Süddeutsche HiFi-Tage 2022
Nach drei Jahren trifft man sich endlich wieder im Stuttgarter Holiday Inn auf den SDHT 2022 – erstaunlich entspannt und bei bester Laune. Der FIDELITY-Messebericht zu den Süddeutschen HiFi-Tagen 2022.
Im Vorfeld der Süddeutschen HiFi-Tage hatte ich mir schon ein wenig Gedanken gemacht: Schließlich reden wir immer noch von der ersten Veranstaltungsrunde nach der pandemiebedingten Pause, es herrschten hochsommerliche Temperaturen, und dann ist da noch der kurze Abstand von gerade mal zwei Wochen zum norddeutschen Pendant – die Vorbedingungen waren also, sagen wir, herausfordernd. Gemeinsam mit den Kollegen Ingo Schulz und Carsten Barnbeck machte ich mich auf den Weg in die Stuttgarter Peripherie und erlebte – so viel sei vorab verraten – eine mehr als positive Überraschung.
Gewichtigen Anteil am Gelingen der Veranstaltung hatten einmal mehr Ivonne Borchert-Lima und ihr Team. Viele Jahre organisieren sie bereits die NDHT in Hamburg, und auch die Süddeutschen HiFi-Tage fanden bereits zum dritten Mal im Holiday Inn statt. Dementsprechend gut waren sie auf die Location vorbereit und ganz offensichtlich versiert darin, eine Hotelmesse erfolgreich durchzuorganisieren. Ähnlich sah es bei den meisten Ausstellern aus, die wussten, was sie vom Hotel zu erwarten hatten. Und so wirkte der Aufbau bereits am Vorabend weitestgehend abgeschlossen, lediglich letzte kleine (und einige größere) Vorbereitungen mussten noch getroffen werden: So staunten wir zum Beispiel nicht schlecht, als vier Mann mit einer mehrere Quadratmeter großen, massiven Marmorplatte an uns vorbeirollten – da schien jemand Großes vorzuhaben!
Abends füllte sich die Bar, die Aussteller fanden sich zum gemütlichen Plausch zusammen. Die einzige Unbekannte waren die Besucher, ohne die freilich keine Messe funktionieren kann. Und die ließen nicht auf sich warten: Wenige Minuten, nachdem das Holiday Inn am Samstag um 10 Uhr seine Pforten geöffnet hat, ist die Messe mit Leben gefüllt.
Es ist undankbar, doch zeigt sich die Qualität einer guten Organisation oft in Details, die man nur allzu gern übersieht: Niemand muss hier lange nach dem Hallenplan suchen, der direkt am Eingang hundertfach ausliegt. Und selbst ohne das kleine Heft kann man sich dank klarer Ausschilderung gut zurechtfinden. Entsprechend schnell verteilen sich die ersten Besucher: Man lauscht den Anlagen und Vorführungen von bekannten Größen, Exoten und Newcomern oder trifft sich anschließend in dem gut frequentierten Café des Hotels oder im „Biergarten“, der leise Erinnerungen an die HIGH END in München weckte. Überall tauschen Besucher bei Kaffee, Kuchen oder Käsespätzle ihre Erfahrungen aus und diskutieren über das gerade Gehörte. Eine vergleichbar entspannte und familiäre Atmosphäre kann sich bei einer großen Hallenmesse einfach nicht einstellen. Dimensionen und Anzahl der Aussteller waren dieses Jahr selbstredend etwas kleiner als noch 2019, doch das brachte einen merklichen Vorteil: Auf meinem Weg durch die Zimmer und Säle der Aussteller dämmert mir schnell, dass die Messe an den beiden Tagen bequem zu schaffen ist. Automatisch verlangsame ich meinen Schritt, nehme beinahe in jedem Raum Platz und höre mir mehrere Titel über die Systeme und Ketten an. Diese Muße scheint sich auch bei allen anderen Besuchern eingestellt zu haben. Alle wirken entspannt, und es kommt praktisch nie zur Bildung von „Pfropfen“ in den Eingängen der Zimmer, weil manche „einfach nur kurz die Nase reinstecken“ möchten.
Bevor ich mich aber in das Gewusel in den regulären Hotelzimmern stürze, lasse ich mich von den großen Konferenzräumen des Hotels ködern, die im Bereich hinter dem Speisesaal ringförmig angeordnet sind. Besonderen Eindruck macht auf mich der Konferenzraum „Vargas“. Als ich ihn betrete, spielt Voxativs 9.88 gerade eine Orgelaufnahme. Die Klänge verleihen dem hohen Raum mit seinen langgestreckten Fenstern beinahe die Anmutung einer Kathedrale, die Anlage scheint regelrecht zu atmen und kann zeigen, zu was für einer Bühnenabbildung ein gut abgestimmtes, um einen Breitbänder herum entwickeltes System fähig ist. Die 9.88 basiert auf der bekannten 9.87 (hier finden Sie den Test), die sich aus einem Mittelhochtonmodul mit besagtem Breitbandtreiber und einem aktiven Ripol-Subwoofer zusammensetzt, und rundet das Konzept mit einem Grundtonmodul ab, das die Brücke zwischen den beiden Frequenzzweigen schlägt und für einen deutlich griffigeren, körperhafteren Gesamteindruck sorgt. Ein Voxativ T-805, der aus der namensgebenden Triode 30 Single-ended-Watt pro Kanal mobilisiert, liefert standesgemäßen Antrieb. Was mir direkt auffällt, ist, wie gut der Raum funktioniert. Hier und auch bei allen anderen Vorführungen höre ich deutlich, dass die Aussteller im Stuttgarter Hotel mit statt gegen die Raumakustik arbeiten können. Ein gewichtiges Pfund, mit dem die Süddeutschen HiFi-Tage wirklich wuchern können.
Weiter geht es zu „Monet“ nebenan, wo sich die Audio Group Denmark eingerichtet hat. Auch dieser Raum ist optisch die Wucht: Eine große Leinwand hinter der Anlage versetzt mich nach Aalborg, wo ein spektakulärer Sonnenuntergang für eine farbenfrohe Kulisse sorgt, während ich mich von einigen der besten Komponenten aus der HiFi-Weltmacht Dänemark beschallen lasse. Besonders beeindruckt mich die X Speaker Series, eine neue Lautsprecherbaureihe, die den von Børresen bekannten hervorragenden Klang in eine erreichbare Preisklasse transportieren soll.
Mit separaten Gehäusen und DSP-basierten Weichen setzt Lyravox wie kaum ein anderer Aussteller auf Kontrolle in allen Belangen. Trotz der schon sehr guten Ausgangslage ließ man es sich aber dennoch nicht nehmen, die Stärken des vollaktiven Hünen Karl 2 inklusive Raumanpassung auszuspielen: Penibel auf die Raumakustik ausgemessen, bot mir der Turm eine herausragend durchhörbare Performance dar.
Audio Reference hatte sich mit „Botticelli“ den größten Raum des Hotels gesichert, und das aus gutem Grund: Zugezogene Vorhänge sorgen hier für herrlich gedämmtes Licht, das die Vorführung zum Kino für die Ohren macht. Flankiert von hochkarätigen Exponaten habe ich die Wahl zwischen zwei Weltklasse-Setups: Wilson Audios Sasha DAW an Dan D’Agostino oder die Perlisten S7t an Elektronik von Krell. Der junge Hersteller hat vor allem mit Heimkino-Meriten von sich reden gemacht – allerdings kann ich mich hier wieder einmal davon überzeugen, dass die Lautsprecher dank ihrer clever gesteuerten Abstrahlcharakteristik auch und gerade im Stereobetrieb beeindruckend kontrolliert und sauber aufspielen.
Auf der Suche nach weiteren betörenden Anlagen wende ich mich anschließend den vom Erdgeschoss bis in den zweiten Stock verteilten kleineren Räumen zu. Superb abgestimmte Ketten finde ich dort mehr, als ich an dieser Stelle aufzählen könnte. Erst im Nachhinein fällt mir auf, dass ich in einigen Räumen deutlich länger als nur ein oder zwei Stücke lang sitzen blieb. Ein Gespann aus Harbeths Monitor 30.2 XD und dem Manley-Röhrenverstärker Stingray II etwa fesselte mich mit seiner großartig natürlichen Tonalität.
Das mag allerdings auch an der hervorragenden Moderation von Input Audio-Vertriebsinhaber Bernd Hömke gelegen haben, der mit seinem Auditorium einen regelrechten Dialog über die aufgelegten Schallplatten und deren Klangqualitäten führte. Ebenso fesselte mich die Kombination aus Lautsprechern von Verity Audio, einem TW-Acustic-Plattenspieler und feinen Blues-Platten im Raum von Sieveking Sound. Übrigens die einzige Anlage, die selbst die Mehrfachleiste (bestückt mit Cardas-Strippen) als Sehenswürdigkeit inszenierte.
Im zweiten Obergeschoss führt mir Buchardt seine aktive Kompakte A500 vor, die bei einem Preis von deutlich unter 4000 Euro als Komplettsystem gelten darf, das sich ganz simpel per Smartphone ansteuern lässt. Verblüfft verweile ich auch im AcouLab-Raum: Mit DSP-Zauberei und einer Sensorregelung für den Tiefmitteltöner kitzelt der Newcomer verzerrungsfreie 25 Hertz aus seiner Kompakten Première S. Und schließlich klärt sich für mich bei Houchmand das Mysterium der massiven Marmorplatte: Zwei solcher Platten bilden hier das exakt auf die Zimmerbreite maßgeschneiderte Fundament, auf dem sich das System aus Streamer und Aktivlausprechern unbehelligt von jeglichen Bodenvibrationen präsentieren kann.
Für mich steht fest: Die Stuttgarter HiFi-Tage machen richtig gute Laune! Gemütlich und entspannt geht es hier zu, aber Langeweile muss man zu keinem Zeitpunkt befürchten. Dass die Messe nach drei Jahren Zwangspause direkt wieder zu alter Stärke gefunden hat, ist eine beachtliche Leistung der Veranstalter und lässt optimistisch in die Zukunft blicken. Ich freue mich jedenfalls schon auf das nächste Mal in Stuttgart.