NAD M33 und M23 – Stimme der Vernunft
Natürlich kann man Unsummen investieren, um Geräte mit viel philosophischem, allerdings nur dünnem technischen Hintergrund zu erstehen. Oder einfach diese NAD Verstärker kaufen. Ein Ausweg?
In aller Kürze
Grandioser Vollverstärker von NAD, der absolut alles an Bord hat, was man als Musikhörer so brauchen könnte. Und eine passende Endstufe, die den Klang weiter nach vorne bringt. Absolute Empfehlung.
Meine audiophile Sozialisierung begann in den frühen achtziger Jahren. Als Schüler baute ich gemeinsam mit Freunden erste Lautsprecher, die mir im Nachhinein die Schamesröte ins Gesicht treiben. Nun gut, sie sahen grottig aus und klangen durchaus entsprechend, immerhin beschäftigte ich mich aber mit den Grundlagen. Als ich später in einem HiFi-Geschäft arbeitete, bekam die Sache Schwung, Namen wie Infinity, Nakamichi oder Conrad Johnson erschienen auf meinem Radar. Freilich nur da und nicht in meinem Zimmer, denn außer einem Nakamichi BX300E konnte ich mir von den wertvollen Geräten nichts leisten.
Das Studium in Berlin führte mich in eine andere HiFi-Szene, die deutlich „britischer“ orientiert war. Hier waren Boxen vom Schlag einer Infinity Kappa 9a weit weniger angesagt als eine Spendor LS3/5, und kleine, schrullige Vollverstärker von der Insel erspielten sich die vorderen Plätze in unseren Herzen. Wenn man in dieser Welt als pragmatischer Hedonist unterwegs war, also größtmöglichen Musikgenuss mit studentischem Konto kombinieren musste, landete man fast zwangsläufig bei Verstärkern der Firma NAD – wie zum Beispiel beim legendären 3020, der als meistverkaufter Vollverstärker der Welt in die Geschichte einging. Ein besseres Preis-Klang-Verhältnis ließ sich eigentlich nirgends auftreiben, und allein schon die rauhhaardackelig grauen Fronten mit ihren schlichten Plastikknöpfen signalisierten, dass es dem Besitzer wirklich um die Musik gehen musste.
Zudem – und auch das war ein gewichtiges Argument für diesen Hersteller – konnte man sich einen nächsten Schritt auf der Qualitätsleiter halbwegs günstig erkaufen, da die Endstufensektion im separaten Gehäuse erhältlich war und man so in die Welt des Bi-Ampings eintauchen konnte. Da sich diese Endstufen durch Umlegen eines Schalters zum Monobetrieb bewegen ließen … Sie ahnen, wie die Geschichte weitergeht …
In den letzten Jahren ist NAD aus meinem Blickfeld verschwunden, Bi-Amping war nun gar nicht mehr mein Thema, wie es auch allgemein kaum noch von Interesse zu sein scheint. Warum das so ist, kann ich nur vermuten. Anlagen sollen schlank und unsichtbar sein, der Turm hat ausgedient. Wohnraumfreundlichkeit und Usability stehen ganz oben auf der Liste. Irgendwie scheint der Szene auch der Spaß am Experimentieren und Basteln abhandengekommen zu sein. Wer investiert noch ein komplettes Wochenende, um die richtigen Unterlagen für seinen Plattenspieler zu erlauschen?
Als uns Mike Besser vom Deutschen NAD-Vertrieb anbot, eine Kombination aus Vollverstärker und passender Endstufe zum Hören zu schicken, waren unser Spieltrieb und die Neugierde natürlich sofort geweckt. Denn was uns früher so begeisterte, kann ja nicht grundsätzlich falsch gewesen sein. Manchmal verliert man gute Ideen schlicht aus den Augen …
Der Vollverstärker dieser Geschichte hört auf den Namen „M33“ und er hat mit seinen Urahnen vom Schlage eines 3020 nicht mehr viel gemein. Dicke Aluminiumplanken sorgen für ein edles Heim, die Verstärkung ist vollständig digital aufgebaut, ein BluOS-Streamingmodul ist an Bord, und wirklich studentenfreundlich ist das Preisschild auch nicht mehr. Nun gut, es handelt sich um das Topmodell des Hauses, nicht um eine der Einstiegsofferten.
Betrachtet man allerdings den M33 beim Auspacken etwas genauer, fällt eine erste Gemeinsamkeit mit den älteren Modellen auf: Ganz ohne Zweifel muss man für eine entsprechende Qualität andernorts deutlich tiefer in die Tasche greifen. Das beginnt schon bei der umweltfreundlichen Verpackung, die ohne billige Styroporteile auskommt, zeigt sich bei den erstklassigen Spaltmaßen oder netten Details wie den massiven Füßen, die ihre Unterlagen nicht verlieren, da sie über Magnete beieinanderbleiben wollen.
Das sind aber nur schöne Zugaben, die das Bild eines erstklassigen Verstärkers abrunden. Denn die eigentliche Show passiert im Innern. NAD nutzt die von den Entwicklern Bruno Putzeys und Lars Risbo erdachte „Purifi“-Schaltung, um eine besonders effiziente Art der Gegenkopplung ohne deren in der HiFi-Welt bekannten Nachteile anzubieten. Mehr Kontrolle, wenige Verzerrungen und dennoch kein statisches Klangbild sind die Eigenschaften, die sich NAD von der Implementierung dieser Technik verspricht. Die entsprechenden Eigentakt-Module kauft man dort übrigens nicht zu, sondern fertigt in Lizenz selbst. Doch damit nicht genug, bietet der M33 zudem ein vollständiges, auf BluOs-Technologie basierend entwickeltes Streamingmodul, das auf alle wichtigen Anbieter vorbereitet ist, darunter auch Qobuz und Tidal sowie umfassende Roon-Kompatibilität. Ebenfalls an Bord ist eine Möglichkeit zur Einmessung auf den Raum. Das erforderliche Mikrofon ist mit im Karton, die Einmessung geht dank ausführlicher Dokumentation einfach von der Hand. Wir haben den Verstärker nach einem kurzen Durchprobieren des Prozesses jedoch im „Rohzustand“ belassen.
Neben dem fest implementierten Hochbit-DAC mit ESS-Sabre-Chips direkt hinter den Eingängen sind zwei Schächte vorhanden, die Erweiterungsmodule aufnehmen können. Satte 260 Watt bei acht Ohm liefern schließlich auch noch genügend Kraft in allen Lebenslagen.
Die M23 können wir deutlich schneller abhaken: Es handelt sich um die ausgelagerte Endstufensektion des M33, deren Eingangspegel sich in drei Stufen auch grob an weitere Spielpartner anschließen lässt. Das Gehäuse ist – abgesehen vom Display und Pegelsteller natürlich – identisch mit dem des Vollverstärkers.
Da NAD in Deutschland von DALI vertrieben wird, konnten wir uns einen Herzenswunsch erfüllen und das Paket mit einer Epicon 6 abrunden. Die ist nicht nur ein exzellenter, sondern wahrscheinlich auch einer der dienstältesten Top-Lautsprecher, 2008 auf den Markt gekommen und tatsächlich seitdem im Innern unverändert. Ich kenne nur wenige Schallwandler, die mit einer so entspannten Geschlossenheit aufspielen. Nach einer kleinen Weile des Möbelrückens ist die ideale Spielposition gefunden: Nur minimal ausgewinkelt liefern die DALIs das stimmigste Bild. Außerdem ist die Box mit einem herausragend soliden Bi-Wiring-Terminal ausgestattet; für unseren Test griffen wir übrigens zu AudioQuests ThunderBird LS (Bass und Zero) als Verbinder. Damit wären alle Variablen beisammen.
Als musikalische „Lektüre“ wählten wir zunächst Fiona Apples And When The Pawn. Eigentlich ist der Titel des Albums zweihundert Worte lang, die trotz Miss Apples Wunsch aber nicht aufs Cover passten. Parallel zum Albumtitel ist an dieser CD so ziemlich alles außergewöhnlich, auch der weit gespreizte Frequenzbereich der Klänge, die im Studio aufgeschichtet wurden. Eine Gemeinheit für Lautsprecher und Verstärker ist die Kombination aus fragiler, eher trocken aufgenommener Stimme sowie tiefster Bässe, die zusammen mit einer auch ziemlich Punch-abgestimmten Bassdrum dem Verstärker einiges an Leistung abverlangen – in der Regel mit dem Ergebnis, dass die Stimme an Fokussierung verliert. Mit dem M33 allein ist das schon kein Problem, er verfügt über genügend Reserven, um die Epicon 6 durch diese Klippen zu führen. Das Klangbild ist sehr weit, eher breit als tief, die Bässe rollen mächtig, die Stimme bleibt eindringlich. Das hätten der anwesende Kollege Barnbeck und ich so nicht erwartet, und wir sind nun gespannt, ob der Umstieg auf Bi-Amping da noch etwas bringen kann. Bis jetzt ist doch alles in bester Ordnung …
Um es kurz zu machen: Ja, der Schritt ist hörbar. Und zwar in einem Maße, dass der Preis für die externe Endstufe schnell vergessen ist. Sämtliche Aktionen in den tiefen Regionen kommen nun etwas schlanker, dafür deutlich kontrollierter, mit mehr Kanten in den Transienten, und scheinen gleichzeitig noch ein wenig tiefer herabzureichen. Die Stimme löst sich jetzt von den hohen Instrumenten, steht deutlich vor ihnen. Überhaupt öffnet sich der Raum in alle Richtungen, vor allem die Tiefe hat enorm gewonnen. Alle Schallereignisse sind nun deutlich voneinander separiert, in einem weiten, dennoch in sich schlüssigen Bild sauber platziert.
Weiter geht es mit dem Parsifal von Richard Wagner in einem Konzertmitschnitt aus der Wiener Staatsoper unter Christian Thielemann. Hier zeigt sich das gleiche Bild, schon der Vollverstärker allein sorgt eigentlich für Zufriedenheit – Orchester und Bühne sind differenziert zu hören, auch die Spielgeräusche auf der Bühne werden gut eingebunden. Wir ahnen, was gleich passieren wird, und genauso passiert es: Das Bild weitet sich in alle Richtungen, reicht auch rechts und links über die Lautsprecherbasis hinaus, vor allem die Tiefe gewinnt wieder, und zugleich erleben wir jetzt eine auch bei intensiveren Stellen gesteigerte Ruhe und Solidität im Klang. Das hat nichts mit Langeweile zu tun, sondern sachlich mit einer gesteigerten Übersicht. Es wirkt wie der Blick durch eine Kamera, deren Objektiv nun endlich richtig scharf gestellt ist. Nun steht der der Musik innewohnenden Spannung wirklich nichts mehr im Wege.
Irgendwie war das Hören zu diesem Bericht eine Reise zurück in die Zeit, als man sich noch intensiv mit Anlagen beschäftigte und nicht nur teurere Geräte als Lösung aller Probleme sah. Mit diesem schlüssigen Bi-Amping-Konzept ermöglicht NAD den stufenweisen Aufbau einer Anlage, ihr Wachsen mit den wachsenden Bedürfnissen. Ohne ständig Geräte verkaufen zu müssen. Eigentlich wollte ich das Wort „Nachhaltigkeit“ vermeiden. Es trifft aber zu. Eine der smartesten Verstärkerlösungen, die man derzeit kaufen kann.
Info
Streaming-Vollverstärker/DAC NAD M33
Konzept: Streaming-Vollverstärker mit Hochbit-DAC und Erweiterungsoption
Eingänge: analog unsymmetrisch, analog symmetrisch, AES/EBU; Toslink, digital koaxial, HDMI, LAN, Trigger
Ausgänge: Pre-Out unsymmetrisch, 2 Paar Lautsprecher, Trigger
Ausstattung: Streamingmodul mit Vorbereitung für Tidal/Spotify/Moon, Raumeinmessung Dirac Live, 2 Schächte für Erweiterungsmodule, Metallfernbedienung
Leistung (8/4 Ω): 2 x 200 W (20 Hz bis 20 kHz bei angegebenem Klirrfaktor, beide Kanäle angesteuert)
Ausführung: Aluminium schwarz/silber
Maße (B/H/T): 44/13/40 cm
Gewicht: 9,7 kg
Preis: um 5499 €
Endverstärker M23
Konzept: Digitalendstufe mit gleichem Endstufenmodul wie M33
Eingänge: analog symmetrisch und unsymmetrisch, Gain dreistufig anpassbar
Ausgänge: 1 Paar Lautsprecher
Ausführung: Aluminium schwarz/silber
Maße (B/H/T): 44/13/40 cm
Gewicht: 9,7 kg
Garantiezeit: 2 Jahre, bei Registrierung 5 Jahre
Preis: um 3499 €
Kontakt
DALI GmbH
Berliner Ring 89
64625 Bensheim
Deutschland
Telefon +49 6251 8079010