Magnepan 20.7
Unter den besten Lautsprechern der Welt ist die Magnepan 20.7 ein Phänomen: eine über Jahrzehnte zur Perfektion gereifte Legende.
In aller Kürze:
Ein ausgereifter Großlautsprecher für Connaisseure, die Platz haben. HiFi-Aspekte verlieren mit ihr alle Bedeutung, die Magnepan 20.7 zelebriert Homogenität und ordnet sich der Musik unter.
Über Magnepan schreiben bedeutet, in Erinnerungen zu schwelgen. Sommer 1991, das 200. Todesjahr von W.A. Mozart: meine erste Begegnung mit Flächenstrahlern, als Quad-Elektrostaten das Salzburger Schloss Mirabell mit lebensechter Kammermusik beschallen. Kurze Zeit später mein erster Magnetostat: Ein standesgemäß von einer Krell-Endstufe angetriebenes Paar Apogee Stage bringt in einem Münchner HiFi-Studio mit einer Opernaufnahme den Raum zum Leuchten. Ein großer Sprung ins Jahr 2011: meine Magnepan-Premiere. Ich schreibe über das schlanke Modell 1.7. Wieder zieht mich die natürliche und mühelose Darbietung jeglicher Musikstile in ihren Bann. Ich bin begeistert und stelle die naheliegende Selbstdiagnose: Virus magnetostatus.
Den größten einteiligen Magnepan-Flächenstrahlern, den 20.7 (das Spitzenmodell 30.7 besteht aus zwei Paneelen pro Kanal), begegne ich alljährlich auf der HIGH END in München. Dort fluten die gut zwei Meter hohen Wandler mühelos die rund 70 Quadratmeter großen Vorführräume mit Musik. Der Besuch im Magnepan-Raum ist ein liebgewordenes Messe-Ritual und sorgt immer für gute Laune.
Dass nun das Objekt jahrelanger stiller Bewunderung bei mir zu Hause steht, verdanke ich meinem Umzug. Der bescherte mir einen Hörraum von 30 Quadratmeter Fläche – zufällig exakt die offizielle Mindestanforderung für den Betrieb der 20.7. Der Raum ist aber nur eine Seite der Medaille. Die andere ist der Antrieb. Trotz unproblematisch linearer Impedanz wollen die Maggies ordentlich stabile Leistung sehen. Da kommt ein anderer Gast im Hörraum wie gerufen: der dänische Vollverstärker Gryphon Diablo 333. Dessen 666 Watt an 4 Ohm (pro Kanal) lassen keine Fragen offen. Aber auch meine mit rund einem Drittel dieser Leistung spezifizierte Rowland-Endstufe sollte die Folien gut im Griff haben.
Zum Aufbau rückt der Vertrieb an. Der Service ist im Preis inbegriffen, und das ist gut so, denn Transport wie Zusammenbau und Aufstellung sollten von erfahrenen Händen übernommen werden. Jedes der Paneele steckt in einem flachen Paket, die beiden Sockel kommen in einem großen Karton. Ab der 7er-Version stehen die Magnepan nicht mehr auf Stahlwinkeln, sondern auf einem ovalen Holzsockel, der das nicht unbeträchtliche Gewicht gleichmäßig auf dem Boden verteilt und außer für einen sicheren Stand auch für eine geringe Körperschallanregung sorgt.
An der grundlegenden Arbeitsweise der Flächenstrahler hat sich nichts geändert, seit Magnepan-Gründer Jim Winey vor mehr als einem halben Jahrhundert auf die Idee kam, in einem statischen Magnetfeld (ergo Magnetostat) eine schwingende Folie aufzuspannen. Auf dieser aufgebrachte Leiterbahnen, durch die das Musiksignal fließt, setzen sich bei Signalfluss senkrecht zum Magnetfeld in Bewegung. Voilà: Musik!
Magnepan-Lautsprecher gibt es in zwei Ausführungen: Vom kleinsten Magnetostaten LRS+ bis zum Modell 1.7i teilen sich alle Übertragungswege eine hauchdünne Mylar-Folie, die „Wege“ (Bass, Mittel-/Hochton) werden durch unterschiedlich auf der Folie angeordnete Aluminium-Leiterbahnen realisiert. Ab dem (soeben neu aufgelegten) Modell 2.7i ist der Hochtöner ein Bändchen – der Aluminiumstreifen stellt also auch die schallabstrahlende Fläche dar. In den 20.7 stecken drei Wege: Bass und Mitten kommen aus einem riesigen Mylar-Paneel, die Höhen aus einem räumlich davon getrennten, gut eineinhalb Meter langen Aluminiumbändchen. Die Magnetanordnung ist hier, anders als in den kleineren Geschwistern, symmetrisch. Es gibt also Magnete sowohl vor als auch hinter der Folie. Das resultiert in einer stärkeren akustischen Abschattung der Membran (die rückwärtige Abstrahlung des Dipol-Lautsprechers ist etwa ein Drittel geringer als die nach vorne), vor allem aber in einer besseren Kontrolle der Bewegung.
In meinem vier Meter breiten und knapp siebeneinhalb Meter langen Raum erweist sich eine Aufstellung auf einem Drittel der Raumlänge als ideal. Die Magnepan lassen sich mit den Hochtonbändchen außen wie innen gleichermaßen betreiben. Ersteres ergibt bei mir das homogenste Ergebnis. Bei der Suche nach der richtigen Einwinkelung liegen anfangs Himmel und Hölle nur wenige Millimeter auseinander. Nicht zu unterschätzen: die Einspielzeit der quadratmetergroßen Folien. 200 Stunden sind das Minimum, 300 sicherlich ein guter Richtwert. Die Wandler gewinnen in einem Maß an Gelöstheit und Ausgewogenheit, wie ich es bei konventionellen dynamischen Lautsprechern noch nie erlebt habe. Die Aufstellung kann am Ende mit vollständig freigespielten Wandlern durchaus noch einmal nachjustiert werden. Der Anschluss an den Verstärker erfolgt über zierliche Single-Wiring-Terminals. Zwei Steckplätze für (mitgelieferte) Widerstände erlauben eine Pegelabsenkung von Mittel- und Hochton. Ich mache von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch.
Die Magnepan 20.7 spielen wie nichts, was ich bisher in meinem Raum hatte. Sie vermitteln ein unglaublich befriedigendes Gefühl von Komplettheit. Da sind keine Brüche, keine Löcher, keine Verfärbungen oder Energieanomalien. Die Musik klingt in einer Art und Weise vollständig und genau so und nicht anders richtig, dass Kopf und Körper auf Entspannung schalten und sagen: Ja, bitte, mehr davon. Ich muss an meine frühen Flächenstrahler-Erlebnisse denken. Es ist alles wieder da: der betörend reine Streicherklang der Quad ES 63, das von allem Ballast befreite Strahlen von Gesangsstimmen der Apogees, die umfassende Natürlichkeit der Magnepan 1.7. Bei den 20.7 kommt alles zusammen und paart sich mit einer irrwitzigen Auflösung, der jegliche Hochton-Aufgesetztheit fehlt; mit einer Breitbandigkeit und Pegelfestigkeit, die Sinfonien und Electronica gleichermaßen in sinnliche Erlebnisse mit Endorphingarantie verwandeln; mit einer Größe und Erhabenheit, die es ohne zwei 205 Zentimeter hohe, über fast die komplette Fläche abstrahlende Schallquellen eben nicht gibt.
Und das Beste: Der Maggie-Sound braucht keine Erklärungen. Meine Frau verwandelte sich mit den ersten Tönen ihrer Lieblingsmusik zu meinem besten High-End-Kumpel, schwor, dass sie ein Cello noch nie so gut über eine Anlage gehört hatte wie jetzt und ließ sich Stunden später nur widerwillig das iPad aus der Hand nehmen. Irgendwann muss man schließlich schlafen. Es scheint keine Musik zu geben, mit der die Magnepan nicht glänzen. Zum Beispiel Elektronisches. „Angel“ von Massive Attack deutet an, wohin die Reise geht. Bassgeplucker und perkussive Effekte stehen jeweils für sich im Raum, perfekt getrennt und doch eindringlich im Einklang. Trentemøller und Ricardo Villalobos: ein Fest, das geht laut, richtig laut, mit meinen dynamischen Lautsprechern hätten schon längst die Ohren geklirrt. Orchester: Unendliche Weiten tun sich auf, wenn die Konzertsäle entsprechend mit aufgezeichnet wurden. Solisten stehen plastisch herausgearbeitet noch vor dem gewaltigsten Klangkörper. Crescendi machen süchtig: Das wird einfach nur größer und deutlicher. Nie habe ich den Eindruck, laut zu hören. Bis mich ein Mithörer anspricht und ich nur sehe, dass sich seine Lippen bewegen. Der magische Moment dann mit Fritz Wunderlich, dem lyrischsten, reinsten, sehnsuchtsvollsten aller Tenöre. Er singt Schumanns „Ich grolle nicht“, am Flügel sitzt Hubert Giesen. Am emotionalen Höhepunkt des Liedes („… und sah die Schlang, die dir am Herzen frißt …“) ist klar: Die Magnepan können zaubern. Sie stellen Wunderlich leibhaftig und in voller Körpergröße in meinen Hörraum, der nicht mehr mein Hörraum ist, sondern der Konzertsaal der Musikhochschule München, in dem diese unfassbar grandiose Aufnahme im Jahr 1966 entstanden ist. Sind die 20.7 perfekt? Kickdrums und hart angerissene E-Bass-Saiten können dynamische Chassis dreckiger und fetter. Aber sonst? Die Magnepan sind anspruchsvoll, aber keine Mimosen. Mit ausreichend Fläche, guter Raumakustik (Diffusion!) und standesgemäßer Elektronik lassen sie Träume wahr werden. Sie beruhigen, sie erden, sie lassen den Hörer bei seiner jeweiligen Lieblingsmusik voll und ganz ankommen. Sie können das Ende einer langen Suche sein. Und sie machen irrsinnig viel Spaß!
Info
Magnetostatischer Lautsprecher Magnepan 20.7
Konzept: 3-Wege-Flächenstrahler mit Bändchenhochtöner
Empfindlichkeit (2,83 V @ 500 Hz): 86 dB
Bandbreite: 25 Hz bis 40 kHz
Eingangsimpedanz: 4 Ω
Besonderheiten: Widerstände zur Anpassung von Mittel- und Hochton im Lieferumfang
Ausführungen: Seitenteile in Aluminium schwarz oder silber, Eiche schwarz oder natur, Kirsche, Bespannung in Off-White, Schwarz oder Anthrazit
Maße (ohne Füße, B/H/T): 74/202/5 cm
Gewicht: 60 kg
Garantiezeit: 3 Jahre
Preis: um 27 000 €
Kontakt
Reichmann AudioSysteme
Graneggstraße 4
78078 Niedereschach im Schwarzwald
Telefon +49 7728 1064
Mitspieler
Plattenspieler: bauer audio dps 3
Tonarm: bauer audio Tonarm
Tonabnehmer: Lyra Kleos
Phonovorverstärker: Hagerman Trumpet Wood
MC-Übertrager: Consolidated Audio Silver/Nano
CD-Player: Electrocompaniet EMC 1 UP
Musikserver: Innuos Zenith Mk III
D/A-Wandler: Aqua La Voce S3
Switch: Silent Angel Bonn N8
Vorverstärker: Silvercore linestage two
Vollverstärker: Gryphon Diablo 333
Endverstärker: Rowland Model 2
Netzaufbereitung: AudioQuest Niagara 3000
Lautsprecher: Ayon Seagull/c
Kabel: Fadel Art, Ansuz, Sun Audio, AudioQuest, Solidcore
Zubehör: Rack Creaktiv Trend