Vorab eine kleine Warnung. Dieser Text ist als Argumentationsgrundlage gegenüber Haushaltsbudgetverantwortlichen bzw. Lebensabschnittsgefährtinnen absolut ungeeignet und darf keinesfalls in deren Hände geraten. Er wird sich daher nach der Lektüre halbautomatisch vernichten. Verbrennen Sie ihn hierzu bitte vollständig und verstreuen Sie die Asche an drei verschiedenen Orten Ihrer Wahl (beispielsweise Südpol, Himalya und Nordpol), um seine Rekonstruktion zu erschweren.
Illustration: Ralf Wolff-Boehnisch
Liebe Leidensgenossen, als Vollblut-Musikliebhaber sind wir uns in einem Punkt doch einig: Dieses ganze HiFi-G’lump ist nur notwendiges Mittel zum Zweck. Sobald die Musikanlage so klingt, wie wir uns das vorstellen, also spätestens in ein bis zwei Wochen, wird nur noch Musik genossen, die HiFi-Postillen werden abbestellt und die „Anonymen Audiophilen“ müssen sich zukünftig woanders treffen. Es gibt da aber noch das kleine Problemchen, dass unsere individuelle Vorstellung vom perfekten Klang ein bewegliches Ziel ist, das nicht nur von Hörer zu Hörer variiert, sondern sich zudem durch neue Eindrücke und die persönliche Befindlichkeit ständig ändert. Mal steht man eher auf einen Sound, der alle Details wie auf einem blank polierten Silbertablett darbietet, mal geht einem genau diese Detailflut auf den Wecker und ganzheitliches Genießen ist angesagt. Porsche oder Ferrari? Cabrio oder Van? Blaue oder schwarze Jeans? Highender drängt man zu Entscheidungen, während in anderen Lebensbereichen die zweite Garnitur längst akzeptiert ist. Es sei doch unmöglich, zwei Musikanlagen gleichzeitig zu nutzen. Stimmt, mit zwei Autos oder Hosen geht das ja! Was spricht also dagegen, sich eine Zweit- oder gar Drittanlage aufzubauen, um auf diese Weise alle klanglichen Facetten unseres Ego zu befriedigen? Geben Sie es ruhig zu, insgeheim haben Sie doch schon immer davon geträumt.
Bei mir begann alles damit, dass ich mir einfach mal so ein Paar aktive Nahfeldmonitore ins Haus holte. Nicht, dass ich mit meinen passiven Lautsprechern damals unzufrieden gewesen wäre, aber man ist ja neugierig. Die neuen eröffneten einen tieferen Einblick in die Aufnahme, erforderten aber auch meine ungeteilte Aufmerksamkeit beim Musikhören, und dazu habe ich weder immer Lust noch die notwendige Energie. Dann sind mir meine alten lieber, die es entspannter angehen lassen und das Thema Wiedergabe nicht ganz so eng sehen. Außerdem sehen sie besser aus, und das Auge hört ja bekanntlich auch mit. Was also tun?
Zuerst dachte ich, dass ich mir einfach mehr Zeit gönnen müsste für die endgültige Entscheidung für diesen oder jenen Lautsprecher, aber an meinem Grundproblem änderte sich in der Folge nichts – keiner der Kandidaten konnte sich eindeutig durchsetzen. In der Zwischenzeit sehe ich die Sache entspannter, wechsele in regelmäßigen Abständen hin und her und habe Spaß dabei. Das geht jetzt schon seit einem Jahr so, und ich habe beschlossen, dass beide Lautsprecher bleiben dürfen. Wieso soll ich mich zu einer Entscheidung zwingen? Es soll ja sogar Menschen geben, bei denen sich die Schuhe im Schrank stapeln, ohne dass ihnen dies schlaflose Nächte bereitet.
Da es sich bei meinen Boxen um handliche Exemplare handelt, ist der Umbau innerhalb von wenigen Minuten vollzogen. Die Kabel und andere notwendige Gerätschaften wie Endverstärker stehen zum sofortigen Umstecken bereit. Die dadurch latent vorhandene Unordnung stört in meinem Spielzimmer niemanden und schreckt zudem unwillkommene Saubermacher ab.
Der Herr Chefredakteur, selbst bekennender Zweitanlagenbetreiber, bemerkte kürzlich, dass solche Anlagen voll im Trend liegen. Da fühle ich mich doch gleich viel besser, so nah am Puls der Zeit.
PS: Sollten Sie oder jemand aus Ihrer Spezialeinheit bei der Beschaffung einer Zweitanlage gefangen genommen oder getötet werden, wird der Verfasser jegliche Kenntnis dieser Operation abstreiten. Diesen Text werden Sie nach fünf Sekunden selbst vernichten. Viel Glück. Kobra