Jeder hat so seine Erinnerungen ans „erste Mal“. Ich zum Beispiel denke an schiefe Füße, Kreuzschlitz-Schraubendreher und ungläubiges Staunen. Tja, so sind sie, meine Erinnerungen an das erste Mal „High End zum Nulltarif“.
Unfug? Irgendein schräger HiFi- Freak hatte mir erzählt, dass auch Verstärker unterschiedlich klingen. Und da gäbe es ein neues HiFi-Studio, in dem man das auch selbst herausfinden könne … Nun, mit 16 hatte ich für solchen Unfug genügend Zeit.Prompt stieß ich dort auf einen unscheinbaren Briten, der sich als Underdog entpuppte, als Aufmischer, Performer und Partymacher. Er zeigte mir, bis dahin ein gutgläubiger „HiFi-Fachmagazin“-Abonnent, dass es sehr wohl ein Leben jenseits der Testsieger-Zone gab. Er nannte sich schlicht NAD 3020 und wurde etliche Jahre später zum meistverkauften HiFi-Verstärker überhaupt. Ich konnte es verstehen. Denn der kleine NAD klang, trotz einer geradezu lächerlichen Leistung auf dem Papier, sogar besser als mehrfach teurere Testsiegertypen. Ich verkaufte meinen dicken Yamaha, entdeckte meine kleine Plattensammlung neu und schleppte den 3020 bei jeder Gelegenheit zu staunenden Freunden. Dann entdeckte ich Naim Audio für mich und mein Bruder erbte den NAD, mit dem er so manche Party befeuerte. Das geniale „Soft Clipping“ bewahrte tapfere Hochtöner vor dem Heldentod. Kurz vor Ultimo „rundet“ diese Schaltung gefährliche Übersteuerungssignale der Endstufe sanft ab. Zu Hause jedoch war die Lebensversicherung für Hochtöner immer ausgeschaltet, ohne klang es stets eine Spur knackiger.
Nach rund zwei Jahren „heavy use“ gelang es dem kleinen NAD erneut, meine nunmehr testsiegerlose HiFi- Welt gleich nochmal zu bereichern. Mir fiel irgendwann auf, dass der Gehäusedeckel klapperte und die Bodenplatte eigentlich nur noch auf drei schiefen Füßen stand. Es waren in der Tat ein paar der sprichwörtlichen Schrauben locker. Mit dem Kreuzschlitz-Schraubendreher rückte ich den Wackelkandidaten zu Leibe – und mein Bruder und ich waren nach dem Festziehen irritiert: Klang der NAD jetzt etwa besser? Ein paar Schraubversuche später waren wir sicher: Ja, tut er! Und ich hatte meine erste Lektion zum Thema „High End zum Nulltarif “ gelernt. Seither bin ich immer wieder fasziniert, dass besserer Klang keineswegs immer Geld kosten muss. Manchmal reicht es, für stabile Verhältnisse zu sorgen.
Dreißig Jahre später gehört NAD immer noch zu meinen Top-Favoriten, wenn es um wirklich guten Klang für kleines Geld geht. Der aktuelle Nachfolger des 3020, der C 326BEE, ist nun nicht mehr der Kleinste im NAD-Programm, doch er besitzt die entscheidenden Ausstattungsmerkmale des legitimen Kronprinzen: Soft Clipping, auftrennbare Vor- und Endstufe – und diese spezielle, mitreißende, mehr als konkurrenzfähige Performance. Zugegeben, der 326 steckt nicht mehr ganz so lässig und locker groovend sämtliche Mitbewerber in die Tasche, wie der 3020 das noch in den frühen Achtzigern tat. Und etwas lästig ist auch, dass die Aboder Einschaltung der Klangregler die Musik kurz unterbricht. Insgesamt aber beweist auch dieser Ururenkel, dass eine erstklassige und ernsthafte Schaltzentrale für den Einstieg in die faszinierende High- End-Welt kein Vermögen kosten muss. Von wegen Unfug!