Moon 390 und 330A – Kanadische Alleskönner
Für die runde Summe von 10 000 Euro schickt der kanadische Hersteller Moon eine Vor-End-Kombi ins Rennen, die an Konnektivität nicht zu überbieten sein dürfte und noch dazu auch klanglich Laune macht. Vorhang auf für die Komponenten mit den bescheidenen Namen „390“ und „330A“!
Viele Stereoanlagen wachsen mit den Jahren organisch in die Tiefe und Breite: durch regelmäßiges Zukaufen von Komponenten, Lautsprechern und Zubehör. Noch schlimmer geht’s zuweilen bei HiFi-Redakteuren zu – sie haben von der einen oder anderen Gerätegattung auch gerne einmal zwei, drei verschiedene Exemplare herumstehen, damit Klangvergleiche möglich sind. So manch einer von ihnen, ich gehöre definitiv zu dieser Fraktion, wünscht sich eines Tages, einmal komplett von vorne beginnen zu können und den sich von Monat zu Monat metastasenartig ausbreitenden Verhau aus Kisten, Kästen, Racks und Strippen rigoros zu entschlacken.
Bei der Kombi aus der „Vorstufe“ Moon 390 und der Endstufe 330A könnte ich diesbezüglich wirklich schwach werden, denn mit ihr ließen sich sechs meiner vorhandenen Geräte in den Ruhestand schicken, ohne dass ich wirklich etwas vermissen würde. Doch der Reihe nach, beginnen wir mit der Komponente Moon 390. Ich schrieb zuvor das Wort Vorstufe mit Gänsefüßchen, weil dieses Gerät in Bezug auf Anschlussfreudigkeit so ziemlich alles in den Schatten stellt, was mir bis daher vor die Flinte gelaufen ist. Eigentlich müsste das Ding „Multiroom-Netzwerk-und-Bluetooth-Streamer-Pre-DAC-Kopfhörerverstärker“ heißen. Geboten werden drei analoge Eingänge (darunter Phono MM/MC mit Eingangskapazitäts- und Impedanzanpassung) und neun digitale, WLAN- und Bluetooth-Empfänger sowie gleich zwei RJ-45-Netzanschlüsse. Herz, was willst du mehr? Dazu gibt’s eine absolut ausgereifte Multiroom-Streamingtechnologie namens „MiND“ (Moon intelligent Network Device), die ihrem Namen alle Ehre macht: Vom Auspacken der Geräte bis zum ersten Ton aus meinem Tidal-Account vergingen inklusive Download der vorzüglichen App nicht einmal zehn Minuten, doch ich greife vor. Zunächst möchte ich nämlich noch ausdrücklich das Innenleben loben, das unter anderem mit vollsymmetrischem Aufbau, ESS-Sabre-Chipsätzen in der DAC-Sektion und galvanisch voneinander getrennten Digital- und Analogsektionen aufwartet. Ein elegantes und auch aus der Ferne gut ablesbares OLED-Display informiert über die wichtigsten aktuell anliegenden technischen Daten (Samplerate, Lautstärke, aber auch Titel/Interpret beim Streaming).
Die Endstufe 330A steht dem in nichts nach. Sie bringt bandscheibenunfreundliche 15 Kilo auf die Waage, versöhnt ihren Besitzer aber mit echten Technik-Leckerbissen: Ein Ringkerntrafo von beeindruckenden Dimensionen versorgt eine vollsymmetrisch ausgebaute Verstärkerstufe, in der selektierte Bipolar-Transistoren 250 Watt pro Kanal mit extrahohem Dämpfungsfaktor rausdrücken. Doch es geht nicht nur um schiere Muskelkraft, auch Leisehörer werden bedient: Die ersten fünf Watt stellt die Endstufe komplett im besonders verzerrungsarmen „Class A“ bereit, erst danach geht’s in den Class-A/B-Modus.
Erwähnt werden müssen Verarbeitung und Anfassqualität: Das hier, meine Damen und Herren, sind beileibe keine Leichtgewichte mit einer zigarettenschachtelgroßen Platine im ebenso großen wie dünnen Blechkleid. Hier wird richtig geklotzt – Vorstufe wie Endstufe sind „randvoll mit Technik“ und wirken wie für die Ewigkeit gebaut. Die Tasten haben einen vernünftigen Druckpunkt, der Lautstärkesteller läuft sämig-präzise, der Look ist insgesamt kantig, wird aber durch den raffiniert-reliefartigen Verlauf der Frontplatte leicht aufgebrochen – und die silbernen Taster der Frontseite vermitteln einen wertigen Kontrast zum schwarzen Gehäuse. Damit gelingt es der Moon-Kombi, Wertigkeit ohne unnötigen Zierrat oder Protzerei abzustrahlen. Schon mal gut so weit, und nun ab in den Hörraum!
Was dort abgeliefert wird, ist schlichtweg atemberaubend. Drei zentrale Talente nehmen mich für die Moon-Kombi ein: Da wäre zunächst einmal das, was ich „Spannkraft“ nennen möchte. Diese tritt insbesondere im Tieftonbereich zutage: Während man bei vielen Verstärkern den Bass einfach „hört“, erhält er über die Moon-Kombi eine andauernde physische Präsenz, anstatt nur angerissen zu werden. Bei Stings „Moon over Bourbon Street“ beispielsweise hat der Bass eine prominente Rolle, er trägt den Hörer gewissermaßen durch das gesamte Stück. Die Kanadier schaffen es, dass der Bass eben nicht nur im Moment des Zupfens wahrzunehmen ist, sondern dass die Töne buchstäblich bis zu ihrem Verklingen im Raum stehen. Interessanterweise geschieht das jedoch nicht durch eine (Ober-)Bassbetonung, Moon 390 und 330A bieten einen gefühlt waagerechten Frequenzgang ohne Ausreißer. Sie haben aber Standfestigkeit und Durchhaltevermögen und transportieren auf diese Art viel Energie, ohne dass der Zuhörer angestrengt oder durch eine Verbiegung des Frequenzbereichs in die Irre geführt würde.
Das zweite Talent ist im Bereich der Dynamik angesiedelt. Wie die technischen Daten schon vermuten lassen, haben sich die Ingenieure bei Moon bemüht, alles außer dem Nutzsignal rigoros verschwinden zu lassen – Rauschen, Verzerrungen und dergleichen. Das funktioniert, leise wie laut: Eine FLAC-48-Variante von Beethovens „Mondscheinsonate“ (Klavier: Andrea Kauten, Label: Sony Classical) lässt den Zuhörer wohlig im Sessel versinken; wäre er eine Katze, müsste er den Milchtritt in Gang setzen: Hier gibt es Klavier, nichts als Klavier, ohne unbotmäßige Nebengeräusche, eine Meditation, ein völliges Aufgehen in der Musik. Laut geht’s aber eben auch: Tuxedomoons musikgewordener Wutanfall „No Tears“ geht richtig nach vorne, die billige Fuzzgitarre beißt ins Öhrchen, der irrwitzige Sprechgesang von Blaine L. Reininger macht unmissverständlich klar, dass mit dem Herren nicht zu spaßen ist: Die Moon-Kombi kann definitiv auch rocken.
Feinauflösung ist sodann die dritte besondere Fähigkeit im Bunde. Wer Donald Fagen’s „Countermoon“ von Kamakiriad hört, der kann nicht nur, sondern der muss einfach grinsen. Wie die Moon-Kombi Hi-Hat und Crashbecken ohne jede Schärfe zischen lässt, wie sie die weiblichen Backing Vocals fein zerdröselt, wie sie den nachgerade kantig-zwingenden Shuffle von Drummer Chris Parker in den Raum schallert und wie sie Walter Beckers knochentrockenen Fender-Jazz-Bass als konterkarierendes Rhythmuselement mit den Drums verwebt: Da bleibt nur ein hochzufriedenes „Boah“ und eine freiwillig nach unten klappende Kinnlade.
Nun könnte man meinen, wenn’s dynamisch, voller Spannkraft und feinauflösend-analytisch zuginge, bliebe eine gewisse Wärme fern. Ebendas geschieht aber auch nicht: So lauscht man der oben erwähnten Mondscheinsonate eben nicht als Klavierlehrer, der nur auf den ersten Fehler wartet – die Moon-Kombi kann eine farbenprächtiges und weitgefächertes Mittenband und auch eine stereofone Breite und Tiefe mit sich bringen, die man eher von einer 300B-Röhre erwarten würde. Ja, ich würde mich sogar zu der Behauptung versteifen, dass die Moon-Kombi im Blindtest bei der Frage „Hören wir hier Röhre oder Transistor?“ für große Verwirrung und Achselzucken sorgen würde – im positiven Sinne.
Das alles funktioniert irritierenderweise auch noch mit allen mir zur Verfügung stehenden Lautsprechern; möglicherweise liegt’s am hohen Dämpfungsfaktor. Ob ich nun meine sämig-schwere, leistungshungrige Harbeth 30.1 ankable oder die eher alert und leichtfüßig aufspielende Audes Maestro 116, beiden entlockt der Amp richtig Schmackes und Feingeist zugleich.
Bonustrack 1: Die Phonovorstufe ist richtig gut. Sie spielt blitzsauber, kohärent, flink und sonor zugleich. Auch hier völlige Absenz von Nebengeräuschen, nichts rauscht, nichts brummt, nichts zerrt – das hier ist keine Alibilösung, damit ein weiteres Feature abgehakt werden kann, das müsste man sich als separate Phonovorstufe im oberen dreistelligen Preisbereich dazukaufen.
Bonustrack 2: Nicht einmal der Kopfhörerverstärker gibt Anlass zum Meckern. Crisp und unverhangen, durchzugsstark bis in den Tiefbass – und auch in der Lage, hochohmige Gourmands mit Liebe durchzufüttern.
Nun gut, für den Preis dieser Vor-/Endstufen-Kombi kann man einen nagelneuen Kleinwagen erwerben. Aber in highfidelen Kategorien handelt es sich hierbei immer noch um einen Preisrahmen, der als nicht völlig unvernünftig durchgeht. Ich kann an dieser Stelle nur festhalten: Noch nie habe ich für diesen Preis ein so gelungenes Amalgam aus Anschlussvielfalt, Möglichkeiten und wunderbarem Klang gehört.
Wir meinen
Eine Komplettlösung, die ihrem Namen alle Ehre macht: nicht nur hinsichtlich der Features und der Konnektivität, sondern auch in Bezug auf den Klang.
Info
Moon 390
Funktionsprinzip: Netzwerkplayer/Vorverstärker/DAC
Eingänge analog: 1 x Hochpegel XLR symmetrisch, 1 x Hochpegel Cinch, 1 x Phono MM/MC
Eingänge digital: AES/EBU XLR, S/PDIF Toslink und koaxial, USB und USB-Host, 4 x HDMI, 2 x Netzwerk RJ45, WLAN- und Bluetooth-Empfänger
Digitalformate: PCM bis 32 bit/384 kHz, DSD256, MQA-zertifziert, Roon-ready
Ausgänge: je 1 x analog Fix/Pre (Cinch), Pre (XLR), HDMI ARC Out, Kopfhörer (6,33-mm-Klinke)
Übersprechdämpfung: 116 dB (1 kHz)
Signal-Rausch-Abstand: 125 dB
Frequenzgang: 10 Hz bis 200 kHz
Klirrfaktor: 0,0004 %
Intermodulationsverzerrungen: 0,0003 %
Maße (B/H/T): 42,9/8,9/36,6 cm
Gewicht: 11 kg
Garantiezeit: 2 Jahre (10 Jahre nach Registrierung)
Preis: 6000 €
Moon 330A
Funktionsprinzip: Endstufe
Eingänge: 1x Cinch unsymmetrisch, 1x XLR symmetrisch
Leistung (8 Ω): 2 x 125 W
Maße (B/H/T): 42,9/8,9/35,6 cm
Gewicht: 15 kg
Garantiezeit: 2 Jahre (10 Jahre nach Registrierung)
Preis: 4000 €