Monitor Audio Platinum 100 3G
Wenn der erste Maat zum Skipper wird, dann weiß man, dass der Kahn in guten Händen ist. Bisweilen ist man dann aber doch überrascht, wenn die Reise in unerkundete Gewässer führt.
In aller Kürze:
Mit der Monitor Audio Platinum 100 3G schlagen die Briten einen völlig neuen Kurs ein: spritzig, straff und dennoch musikalisch.
Man möchte ja meinen, dass man sich am Monitor-Audio-Design sattgesehen hat – beim gemeinsamen Probelauschen mit Jens Ragenow vom deutschen Pannes-Vertrieb haben wir uns dann aber doch selbst eines Besseren belehrt: Bald standen wir alle um eine der beiden Platinum 100 3G versammelt, bewunderten hier die Intarsie auf dem Gehäusedeckel, da die zweifach unterbrochenen silbernen Ringe um die Treiber – und wie üblich dieses fantastische tiefglänzende Lackfinish. Keine Frage: Auch die neuen Monitor Audio Platinum 100 3G sind echte Hingucker. Ganz unvorbereitet waren wir auf den Anblick freilich nicht – wie Sie in der letzten Ausgabe bereits lesen konnten, haben uns die Pannes-Mannen vor nicht allzu langer Zeit einen Spontanbesuch mit der größeren Platinum 200 3G abgestattet, sodass wir die neue Generation schon mal ein wenig beschnuppern konnten. Und auch wenn wir darüber staunten, wie sehr relativ überschaubare kosmetische Veränderungen das Erscheinungsbild aufwerten können, ereilte uns der wirkliche Augenöffner erst bei der Hörprobe – was da an unsere Ohren drang, war ziemlich weit von dem entfernt, was wir erwartet hatten.
Die Platinum 100 3G zementiert nun diesen Eindruck. Was ich hier zu hören bekam, hat weniger mit den zahlreichen inkrementellen technischen Verfeinerungen zu tun, sondern vielmehr mit der Tatsache, dass Dean Hartley 2018, nach über 20 Jahren, das Entwicklerzepter an Michael Hedges überreicht hat. Hedges ist alles andere als ein Neuzugang – bereits seit 2007 bringt er sein talentiertes Händchen bei Monitor Audio ein. Er kennt die hauseigenen Technologien nicht nur in- und auswendig, er wird bei deren Entwicklung maßgeblich beteiligt gewesen sein. Mit dem auf der HIGH END 2022 vorgestellten Flaggschiff der Briten wurde Hedges gleich zu Beginn seiner Karriere die Ehre zuteil, ein State-of-the-Art-Objekt zu kreieren, das des 50-jährigen Jubiläums der Marke würdig ist. Im Monitor-Audio-Raum in München habe ich damals schon einen Vorgeschmack darauf bekommen, dass die Briten bei der klanglichen Abstimmung einen Kurswechsel vollziehen würden. Während die Concept 50 – die im Zuge ihrer Entwicklung zu „Hyphn“ umbenannt wurde – aussieht, als wäre sie von der Ladefläche eines intergalaktischen Frachtschiffs gefallen, stehen in unserem Hörraum nun wirkungsvoll modernisierte, aber doch sehr vertraut wirkende Lautsprecher. Die ersten Takte mussten dennoch erstmal sacken, allerdings wichen die etwas verwunderten Blicke rasch einer Melange aus grinsenden Mundwinkeln und wippenden Füßen.
Stille Revolution
Liest man sich die Liste der technologischen Entwicklungen durch, die die 3G von ihrer Vorgängerin unterscheiden, deutet zunächst alles auf eine Evolution des schon Dagewesenen hin. Wieso auch nicht: Schon die zweite Generation der Platinum-Serie brachte in beiderlei Hinsicht beste Anlagen mit. Im Hochton werkelt nach wie vor ein „Micro Pleated Diaphragm“-Hochtöner – Monitor Audios Spielart eines AMT-Treibers mit besonders geringer bewegter Masse. Bei der hier eingesetzten dritten Generation handelt es sich allerdings um einen von Grund auf neu entwickelten Treiber, der geradezu abenteuerliche Sphären jenseits von 60 Kilohertz erreicht und in besagtem HIGH-END-Prototypen erstmals eingesetzt wurde – die Flaggschiff-Technologie durfte also bereits auf die Platinum-Serie herabtröpfeln, noch bevor das Topmodell den Weg zur Serienreife findet.
Ebenso bekannt ist der grundlegende technologische Ansatz hinter dem 15-Zentimeter-Tiefmitteltöner, der für eine bestmögliche Kombination aus Steifigkeit (wichtig für eine kolbenförmige Membranbewegung) und Dämpfung (wichtig für die Unterdrückung von Resonanzspitzen) sorgen soll. Monitor Audio vertraut hier auf Hartmembranen, die die gewünschte Steifigkeit mitbringen, und züchtet ihnen mittels fortschrittlicher Materialforschung und einer cleveren Kompositstruktur ein exzellentes Dämpfungsverhalten an. Die Entwickler erreichen das, indem sie die Membranoberfläche aus einer keramikbeschichteten Aluminium-Magnesium-Legierung hauchdünn formen und auf eine wabenförmige Nomex-Trägerschicht aufbringen. Sieht man sich die parabolische Membranoberfläche aus der Nähe an, kann man tatsächlich das Hexmuster der darunterliegenden Strukturschicht erkennen. Auch hier profitiert die neue Kompakte von der im Rahmen des Jubiläumsprojektes durchgeführten Forschungsarbeit: Bei der neuesten Ausführung dieser Technologie sind auf der Membranrückseite jetzt noch zwei Kohlefaserschichten zur zusätzlichen Versteifung hinzugekommen. Der iterativen Verbesserungen Lohn sind um nochmals 8 Dezibel gesenkte Verzerrungswerte oberhalb von 300 Hertz.
Der Antrieb, der mit einem kräftigen Neodym-Magneten und einer kantengewickelten Unterhang-Schwingspule arbeitet, tut ein Übriges, um dem Mitteltöner beste Manieren mitzugeben. Dabei waren die Entwickler vor allem auf eine Erweiterung der Bandbreite nach oben hin aus, um einen möglichst geschmeidigen Übergang zum Tweeter zu ermöglichen. Die Trennfrequenz ist dabei mit 2,85 Kilohertz gar nicht allzu hoch angesetzt, allerdings – und das ist neu – gelingt der Übergang mittels elliptischer Filter, die direkt im Übergangsbereich mit flachen Flanken ansetzen, um einen homogenen Übergang zu schaffen, und daraufhin progressiv steiler werden, damit der Pegel zur Aufbrechfrequenz hin tief in die Sphären der Irrelevanz abtaucht. Dieser Designansatz des „erst sanft, dann hart“ braucht natürlich etwas mehr Platz auf dem Frequenzband als Filter, die von vornherein mit steilen Flanken rangehen, und da hilft es natürlich, wenn sich der Mitteltöner bis weit über den Crossover-Punkt zu benehmen weiß.
Damit dieses kontrollierte Schwingverhalten der Treiber zu 100 Prozent als saubere Schallabstrahlung hörbar wird und sich nicht etwa in Gehäusevibrationen umwandelt, haben sich die Briten die „Single Bolt Through“-Aufhängung einfallen lassen, die wir ebenfalls bei der Platinum 100 3G wiederfinden:
Der Tiefmitteltöner ist nicht wie üblich mit der Schallwand verschraubt, sondern über einen langen zentralen Bolzen mit der Rückseite des Lautsprechers. Auf ein definiertes Moment angezogen, wird das Chassis von hinten in seiner Position fixiert, während das Gehäuse durch die hierdurch entstehende Längsverspannung zusätzlich beruhigt wird.
Die Kopplung des Treibers an das Gehäuse erfolgt dabei nicht unmittelbar, sondern über eine Einfassung aus Aluminium, um jegliche auftretenden Vibrationen noch effektiver von der Schallwand fernzuhalten.
Ein bisschen Liebe, bitte!
Neben der Klangcharakteristik war das Erste, was unmittelbar nach dem Aufstellen auffiel, die Tatsache, dass die Platinum 100 3G kein Lautsprecher ist, den man einfach hinstellen und losrocken lassen kann. Ein gerüttelt Maß an Aufstellungsarbeit ist durchaus nötig, um ihr optimalen Klang zu entlocken. Zugegeben: Die Dimensionen unseres Hörraums grenzen für eine Kompakte dieser Größe natürlich schon an Mobbing. Mit ein bisschen Liebe und Zuwendung schlug sie sich am Ende aber mehr als ordentlich – und als Testprogramm sind wir direkt mit Sades „Soldier Of Love“ (Soldier Of Love) eingestiegen. Bald warfen uns die Kleinen die fetten Synthiebässe mit gehörig Schmackes entgegen. Dabei blieb das Klangbild so kontrolliert, der Bass so – verzeihen Sie mir mein Neudeutsch – tight, dass es die reinste Freude war. Auch im Hochton agiert die jüngste Generation frischer als bisher gewohnt – Hedges macht gar keinen Hehl aus der Tatsache, dass der Hochton direkt auf Achse einen ganz dezenten Anstieg zeigt, was mit sich bringt, dass neben den Wandabständen auch die Einwinkelung einen erheblichen Einfluss auf das Endergebnis zeigt.
Aus meiner Sicht ist das im Übrigen keine Schwäche – eher im Gegenteil: Zum einen bin ich bei HiFi-Angelegenheiten bisweilen leicht kontrollsüchtig, insofern weiß ich es tatsächlich zu schätzen, wenn eine Komponente mir klar mitteilt, wie zufrieden sie mit ihren Arbeitsbedingungen ist; so weiß ich stets, ob ich wirklich 100 Prozent dessen höre, zu dem das Setup imstande ist. Hinzu kommt, dass unkomplizierte Lautsprecher zwar, nun ja, unkompliziert sind – und das ist ohne Frage ein großer Vorteil –, aber eben unabhängig von der Aufstellung mehr oder minder gleich klingen. Ein Lautsprecher, der empfindlich auf die Aufstellung reagiert, bietet dagegen ein, zwei „Stellschrauben“, mit denen sich im Zusammenspiel mit den übrigen Komponenten und auch der Raumakustik die perfekte Klangbalance finden lässt. Angenehmerweise neigt der Tweeter trotz allem nicht zur Bissigkeit; abgesehen von den kratzbürstigsten Aufnahmen lässt sich selbst mittelmäßig produziertes Indie-Zeug auch über längere Zeiträume hinweg nicht nur ertragen, sondern macht dank des knackigen Rhythmusgefühls der Platinum-Lautsprecher sogar richtig Spaß.
Dass bei der Aufstellung auch wirklich alles richtig sitzt, konnte ich anschließend anhand von Agnes Obels „Avenue“ (Philharmonics) verifizieren. Wie die meisten ihrer Lieder ist auch dieses Stück äußerst effektreich und atmosphärisch sehr dicht produziert. Die Platinum 100 3G sind mit einem dicken Grundtongewaber ordentlich gefordert, haben aber dennoch zu keinem Zeitpunkt die geringste Mühe, bei den einzelnen Schallereignissen beste Ordnung zu halten – das hat mich schon ziemlich beeindruckt! Das Schöne ist, dass trotz aller Akkuratesse nichts von der Stimmung des Stückes verloren geht: Mit ein bisschen Hilfestellung von den angrenzenden Wänden füllt die Kompakte den Hörraum mit genau dem warmen, einhüllenden Klangfeld, für das man Agnel Obel eben einlegt.
Für alle, die den Monitor-Audio-Sound gewohnt sind, ist die Platinum-3G-Serie auf jeden Fall eine Umstellung. Waren die Platinum-Lautsprecher erst einmal richtig aufgestellt, hat es bei mir allerdings nicht lange gedauert, bis ich den neuen Charakter von Monitor Audio lieben gelernt habe. Auch als kompakte Monitor Audio Platinum 100 3G können sie immer noch einen Raum mit atmosphärischen Klangmassen füllen, bringen dazu aber ein bisher ungekanntes Maß an Lebendigkeit mit und folgen treibenden Rhythmen ebenso spielend wie trittsicher. Ich sehe hier ganz klar das erste Kapitel einer glänzenden Zukunft.
Info
Lautsprecher Monitor Audio Platinum 100 3G
Konzept: passiver 2-Wege-Kompaktlautsprecher, Bassreflex
Bestückung: 1 x MPD-III-Hochtöner, 1 x RDT-III-Tiefmitteltöner (15 cm)
Nennimpedanz: 4 Ω
Wirkungsgrad: 85 dB
Frequenzgang (−6 dB, Freifeld): 37 Hz bis > 60 kHz
Empfohlene Verstärkerleistung: 75 bis 300 W pro Kanal
Maße inklusive Bespannung (B/H/T): 23/40/32 cm
Gewicht: 15,2 kg
Garantiezeit: 5 Jahre
Paarpreis: um 5500 €
Kontakt
Pannes Vertriebs KG
Berliner Straße 3
23795 Bad Segeberg
Mitspieler
CD-Player: Audio Note CD 3.1x
Mediaplayer: T+A MP 200, Lumin P1
Vorverstärker/DAC: T+A DAC 200
Endverstärker: Monoblöcke T+A M 200, Luxman M-10x
Vollverstärker: Aavik I-580, Serblin & Son Frankie, Trigon Exxceed
Lautsprecher: Audiovector QR7, DALI Epicon 6, Quadral Chromium Style 105
Kabel: AudioQuest, HMS, Vovox
Rack: Finite Elemente, Solidsteel