Monitor Audio Platinum PL300 II – Spaßfraktion
Die Monitor Audio Platinum PL300 II macht zuerst (beim Transportieren) überhaupt keinen Spaß, danach (beim Hören) umso mehr. Beides hat mit akribischer Entwicklungsarbeit zu tun.
Fotografie: Ingo Schulz
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Was gibt es an einem Lautsprecher zu entwickeln? Ist das Thema nicht schon zur Genüge beackert? Sind nicht alle Parameter bekannt? Wirft man mit einen schnellen Blick auf das aktuelle Lautsprecherangebot, zeigt sich sofort, dass diese Fragen durchaus ihre Berechtigung haben. Denn zu einem recht hohen Prozentsatz findet man mehr oder minder aufwendig gestaltete MDF-Quader mit immer neu gewürfelten Kombinationen der üblichen Chassis der üblichen Zulieferer.
Das ist erst einmal nicht verwerflich und kann auch durchaus gute Ergebnisse liefern, meine aktuellen Studiolautsprecher sind eben genau das: Chassis bekannter Zulieferer in einem MDF-Quader. Und sie sind wirklich sehr, sehr gut. Eines sind sie aber nicht: extrem teuer. Denn wie mir der Hersteller erläuterte, halte sich der Entwicklungsaufwand bei einem solchen Ansatz in durchaus überschaubaren Grenzen. Ist das Arbeitsprinzip festgelegt, gibt es eine Menge Vorarbeit und Simulation am Computer, dann werden ein paar Prototypen gebaut. Und am Schluss steht der Feinabgleich. Natürlich ist das auch ein gewisser Aufwand, kein Vergleich jedoch zu dem Spiel, auf das man sich einlässt, wenn man selber Chassis und andere Bauteile entwickelt. Oder eben die ausgetretenen Pfade „MDF“ und „Quader“ verlässt.
Zahlt man als Kunde also einen sehr hohen Preis für ein Paar Lautsprecher, sollte sich dieser Preis auch durch einen tatsächlich seitens des Herstellers betriebenen Aufwand rechtfertigen lassen. Womit wir bei unserem aktuellen Probanden, der Monitor Audio Platinum PL300 II wären.
Der eingangs erwähnte Mangel an Spaß während des Transportes zur künftigen Wirkungsstätte rührt von einem Kampfgewicht von nicht weniger als 55 Kilogramm. Natürlich in Verbindung mit glatten und/oder kratzempfindlichen Oberflächen und sanft gerundeten und somit weit weniger griffigen Kanten. Gewicht und Form sind allerdings Faktoren, die der Funktion folgen, Monitor Audio kann bei diesem aufwendigen Gehäuse jeden Entwicklungsschritt belegen und begründen.
In aller Kürze: Beim Design strebten die Briten ein möglichst resonanzarmes Gehäuse an, das sich zudem mit seiner Form den abgestrahlten Schallwellen mit nur geringsten Auswirkungen in den Weg stellt. Mehrlagige Gehäusewände aus Kompositwerkstoffen sollen unerwünschtes Mitschwingen im Zaum halten. Dass Front- und Rückwand zudem mit Gewindestangen verspannt sind und die „Kiste“ gleichsam in die Zange nehmen, erhöht die Stabilität der Konstruktion beträchtlich. Die mit Leder bezogene Vorderseite ist schön, einen akustischen Sinn vermag ich allerdings in dieser Maßnahme nicht zu erkennen. Anwenderfreundlich sind dafür wieder die vier in die Grundplatte eingelassenen Spikes, deren Höhe man von oben regulieren und sich somit allzu viel unerfreuliches Herumkriechen sparen kann. Übrigens ein Detail, das dankenswerterweise von der Vorgängerin übernommen wurde.
Die eingesetzten Chassis sind samt und sonders Eigengewächse. Die Zusammenstellung scheint einem Lehrbuch entnommen zu sein: Zwei große Tieftöner arbeiten auf ein gemeinsames Volumen, das eigentlich die gesamte Box einnimmt. Da sich zwei Treiber die Arbeit teilen, können es kleinere Membranen sein, die somit schneller zu bewegen sind und erst später aufbrechen.
Für einen detaillierten Mittenbereich mit nicht zu starker Bündelung benötigt man vor allem eines: einen kleinen Mitteltöner. Der in diesem Fall zehn Zentimeter durchmessende Vertreter geht daher als wirklich idealer Treiber für diesen Job durch. Klein, mit leichter, extrem steifer Membran (ein Nomex-Aluminum-Sandwich wie auch bei den Tieftönern) und einem besonders starken Antrieb ausgestattet, arbeitet er auf ein durch eine gedämpfte Kunststoffröhre genau definiertes Luftvolumen und wird auf diese Weise außerdem zuverlässig vor Einflüssen durch die Tieftöner bewahrt.
Ein Hochtöner sollte idealerweise besonders leicht sein, um auch höchsten Frequenzen gut folgen zu können, gleichzeitig aber über eine möglichst große Membranfläche verfügen, um nur wenig Hub absolvieren zu müssen, was Verzerrungen gering hält. Beherzigt man diese Regeln, landet man fast zwangsläufig bei einem Bändchen oder einem Air-Motion-Transformer (AMT). Spielte in der ersten Platinum-Serie noch ein Bändchen, kommt nun ein AMT zum Einsatz, der bei Monitor Audio „MPD“ (Micro Pleated Diaphragm) genannt wird. Der Hersteller reklamiert eine saubere Übertragung bis 100 Kilohertz, was rein rechnerisch stimmen mag. Ich kenne jedoch kein Messmikrofon, das bis in diese Höhen wirklich zuverlässig arbeitet …
Die Stereofonie und die Nutzung vieler Stützmikrofone soll der Musik von Gustav Mahler endlich die Befreiung gebracht haben, so wird immer wieder behauptet. Ist diese Musik mit all ihren Ideen, Ebenen und Farben doch so komplex, dass eine Aufnahme mit nur zwei Mikrofonen – die schon bei Kammermusik nicht richtig funktioniert – hier erst recht nicht zum Ziel führen kann. So viele Kanäle wollen beherrscht werden, und nicht jedem gelingt das in gleichem Maße.
Wie es sein sollte, beweisen die Konzertmitschnitte des Mahlerzyklus aus San Francisco mit dem San Francisco Symphony Orchestra und Michael Tilson Thomas. Die Tonmeister von Tritonus (siehe Reportage in FIDELITY Nr. 11, Ausgabe 1/2014) haben exzessiv mikrofoniert, um jeder noch so kleinen Nebenstimme gegebenenfalls zu ihrem Recht zu verhelfen, und sie schaffen es tatsächlich, dieses Biest von einem Aufnahme-Setup zu bändigen. Luftig und durchhörbar, mit einem weiten Frequenzbereich und immenser Dynamik ausgestattet, stellen diese CDs viele Anlagen vor ernsthafte Probleme. Denn eine solche Bandbreite von Frequenzen und Lautstärken muss gerade ein Lautsprecher erst einmal gleichermaßen natürlich darstellen können. Meist gelingt es nicht, und die leisen Stellen fallen in sich zusammen. Oder aber die lautesten Passagen klingen, als wäre nachträglich noch ein Kompressor in die Kette eingeschleift worden.
Die PL300 II geben sich hier keine Blöße und bauen den weiten Raum der Davies Symphony Hall auf einem knorrig-stabilen Fundament auf. Auch die aberwitzigsten Dynamikattacken des Orchesters parieren die Lautsprecher mit der Selbstverständlichkeit großer PA-Anlagen, ohne indes deren mitunter gewöhnungsbedürftige Tonalität zu imitieren.
Noch einmal zurück zum Raum: Der präsentiert sich hier nicht nur weit und tief, sondern auch überdurchschnittlich sauber eingeteilt, einzelne Musiker sind auch in den hinteren Reihen mit Leichtigkeit zu lokalisieren.
Wenn man beispielsweise den letzten Satz der Dritten Sinfonie ab der atemberaubend zarten Streicherstelle vor dem den Schluss einleitenden Bläserchoral hört und die immense Steigerung zum Ende hin durchlebt, wird es bei vielen Lautsprechern ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr wirklich lauter – im Sinne einer mühelosen Dynamik einzelner besonders lauter Töne über diesem immer mächtiger werdenden Teppich. Klar, es wird irgendwie schon lauter, vor allem aber dichter. Die Bandbreite innerhalb des Orchesters wird zum Fortissimo hin immer schmaler, was schlicht bedeutet, dass die dynamischen Reserven besagter Boxen erschöpft sind. Nicht so mit der Monitor Audio Platinum PL300 II. Ihre durchaus verblüffenden Fähigkeiten sollte man aber bereits vor dem Kauf bedenken und einen ehrlichen Blick auf den eigenen Hörraum werfen: Ist dieser im Bass problematisch, wird man mit der Monitor Audio einige Aufgaben lösen müssen, denn ihr dynamisches Potenzial liefert sie bis zu den Frequenzenden.
Eine weitere Hörrunde gibt es in meinem Studio, das mit seiner kontrollierten Akustik einen viel genaueren Blick auf Geräte erlaubt. Einige Probanden, die letztlich auch nicht den Weg ins Heft fanden, gaben im Wohnzimmer noch eine recht passable Figur ab, offenbarten allerdings im Studio sofort ihre Schwächen. Die Monitor Audio PL300, das zweitgrößte Modell der Platinum-II-Serie, verblüfft hier zunächst einmal mit einer beispielhaften Raumabbildung. Das neunköpfige Ensemble, das in der Kirche im belgischen Tessenderlo (Flandern) eine Viviani-Sonate spielt, wird ebenso glaubhaft abgebildet wie das lange Kirchenschiff, in dem die letzten Töne vor größeren Pausen verhallen. Die Auflösung der Lautsprecher gerade in den höheren Registern ist schlicht großartig, die feinen Obertongespinste der hohen Streicher und der Laute werden detailliert aufgeschlüsselt. In dieser sehr trockenen Akustik offenbart sich auch die Quelle des schon erwähnten Spaßfaktors: Im Grundton und auch darunter geht es eine Spur runder und saftiger als bei „Normalnull“ zu Werke, weshalb keine Aufnahme wirklich schlecht klingt. Jeder Datei wird etwas Speck auf die Rippen gezaubert, woraufhin man sich an nichts mehr stoßen kann. Die Art der Anreicherung zeugt aber vom Sachverstand der Entwickler, denn der etwas üppigere Bass zieht die Musik nicht nach unten, sondern federt locker voran. So wird bei der herrlich groovig aufgenommenen Bassdrum auf Al Jarreaus Studio-Live-CD Tenderness (von 1994) jede Schwerfälligkeit vermieden, und flockige Titel wie „Summertime“ können mit der ihnen eigenen Leichtigkeit perlen, ohne klanglich dabei ins Kühle abzudriften. Gleichzeitig bleibt zum Beispiel „Spain“ (auf dem Album This Time) trotz der intensiven Bassdrum-Arbeit von Steve Gadd durchsichtig, was zeigt, dass Monitor Audio hier eine wirklich gekonnte Abstimmung gelungen ist.
Mit dem Platinum PL300 II hat Monitor Audio einen wirklich großen Lautsprecher auf die fein justierbaren Füße gestellt, der einerseits sehr detailliert spielt, dabei andereseits aber nie zickig oder kühl wirkt, sondern alle Details in einen gut polierten Gesamtklang einbettet, der von der wirklich mühelosen Auflösung gerade in den mittleren und oberen Frequenzlagen herrührt. Und die Raumabbildung der PL300 II gehört zum Besten, was man derzeit kaufen kann.
Monitor Audio Platinum PL300 II
Funktionsprinzip: 3-Wege-Standlautsprecher, Bassreflex
Nomineller Wirkungsgrad: 90 dB/Wm
Nennimpedanz: 4 Ω
Bestückung: 2 x 20-cm-Tieftöner mit Nomex-Aluminum-Sandwich-Membran, 10-cm-Mitteltöner mit Nomex-Aluminum-Sandwich-Membran in eigenem Gehäuse (TLE = Tapered Line Enclosure), AMT(MPD)-Hochtöner
Übergangsfrequenzen: 500/3400 Hz
Besonderheiten: Treiberkonstruktion mit rückseitig verspannbarem Schraubgewinde, Bi-Wiring-Terminal, Spikes von der Oberseite einstellbar, einzeln abnehmbare Lochgitter
Ausführungen: Schallwand mit Lederbespannung, Gehäuse in Schwarz, Ebenholz oder Rosenholz, jeweils hochglanzlackiert
Größe (B/H/T): 44/112/52 cm
Gewicht: 55 kg
Garantiezeit: 5 Jahre
Paarpreis: 11 000 €
Mitspieler
Plattenspieler: Transrotor Apollon (modifiziert)
Tonarm: SME V
Tonabnehmer: Ortofon Cadenza
Phonoverstärker: iFi Micro iPhono
CD-Player: Mark Levinson 390S
Diverse DACs, Computer und Musikplayer
Verstärker: Lavardin IT
Lautsprecher: Diapason Adamantes 25th, Sky Audio Verdade, Spendor S3/5SE
Raum: 31 qm, akustisch mit Diffusoren und Absorbern modifiziert, um kurze Nachhallzeiten und weitgehend frequenzunabhängige Diffusion zu erzielen