Michael Spitzer – Eine musikalische Geschichte der Menschheit
Dieses faszinierende 500-Seiten-Buch erzählt nicht die Geschichte der Musik, sondern vielmehr ihre Sozialgeschichte. Der britische Musikprofessor Michael Spitzer hat dafür eine Unzahl spannender Fakten und Theorien zur globalen Musikpraxis zusammengetragen.
Seine Darstellung schildert die Rolle der Musik a) im individuellen Leben, b) im Kommen und Gehen der Kulturen und Weltreiche und c) in der Evolution vom Tier bis zur Künstlichen Intelligenz. Staunend liest man von der musikalischen Akustik der Steinzeithöhlen, dem Musikhören als innerem Reise-Erlebnis, dem Zusammenhang zwischen Zuckereinfuhr und Terztheorie oder zwischen Sesshaftigkeit und Musikstück.
Ein durchgängiges Thema des Buches ist die globale Perspektive auf die sonderbare Entwicklung der europäischen („klassischen“) Musik. Ihre Stärken sind Notation, Harmonie, Vertikalität. Ihre Schwäche: eine zunehmende Entfremdung zwischen Musikausübenden und Musikrezipienten. Die mathematisch geregelte, kalte und mechanistische Polyphonie des Westens erscheint hier als ein kruder Spezialfall in der Welt der Musik. Damit verbunden sind ein autoritäres Orchestermodell, die Dynamik von Fortschritt und Machtkampf, die Verdrängung des Alten und Fremden. Der kolonialistische Impuls, das legt Spitzer nahe, ist im Grunde schon in der westlichen Tonalität angelegt. Hingegen sind Musikkulturen dann am lebendigsten, „wenn sie synkretistisch sind“ – also das Beste aus Verschiedenem in sich vereinigen.
Michael Spitzer – Eine musikalische Geschichte der Menschheit bei Riva