Tonabnehmer mit hoher Ausgangsspannung werden in der audiophilen Szene oft mit Missachtung gestraft. Zu Unrecht, wie die Tonabnehmer aus dem japanischen Yamagata beweisen.
Bereits seit vielen Jahren begleiten mich die Moving-Iron(MI)-Systeme des Herstellers Nagaoka. Alles fing mit einem gebrauchten MP-50 an, dem zwar eines der beiden seitlichen Schräubchen zur Fixierung des Nadelträgers fehlte, das aber dennoch allen mir damals bekannten MC-Systemen in klanglicher Hinsicht Paroli bieten konnte. Seither sind viele weitere Exemplare dieses eigentlich uralten Systems durch meine Hände gegangen. Uralt deswegen, weil die Vorgänger (MP-10 bis MP-50) der aktuellen 100er-Serie bereits Anfang der 1980er Jahre auf den Markt kamen. Seither wurde nur wenig geändert, im Wesentlichen scheint eine Anpassung an die heute weit verbreiteten mittelschweren Tonarme erfolgt zu sein. Ein MP-50 beispielsweise war eher für die seinerzeit modernen leichteren Arme vorgesehen.Nach wie vor folgt Nagaoka bei dem angewendeten Generatorprinzip der Idee des bewegten Weicheisenteilchens: Magnet und Spule sind fest im Gehäuse verankert, nur ein mit dem Nadelträger verbundener Weicheisenstreifen vibriert unter dem Diktat der abgetasteten Rille zwischen ihnen. Das erzeugt eine Änderung der magnetischen Flussdichte, die wiederum in den Spulen einen Strom induziert. Da sowohl die relativ massebehafteten Spulen als auch Magnete eben nicht bewegt werden müssen, können sie auch – zumindest in gewissen Grenzen – beliebig groß dimensioniert werden. Die Hauptvorteile dieses Konstruktionsprinzips sind folglich große Ausgangsspannungen bei gleichzeitig geringer bewegter Masse. Die große Spannung kommt hierbei besonders Betreibern von Phono-Vorverstärkern in Röhrentechnik entgegen, da sie auf die Verwendung teurer Übertrager verzichten können.
Apropos bewegte Masse
Macht man sich die wahnwitzigen Beschleunigungskräfte beim Abtastprozess bewusst, wird sofort klar, dass gerade bei Tonabnehmern eine geringe bewegte Masse von entscheidender Bedeutung ist. Sie hängt unter anderem von der Art des verwendeten Abtaststifts ab. In preiswerteren Systemen kommen häufig gefasste Steine („bonded tip“) zum Einsatz. Das sind Diamantsplitter, die auf ein Stück Metall geklebt und anschließend in die gewünschte Form geschliffen werden. In der Regel hat das verwendete Metall eine höhere Dichte als Diamant, daher sind solche Nadeln schwerer als nackte Steine („naked tip“), die direkt mit dem Nadelträger verbunden sind. Hinzu kommt, dass gefasste Steine nicht so „orientiert“ eingebaut werden können, also so, dass die härteste Seite des Kristalls in den Rillenflanken garantiert aufliegt. Die Folge ist, dass bei gefassten Steinen der Verschleiß schneller einsetzt.
Innerhalb von Nagaokas MP-Baureihe ist das MP-150 das kleinste Modell, das einen nackten Diamanten mit elliptischem Schliff besitzt. Der Nadelträger besteht aus gehärtetem Aluminium. Beim größeren MP-500 kommt dagegen ein Line Contact zum Einsatz, der auf einem noch härteren Nadelträger aus dem Halbmetall Bor (engl.: „boron“) aufgeklebt wird. Beide Diamanten machen unter dem Mikroskop einen vorzüglichen Eindruck, wenngleich der Tropfen des verwendeten Klebers beim MP-500 recht üppig bemessen scheint.
Offensichtlicher sind die Unterschiede beim Gehäuse. Während das MP-500 in einem Metallgehäuse steckt, das zudem vergoldet zu sein scheint, muss sich das MP- 150 mit einem grasfroschgrünen Kunststoffkorpus begnügen. Aber keine Sorge, selbstverständlich sind auch hier die wesentlichen Bestandteile durch Metall abgeschirmt, was gerade bei hochinduktiven Tonabnehmern wie den Nagaokas ein absolutes Muss darstellt, neigen sie doch andernfalls zum Brummen. Als besonderes Gimmick weist der austauschbare Nadelträger des 500ers zwei kleine Inbusschrauben auf, die jeweils seitlich den Einschub fest mit dem Korpus verbinden – eine Idee, die ich bislang nur vom Linn K18 her kannte. Die Schrauben sorgen nicht nur dafür, dass sich das Weicheisenteilchen exakt an der richtigen Position innerhalb des Generators befindet, sondern sollen auch verhindern, dass minimale Wackelbewegungen des Nadeleinschubs relativ zum restlichen System zu einem als „time smearing“ bekannten und gefürchteten Effekt führt, der bei Systemen mit wechselbarem Nadeleinschub die Genauigkeit beim Abtasten einschränken soll.
Auch die Generatoren im MP-150 und MP-500 unterscheiden sich in Details voneinander. Am deutlichsten zu erkennen ist das an der unterschiedlichen Ausgangsspannung, die der Hersteller für das MP-500 mit 3 mV und für das MP-150 mit 4,5 mV (bei jeweils 5 cm/s) angibt. Die Signale beider Nagaokas können somit auch von einfachen Phono-Vorverstärkern und integrierten Phonoplatinen rauscharm verstärkt werden. Ebenfalls unkritisch verhalten sie sich in puncto Eingangskapazität, die zusammen mit den von mir verwendeten Tonarmkabeln zwischen 100 und 200 pF zu liegen scheint.
Standfestigkeit und Serienkonstanz
Wie bereits erwähnt, habe ich über die Jahre hinweg verschiedene Modelle aus der MP-Baureihe von Nagaoka betrieben. Diese Langzeitbeobachtungen ermöglichen deshalb ein paar Aussagen, die in den Zeiträumen, in denen normalerweise ein Artikel entsteht, schlichtweg nicht möglich sind. Zum Beispiel kann ich guten Gewissens behaupten, dass – egal, um welches Modell es sich im Einzelfall handelte – eins wie das andere war. Nagaoka fertigt offenbar mit hervorragender Serienkonstanz, was gerade bei Tonabnehmern, die immer einer gewissen Streuung unterliegen, alles andere als selbstverständlich ist. Ebenso ist die Verarbeitungsqualität stets ohne Fehl und Tadel. Sicher, die güldenen Gehäuse von MP-300 oder MP-500 machen schon etwas mehr her als die knallig bunten Kunststoffgehäuse von MP-150 und MP-200. Berücksichtigt man aber deren Preis, so gibt es keinen Grund zu meckern.
Ebenfalls tadellos sind die maximal erzielbaren Abtastwerte, die in beiden Fällen bei 70 ?m liegen. Kurioserweise wird die Nadelnachgiebigkeit von den sonst so gewissenhaften Japanern nicht angegeben. Das MP- 150 resoniert im Rega-Tonarm RB 301 ungefähr bei 9 Hz und das MP-500 im SME Series IV bei 8 Hz. Das lässt darauf schließen, dass beide sehr ähnliche, wenn nicht gar identische Nadelnachgiebigkeiten aufweisen, nur das höhere Gewicht des MP-500 drückt die Resonanz etwas nach unten. Beide Systeme sind demnach für den Betrieb in leichten bis mittelschweren Tonarmen ausgelegt. Das heißt aber im konkreten Fall nicht allzu viel. Denn in der Praxis kommen beide sogar mit dem sehr schweren Denon DA-308 (effektive Masse: circa 25 g) klar, ohne dass störende Effekte – wie ein sichtbares Nachschwingen bei der Abtastung welliger Schallplatten oder tonale Merkwürdigkeiten im Bassbereich – zu attestieren wären. Vermutlich liegt das an der sehr guten mechanischen Dämpfung im Inneren der Tonabnehmer. Trotzdem würde ich einen solch krassen „Mismatch“ von Tonarm und Tonabnehmer nicht empfehlen.
Gutes Handwerk, guter Klang
In technischer Hinsicht zeigen sich die Nagaokas als hervorragende Tonabnehmer: tadellose Verarbeitung, absolut praxisgerechte Auslegung, quasi Musterbeispiele professionellen Tonabnehmerbaus. Es ist daher nicht verwunderlich, dass beide auch klanglich voll überzeugen können. Dabei sind beide ausgesprochen neutrale und vor allem ehrliche Tonabnehmer. Vor allem das Nagaoka MP-500 hinterließ im Vergleich zu anderen Tonabnehmern zunehmend den Eindruck, vielleicht nicht alles, aber doch sehr, sehr viel einfach „richtig“ zu machen. Nichts an ihm wirkt übertrieben, weder Bass- noch Höhenlagen, weder Raumdarstellung noch Lebendigkeit.
Als Musikbeispiel sei hier Holly Cole und ihre LP Don’t Smoke In Bed genannt, die – mit dem 500er völlig frei von übertriebenen, aufgesetzt wirkenden „High-End-Effekten“ – als ernst zu nehmende Künstlerin in den Fokus des Hörers rückt. Hier übernimmt eben nicht die Stereoanlage, die nur eine „Testplatte“ effektvoll abspielt, die Hauptrolle. Nicht selten werden bei dieser Aufnahme die Bassläufe überprononciert, sodass Details wie etwa das leise Nachschwingen der Saiten untergehen. Es ist auch diese Fähigkeit zur Detailwiedergabe, die das Nagaoka MP-500 zu einem wirklich großen System macht und mich in meiner Ansicht bestärkt, dass es grundsätzlich mit jedem MC-Tonabnehmer bis 1000 Euro locker mithält.
Beim erheblich preisgünstigeren MP-150 sind im direkten Vergleich natürlich – besonders an den Frequenz-enden – gewisse Einbußen zu verzeichnen; der deutlich geringere mechanische Aufwand fordert hier seinen Tribut. Dennoch möchte ich gerade dieses grasgrüne System all jenen ans Herz legen, die sich mit der neutralen Wiedergabe der Nagaokas anfreunden möchten. Denn auch das 150er zeigt schon sehr deutlich, was das Nagaoka MP-500 nahezu perfekt beherrscht: die technischen Aspekte einer Aufnahme mühelos, unangestrengt, unverfärbt und völlig selbstverständlich wiederzugeben. Exakt diese Qualitäten sollte man von wirklich guten Tonabnehmern verlangen dürfen, mit weniger sollte man sich nicht zufriedengeben.