NDHT 2024 – Musik und gute Stimmung
Mit der Bewertung von Messen und Shows ist das immer so ein Ding: Man verlässt sie mit einem guten oder eher schalen Gefühl. Woran genau diese Bewertung hängt, kann man jedoch oft nur mutmaßen. Versuchen wir uns der Antwort am Beispiel der NDHT 2024 schrittweise zu nähern …
Aspekt A: Quantität
Klar, eine Veranstaltung wie die Norddeutschen HiFi-Tage (NDHT 2024) ist immer auch eine Leistungsshow. Die Hamburger „Messe“ hat ihr eigenes Genre, die Hotel-Show, gewissermaßen definiert: Vor über zwanzig Jahren gründete Wolfgang Borchert die Messe und entwickelte sie beharrlich zum größten HiFi-Event neben der HIGH END in München. Mancher behauptet sogar, Ende Januar/Anfang Februar jeden Jahres seien mehr Endverbraucher ins Holiday Inn am Billwerder Deich gepilgert als im Mai nach München. Bestätigen oder widerlegen lässt sich das nicht. Da der Eintritt stets frei war, existieren keine belastbaren Besucherzahlen.
Auch wenn das NDHT-Schiff nach der Pandemie und mehreren unfreiwilligen Umzügen nicht mehr ganz an die alten Erfolge anknüpfen kann, darf die heutige Veranstalterin Ivonne Borchert-Lima die Krone entspannt aufbehalten. Mit saftigen 200 Marken in 52 Hotelzimmern sowie fünf großen Salons und auf drei offenen Ausstellungsflächen bieten die NDHT 2024 nach wie vor mehr als jede andere Show – ausgenommen die HIGH END, versteht sich. Und das Trendbarometer zeigt deutlich nach oben, 2024 bot die Show schon wieder merklich mehr von beidem – Ausstellern wie Besuchern.
Aspekt B: Das Who’s who der NDHT 2024
Wache Geister werden anmerken, dass Zahlen allein niemanden hinter dem Ofen hervorholen. Aber keine Bange: Mit Marken wie Aavik, Børresen, Elac, Soulnote, Clearaudio, Backes & Müller, HiFiman, Lyngdorf und der Chord Company sowie vielen, vielen weiteren stimmte auch die Qualität des Portfolios.
Hinzu kommt, dass sich viele Aussteller nicht aufs „plumpe“ Präsentieren (sprich: Spielen) ihrer Anlagen beschränkten. Der IAD-Vertrieb etwa veranstaltete im Stundentakt Workshops oder ließ norddeutsche Händler zu Wort kommen, die von ihren Erfahrungen mit Marken wie Soulnote oder Lumin berichteten. Eine Etage tiefer führte Audio-Reference-Chef Mansour Mamaghani die Besucher seines großen Salons persönlich in die Finessen der beiden Vorführketten ein. Die eine basierte auf solider Kost von Perlisten und Krell, die zweite auf Wilson Audio, D’Agostino, dCS und weiteren Kostbarkeiten.
Superlative inklusive
Nur eine Tür weiter gab’s ein echtes Superlativ zu bewundern und hören. Die Audio Group Denmark zeigte ihre 880er-Serie samt dem neuerdings auch lieferbaren Streaming-DAC SD-880. Das eigentliche Highlight dürfte für viele der Besucher aber die galante Standbox M3 gewesen sein, die sich nicht nur in ihrer vollen Pracht zeigte und zum Niederknien musizierte, sondern auch mehr als selbstbewusst mit dem zugehörigen Preisschild dekoriert war: 250.000 Euro – immerhin inklusive Mehrwertsteuer.
Ein regelmäßiger Garant für ein spannende Show-Events ist Phonosophie. Ingo Hansen veranstaltete neben Workshops an jedem der beiden Messetage Konzerte mit Wolfgang Bernreuther (Gitarre/Gesang) und Götz Kelling-Urban (Cello), die ihm dabei halfen, Live-Klang mit der Retorte aus der Kette zu vergleichen.
Aspekt C: Neues?
An diesem Punkt darf die Meinung von Endverbrauchern und Fachbesuchern (wir gieren ja immer nach News) gern auseinandergehen. Obwohl: Wer stört sich schon daran, zu den Ersten überhaupt zu zählen, die ein brandneues Produkt hören, sehen und anfassen können?
Die Light-Variante dieser Gelegenheit bot etwa Reichmann Audio. Der Vertrieb verkündete in Hamburg die Übernahme von Magnepan – und führte am Samstag ab 14 Uhr erstmals mit den Flachlautsprechern vor. Die IAD hingegen hatte erstmals Produkte von E.A.T. (European Audio Team) am Stand. Zu unserer Überraschung keine kostspieligen Wuchtbrummen, sondern mit dem B-Sharp und dem Prelude zwei der erschwinglichen Einsteiger. Parallel dazu gab’s aber auch eine echte Premiere: Die Kompaktbox Sandwich 250 von Leak war so frisch, dass sie sich am Samstag noch mit einigen Ecken und Kanten präsentierte, am Sonntag dann aber ganz geschmeidig musizierte.
Das musste man hören!
Den vielleicht dicksten Show-Stopper hatte derweil Ulf Moning im Handgepäck (oder eher auf dem Hubwagen). Mit der Menhir A zeigte Dynamikks! eine taufrische Standbox. Auf den ersten Blick könnte man die Menhir für eine offene Schallwand halten, was aber nicht ganz richtig ist. Im Mittel-Hochton kommt ein gemischter Dipol-/Koaxtreiber mit einem Tweeter in Druckkammertechnik zum Einsatz. Das komplexe Konstrukt ragt tatsächlich am Rücken aus der Gehäusewand. Weiter unten sind allerdings zwei Woofer verbaut, die mit dem Volumen der schmalen Box arbeiten. Angetrieben wurde die phänomenal aufspielende A von einem UM-Labs-Verstärker, den Ulf Moning optisch passend zu den Vorführmustern gestaltet hatte. Um die Kette in einem Wort zusammenzufassen müssen Sie sich nur den Markennamen vergegenwärtigen: Dynamikks!
Das neben der Menhir A meistfotografierte Exponat der NDHT 2024 konnte man bei Lyravox finden. „Karlmann“ heißt der Neuzugang bei den Hamburgern, der tatsächlich noch so frisch ist, dass er seinen Namen erst während des Aufbaus für die Show erhielt. Eigentlich als kleiner Witz gedacht, wurde der Moment so zur Taufe des Aktivlautsprechers. Karlmann besteht aus zwei ultramassiven Kunststeingehäusen, das obere als Vollbereichslautsprecher, das untere als zusätzlicher Woofer. Form und Optik des Lautsprechers bilden mit ihrem umwerfenden Retro-Charme einen krassen Kontrast zum Hightech im Inneren: Wie gewohnt kommen Treiber von High-End-Manufakturen wie Accuton zum Einsatz. Und natürlich lässt sich das Männchen feinfühlig via DSP und FIR-Filterwerk an den Raum anpassen. Und das zeigte Wirkung: Wir können den Klang der Aktiven nur als umwerfend cremig umschreiben.
Aspekt D: Die Umgebung der NDHT 2024
Bislang gibt es also nichts auszusetzen an der Veranstaltung. Und das gilt grundsätzlich auch für das Messehotel. Das Steigenberger Hotel Treudelberg liegt eingebettet in ein mondänes Wohnviertel und einen riesigen Golfplatz und könnte kaum pittoresker wirken. Die hellen Gänge und Flure des Foyers sowie ein großer Gastronomiebereich nebst gut sortierter Theke laden ein zum Verweilen und Quatschen. In den beiden oberen Etagen relativiert sich der Eindruck etwas. Die Gänge sind hier vergleichsweise schmal, die Hotelzimmer mit durchschnittlich vier mal vier Meter recht klein. Vor allem die Aussteller im obersten Geschoss hatten mit Dachschrägen und ungünstigen akustischen Gegebenheiten zu kämpfen.
Hinzu kam die schier unbegreifliche Resonanz auf die Messe: Am Samstag barst das Hotel geradezu vor Besuchern und auch am Sonntag waren die Vorführungen mehr als proper gefüllt. Ein riesiger Erfolg, der aber zu gewohnten Konflikten führte. Auf den Gängen war oft kein Durchkommen und im Eingangsbereich vieler Showrooms bildeten sich menschliche Pfropfen.
Doch keins dieser beiden Probleme erwies sich unlösbar, und es hatte sie ja auch schon im Holiday Inn, dem alten Stammsitz der Show gegeben … Die Her- und Aussteller lernen im Lauf der Zeit mit den akustischen Gegebenheiten der Umgebung umzugehen. Und im Gedränge wirkt ein gelegentliches „Verzeihung, dürfte ich mal …“ wahre Wunder.
Auch gegen die stickige Luft, die unseren Bewegungsradius vor allem am Samstag einschränkte, gibt es eine Lösung: Ab an die Bar, Bierchen … dann schafft man wieder fünf bis sechs Zimmer.
Aspekt E: Die Stimmung
Damit sind wir beim wichtigsten, aber auch subjektivsten Punkt angelangt. Die Stimmung war super. Bei allen! Viele Besucher waren geradezu betört von der Auswahl an Marken und Demonstrationen. Vor allem aber die Möglichkeit, sich die kostbaren Geräte von oben, unten, vorn und hinten ansehen zu können versetzte viele Handy-Hobbyfotografen in reinste Verzückung. Und schließlich ist da ja auch noch die Möglichkeit, sich mit Herstellern und Entwicklern persönlich zu unterhalten.
Gunther Kürten von Thorens trieb das gänzlich auf die Spitze und verzichtete auf die Vorführung. „Die Besucher stellen sowieso ständig Fragen, das ist viel einfacher, wenn keine Musik läuft.“ Recht hat er. Und wie er anmerkte, sei er selbst erstaunt, wie gut viele der Besucher vorbereitet sind. „Die wissen teilweise mehr als ich über die Dreher“, konnte er mit freudig erklären. Die gute Laune der Besucher färbte natürlich auf die Aussteller ab, die sich ausnahmslos positiv über die Messe äußerten.
Appendix: Conclusio
Halten wir also fest, dass die Show ein vollständiger Erfolg war! Gegenüber den schwachen Jahren (Pandemie/Umzugsgerangel) können wir den NDHT 2024 wieder ein stattliches Wachstum attestieren. Die Vielfalt war exzellent und die Stimmung uneingeschränkt gut. Die neue Umgebung sollte ein temporäres Problem sein, weil sich die Aussteller früher oder später damit arrangieren. Viva la Hamburg …