanorama zu erleben. Und – zack – war Bewegung im Raum. Faszinierend. Und zum Glück ist das klanglich hochinteressante Breitbänder-System mit optionalem Subwoofer auch in anderen Ausführungen lieferbar als die auf den Norddeutschen HiFi-Tagen gezeigte Reminiszenz an die Siebzigerjahre …
Ausgerechnet die längst totgesagte SACD war als Quelle durchaus beliebt, gesehen zum Beispiel bei bei HEAR, wo ein Digital-Duo von Audiomat mit den neuen DeVore Fidelity Super 9 Lautsprechern musizierte. Hier oder auch bei Einstein wurde auch einiges Neues bzw. Unbekanntes an Musik gespielt, so dass die angestaubten audiophilen Gassenhauer (Eagles, Dire Straits, „Keith Don’t Go“, „Die Tänzerin“ und Diana Krall) mehr und mehr an Zugkraft verloren haben. Ein Glück!
Der Hinweis bei Sieveking Sound im Eingangsbereich, dass es „im Türrahmen schlecht“ klingt, hing in diesem Jahr als Ausdruck mit Profi-Smiley dort, wo er hingehört. Der eigentliche Grund für unseren Besuch war aber ein AudiaFlight FLS10. Der prachtvolle Vollverstärker der Italiener brachte sich zwischen Esoteric-Player (auch hier: SACD) und Verity sehr gut und elegant zu Gehör.
Klaus Bensinger, der Euphonic Architect, lockte seine Klientel wiederum durch livemäßige Beschallungspegel in seine „Druckkammer“. Dort begrüßte eine von Brigitte Karp (www.atelier-karp.de) beeindruckend dekorierte Schrankwand von USM-Haller die Zuhörerschaft. Ein vergnügliches Schallmöbel für Design-Rock-’n’-Roller und andere feingeistige Berserker.