Manger P2 – Die Reifeprüfung
Der Stern der Manger erhebt sich in unbekannte Galaxien. Schnell, folgen Sie ihm!
Fotografie: Ingo Schulz
Die Welt ist voller Höchstleistungen. Es gibt technisch herausragende Produkte, deren Hersteller als sogenannte Hidden Champions den Weltmarkt anführen. Da ist der deutsche Mittelstand mit seinem Erfinderreichtum unschlagbar, selbst wenn sich Twitter-Donald noch so darüber ärgern mag. Es gibt auch Höchstleistungen im Marketing, die durchschnittliche Produkte trotzdem ausgezeichnet verkaufen. Ist der HiFi-Zirkus dafür anfällig? Zumindest eine Frage zum Nachdenken. Und es gibt die kleinen, aber feinen Manufakturen, die ihre Idee abseits der Marketing-Maschinerie über Jahrzehnte verfeinern und auf ein immer höheres Niveau führen. Jetzt sind wir im Thema: die Firma Manger Audio.
Die Lautsprecher dieser Manufaktur aus dem beschaulichen Mellrichstadt nördlich von Würzburg sind fast jedem Audiophilen ein Begriff. Der Unternehmensgründer Josef Manger entwickelte über Jahrzehnte seinen nach ihm benannten bionischen Wandler mithilfe von bahnbrechenden Versuchsreihen. Seit einigen Jahren hat Daniela Manger (ebenfalls gelernte Elektroakustikerin) das Ruder fest in ihrer Hand und mit dem Mangerwandler ein echtes Alleinstellungsmerkmal am Markt. Früher war man auch als OEM-Lieferant für einige andere Lautsprecherhersteller tätig. Das ist vorbei. Heute findet man diesen Ausnahmewandler exklusiv nur in Produkten von Manger Audio. Gut so, denn so schützt man seinen Markenkern.
Auf meinem persönlichen HiFi-Radar ist Manger vor vier Jahren auf der Münchener Messe erschienen, als ich die aktive S1 erstmals dort hören konnte. Der vollkommen unartifizielle Klang der Manger-Lautsprecher hat mich sofort für sich eingenommen, da Langzeiteignung für mich einen hohen Stellenwert hat. Die hier vorgestellte neue P2 soll die HiFi-Klientel bedienen, die weiterhin ihre Kette passiv betreiben will – sei es, weil man Vorbehalte gegenüber der Aktivtechnik hat oder weil man die Feinjustierung mit Endstufe und Kabel vorzieht. Laut Daniela Manger wünschten sich auch einige Kunden mehr Energie im Tiefton, so wie bei der aktiven S1. Also machte sich das Manger-Team mit diesen Zielkoordinaten ans Werk.
Befassen wir uns zunächst mit dem Design. Manger hat über die gesamte Produktlinie eine Designsprache entwickelt, in der ich die typisch deutsche Schlichtheit in bester Bauhaus-Tradition wiederfinde. Eine zweckmäßige Gestaltung ohne Ornamentik. Das passt in jedwede Umgebung und ist immer ein Ruhepol für das Auge. Die Abmessungen der P2 entsprechen exakt denen der P1 wie auch der S1. Das bereits resonanzarm entwickelte Grundgehäuse war sinnvollerweise auch für die P2 gesetzt – so können Kosten eingespart werden und der Preis für den Endverbraucher bleibt in erreichbaren Dimensionen. Das Erkennungsmerkmal eines jeden Manger-Lautsprechers ist der sternförmige obere Treiber, der sogenannte Mangerwandler. Dieser Stern weckt bei fast jedem Besucher reges Interesse, auch bei denen, die mit HiFi nichts am Hut haben.
Aber dieser Mangerwandler sieht nicht nur spektakulär aus, die einzigartige Mittelhochtoneinheit hat es auch faustdick hinter der Membran. Da in meinem Ingenieursstudium das Fach Elektrotechnik bzw. -akustik nicht unbedingt den Schwerpunkt darstellte, maße ich mir nicht an, die Technik dieses Wandlers durchdringend zu erklären. Zwei Dinge wissen aber auf Anhieb auch einen fachfremden Ingenieur zu überzeugen. Erstens: Der Mangerwandler muss im Gegensatz zu klassischen dynamischen Treibern keine Hubarbeit leisten. Das Wort „Arbeit“ suggeriert immer Anstrengung und Fehlertoleranz, finden Sie nicht auch? Und zweitens: Der gesamte Frequenzbereich ab 340 Hertz aufwärts wird zentral von einem Wandler abgebildet und nicht wie bei fast allen anderen Mehrwegkonzepten in dem für das Ohr kritischen Bereich zwischen 1400 und 2200 Hertz zwecks Übergabe an den nächsten Treiber unterbrochen. Das sind schon mal hervorragende Ausgangspositionen für ein ausnehmend gutes Zeit- und Impulsverhalten. Der Mangerwandler gehört der Kategorie Biegewellenwandler an und ist ernsthafter Maschinenbau. Er wiegt beachtliche 1,2 kg. In dieser Gewichtsklasse trifft man sonst nur eher exotische Mittelhochtöner. Die Luft wird durch Impulse der Flächenmembran angeregt, die wellenartig vom Membranzentrum zu dessen Rand verlaufen. Laut Daniela Manger diente die Natur als Vorbild, denn die Basilarmembran im menschlichen Innenohr arbeitet nach dem gleichen Wellenprinzip wie der Mangerwandler. Die Firmenchefin sieht darin die einzige Möglichkeit, gleichzeitig ein ideales Zeit- und Frequenzverhalten über einen großen Frequenzbereich mit einem relativ kleinen Membrandurchmesser zu realisieren. Der Stern des Mangerwandlers ist folglich auch kein Design-Gimmick, sondern wirkt dämpfend am Rand der Membran und unterdrückt damit Partialschwingungen. Die Impulswellen müssen dort bestmöglich in Wärme umgewandelt werden, damit sie nicht zurücklaufen und sich mit ankommenden Wellen überlagern. Dieses Faktum ist wichtig für Impulsstabilität, Effizienz und Bewältigung hoher Pegel. Anforderungen, die Manger nach Jahrzenten der Entwicklung mittlerweile mit Bravour erfüllt: 112 Dezibel maximaler Schalldruck sind der unüberhörbare Beweis dafür. Der Mangerwandler gilt mittlerweile als „zu Ende entwickelt“, bahnbrechende Verbesserungen sind nicht mehr zu erwarten. Welcher Hersteller kann das von seinem Kernprodukt sonst noch behaupten? Der Mangerwandler könnte bis an seine untere Grenzfrequenz von 150 Hertz spielen, wird in der P2 aber bereits bei 340 Hertz getrennt. Im Zuge der Entwicklung stellte sich dieser Wert als idealer Übergangspunkt heraus. Die Weiche enthält durchweg edle Bauteile, etwa von Mundorf, und der Tieftöner stammt wie die rückwärtigen Passiv-Radiatoren aus deutscher Produktion. Früher und in den anderen Manger-Lautsprechern sind skandinavische Tieftöner von Scan-Speak verbaut. Den neuen Hersteller hat Daniela Manger mir nicht verraten, doch sie ist regelrecht begeistert von ihrer Entdeckung dieses Treibers, da er so vorzüglich zur P2 passe. Insbesondere die Impulswiedergabe dieses Tieftöners, der mit der phänomenalen Geschwindigkeit des Mangerwandlers Schritt halten kann, hat die Entwickler überzeugt. Manger verspricht eine lediglich 24-stündige Einspielzeit, bevor die P2 ihre Reife und ihr volles Leistungsvermögen erreicht. Toll, andere Hersteller veranschlagen bisweilen hunderte Stunden dafür. Darüber hinaus pflege ich eine gewisse Vorliebe für geschlossene Gehäuse; gewaltige Bässe lassen sich damit zwar nicht entfesseln, dafür ist die Kontrolle meist höher als bei ventilierten Konzepten. In diesem Punkt – so viel sei hier schon verraten – kann sich die P2 mit den Besten ihrer Zunft messen.
Sobald mich ein Lautsprecher dazu einlädt, ein bestimmtes Genre oder eine Künstler-Diskografie zu durchforsten, ist das per se eine richtig gute Wegmarke auf dem Weg zur positiven Beurteilung. Im Zuge dieses Testberichtes habe ich mich intensiv in das Œuvre Brian Enos versenkt, nachdem ich im Radio zufällig von dessen 70. Geburtstag erfahren hatte. Eine ganze Reihe Eno-Tonträger fristen ein größtenteils tristes Dasein in meinem Musikregal. Ungerechtfertigt natürlich, wie ich mir im Zuge der jetzigen Beschäftigung mit diesem Innovationsgenie schuldbewusst eingestehen muss. Eno war zwar immer irgendwie in meinem persönlichen Musik-Kosmos verankert, doch bei näherer Betrachtung staune ich nun gewaltig. Schauen Sie sich nur mal die unglaubliche Diskografie und Projektarbeit dieses Ausnahmemusikers an: Cluster, Roxy Music, David Bowie, Talking Heads, Peter Gabriel, U2, Coldplay sind nur ein paar Headliner. Er hat viele Künstler aus der musikalischen Sackgasse geführt, wenn sie sich irgendwie neu erfinden wollten oder schlicht mussten. Nur Eno konnte das leisten. Er genießt Guru-Status in der Szene wie kaum ein Zweiter.
Viel interessanter ist für mich jedoch, mit welch bemerkenswerter Ausdauer er seine visionären eigenen Alben – besser: Kunstobjekte und Installationen – verfolgt. Er hat 1978 mit Ambient 1: Music For Airports nicht nur die Ambient Music erfunden, sondern auch bisweilen wirklich sperrige und sprachlos machende Werke geschaffen. Die Manger P2 gewährt mir mit Freude Einblick in diesen Kosmos, feinzeichnend und absolut kohärent in der Raumstaffelung. Nichts, aber auch gar nichts strengt meine Ohren bei diesem regelrechten Lautsprecher-Stresstest an, im Gegenteil, das Thema zieht mich wie magisch immer tiefer hinein. Eno hat einmal gesagt, dass er Musik zu seiner eigenen Entspannung komponiert. Sie soll helfen, sich dorthin zu imaginieren, wo man gerne wäre, aber nicht ist. Das transportiert die P2 in hervorragender Weise. Eine meiner privaten Hymnen, die Talking Heads mit „Once In A Lifetime“, beschließt das Thema Brian Eno, und ich schicke mich an, die allgemeine Genre-Tauglichkeit der P2 unter die Lupe zu nehmen. In der Klassik halte ich mich dazu gerne an Schostakowitschs Fünfte Sinfonie, am liebsten in der Vinylfassung des Minneapolis Symphony Orchestra (Mercury Living Presence Records SR90060). Die P2 folgt allen Dynamiksprüngen mit auffälliger Gelassenheit und atemberaubender Geschwindigkeit. Immer noch zeigt sie sich frei von jeglichem Eigenklang. Das ändert sich auch nicht, als ich zu schwerer verdaulichem Material greife: (Post-)Metal von Isis oder Progrock von Porcupine Tree – die P2 nimmt, was kommt. Auch aktueller Dada-Pop auf Teatime Dub Encounters, einer Kollaboration von Underworld mit dem großen Iggy Pop, macht richtig Spaß. Die Vorteile dieser konzeptionellen Minimalsysteme wie Loslösung vom Lautsprecher und Ortbarkeit bzw. zeitrichtiges Abstrahlverhalten sind hier mit Händen zu greifen.
Die P2 blendet Raumeinflüsse zwar nicht aus, scheint aber auch mit schwierigen Räumen gut zurechtzukommen. In meinem karg möblierten, großen Wohnzimmer ist indirekter Schall von Raumreflexionen ein latentes Problem, die P2 produzierte allerdings auch bei höheren Pegeln keine störenden Überlagerungen. Da bin ich von meinen Thiel CS 3.7 oder manch anderem Lautsprecher anderes gewohnt. Üblicherweise platziere ich Lautsprecher mit großer Basisbreite und stark auf den Hörplatz eingewinkelt, diese Konfiguration passte auch für die P2 gut. Mit dem Abstand zur Rückwand lohnt sich in jedem Raum Geduld beim Ausprobieren, gerade wenn wie hier rückwärtige Passivstrahler die Basskontur unterstützen. Mein Geschmackskorridor lag bei 60 bis 100 Zentimeter.
Bei der Verstärkerwahl gilt es umsichtig zu entscheiden. Manger Audio empfiehlt ausdrücklich schnelle Verstärker mit hoher Bandbreite, am besten über 150 Kilohertz, um den schnellen Treibern der P2 Herr zu werden. Es muss nicht zwingend ein Megahertzverstärker von Spectral sein, nein, schnell und stabil, da sollte der Fokus liegen. Ich habe zunächst mit der SPL Performer 800e hervorragend gearbeitet. Aber mit der formidablen Pass XA25 ging es für meinen Geschmack noch besser. Eine Röhre hatte ich gerade nicht zur Hand, schade, hätte ich gerne mal ausprobiert.
Die P2 hat ihre Reifeprüfung mit Bravour bestanden. Dass sie im Bass keine Wunder vollbringt, weiß auch Daniela Manger und rät zu einem Subwoofer. Meinethalben, wer’s unbedingt braucht. Ich hingegen bevorzuge diese unnachahmliche, unaufdringliche Langzeitqualität der P2. Manch einer wird beim Titel Die Reifeprüfung sofort an den bahnbrechenden Film von 1967 gedacht haben. Kurzer Mini-Plot: Der College-Absolvent Benjamin Braddock, gespielt von Dustin Hoffmann, geht nacheinander zwei „verbotene“ Beziehungen ein, zunächst die zu einer verheirateten Frau (Mrs. Robinson), dann die zu ihrer Tochter (Elaine). Der Film war damals revolutionär, bewegte die Gesellschaft und stellte starre Vorstellungen sowie Weltfremdheit in einem ganz neuen Licht dar. Übertragen auf die Manger P2 meine ich damit, dass Sie mit diesem Produkt eine ganz besondere Beziehung eingehen können – sofern Sie sich trauen. Nicht weltfremd und auch nicht starr, sondern emotional und definitiv einmalig.
Allen, die immer noch unschlüssig zögern, unterbreitet Manger Audio ein verlockendes Angebot, um schon vor dem Kauf eine Beziehung auf Probe einzugehen: Für 160 Euro stellt Ihnen das Unternehmen die P2 für zehn Tage unverbindlich zu Hause hin, die Lautsprecher werden angeliefert und wieder abgeholt, ohne dass Sie sich um etwas kümmern müssten. Mit ein wenig Glück macht Daniela Manger das sogar persönlich, dann gehe ich allerdings davon aus, dass Sie ihr als FIDELITY-Leser mit Manieren nach Kräften zur Hand gehen. Ich bin mir sicher, dass danach der finale Gang zum Manger-Händler auf Ihrer To-do-Liste steht.
Wenn für Sie Zeit- und Impulsverhalten sowie die Übermittlung der inneren Spannung der Musik oberste Priorität genießt und Sie in längeren Zeiträumen denken, dann kann ich Ihnen ein intensives Probehören der Manger-Lautsprecher nur wärmstens ans Herz legen. Ob S1, P1, C1 oder das hier besprochene passive Familienoberhaupt P2, das ist fast einerlei, Budgetrahmen und räumliche Bedingungen sind die entscheidenden Faktoren. Die P2 hat das Potenzial, zum Ziel einer langen Reise werden zu können. Jetzt fehlt nur noch die persönliche Reifeprüfung.
Standlautsprecher Manger P2
Funktionsprinzip: 2-Wege-Standlautsprecher, Reflexkonstruktion mit 2 Passivmembranen
Frequenzbereich: 30 Hz–40 kHz
Wirkungsgrad: 89 dB/W/m
Nennimpedanz: 8 Ω
Übergangsfrequenz: 340 Hz
Maximaler Schalldruck: 112 dB
Bestückung: Mangerwandler (Mittelhochton), 20-cm-Tieftöner, 2 x Passivmembranen
Ausführung: alle RAL- und NCS-Farben seidenmatt, Furnier oder UltraHigh Gloss
Anschlüsse: Bi-Wiring-Terminal mit WBT-Polklemmen Nextgen Cu
Besonderheiten: SAM-Processing ist verfügbar, 10 Tage unverbindliche Probezeit (160 €)
Maße (B/H/T): 27/114/21 cm
Gewicht: 32 kg
Garantiezeit: 5 Jahre
Paarpreis: ab 12 800 €