Magnat: Immer weitermachen!
Per Definition ist ein Magnat Angehöriger des Hochadels, Großgrundbesitzer oder ganz allgemein jemand mit großer wirtschaftlicher Macht. 1973 mochte dieser Firmenname noch großspurig wirken, mittlerweile aber gehört Magnat tatsächlich zu den Granden der Szene.
Die Erfolgsgeschichte begann schon in den sechziger Jahren, lange vor der Gründung von Magnat. Damals firmierte Rainer Haas unter Boyd & Haas und importierte englische Goodman-Chassis nach Deutschland. Mit so großem Erfolg, dass Goodman ihm bald gestattete, sogar komplette Lautsprecher in Deutschland anzubieten. Einige Jahre später, bereits in den Siebzigern, gab es einen – übrigens nur in Deutschland erhältlichen – Lautsprecher namens Goodman Magnat, der Rainer Haas die Steilvorlage für den Namen lieferte. Haas war ambitioniert und wollte nicht länger von einem Zulieferer abhängig sein, er plante eigene Chassis nach seinen Qualitätsvorstellungen. Magnat war geboren.
Gleich mit der ersten Lautsprecherserie LOG legte Haas einen Traumstart hin. Der darauffolgende Höhenflug hielt über Jahre hin an, wenn auch unterwegs – um im Bild zu bleiben – das eine oder andere Luftloch auftauchte. Die LOG-Reihe glänzte durch massive Lautsprecherkörbe aus Aludruckguss, damals eine echte Innovation. Um sie entsprechend zur Geltung kommen zu lassen, wurden die Lautsprecher privat bevorzugt ohne Frontbespannung betrieben. Ein weiteres Novum, das auf Magnat zurückgeht, denn bis weit in die 1970er hatten Boxen entweder gar keinen abnehmbaren Frontgrill oder es sah dahinter bisweilen recht wüst aus. Diese „offene“ Optik wirkte dank der aufwendig produzierten Chassis, die zum Markenzeichen Magnats wurden, spektakulär. Schon wenige Jahre nach der Gründung hatte sich Magnat auch international einen Namen gemacht und verzeichnete hervorragende Bilanzen.
Zu einer Zeit, als die japanischen Elektronikriesen mit Komponenten im „Studio Look“ in die heimischen Wohnzimmer Einzug hielten, übertrug Rainer Haas ein entsprechendes Design auch auf den Lautsprecherbau – weg vom angestaubten Gelsenkirchener Barock hin zur Moderne. Klassiker der frühen Jahre wie die All-Ribbon-Serie (ab 1978) und der erste masselose Plasmahochtöner MP-01 beflügelten das Geschäft. Der Lautsprecher MP-X 101 mit Ionen-Tweeter MP-01 glich einer Sensation, bewegte sich der Preis doch mit 14 000 DM pro Paar in einem im weitesten Sinne noch halbwegs bezahlbaren Rahmen.
Als neue, überaus erfolgreiche Sparte gesellte sich 1983 der Bereich Car Audio hinzu. Der Einbaulautsprecher Car 5 und die Endstufe Classic 360 gelten als Klassiker in diesem Segment. Wann immer in einer Runde von musikbegeisterten Adoleszenten die Sprache auf wattstarke Verstärker, Subwoofer und Boxen kam, fiel mit großer Wahrscheinlichkeit der Name Magnat. Der Firmenhistorie mangelt es nicht an Meilensteinen wie zum Beispiel dem Lautsprecher Vintage 770. Er erblickte 1996 das Licht der High-End-Welt und bewegte sich sowohl klanglich als auch technisch auf höchstem Niveau – die jahrelange Entwicklungszeit hatte sich am Ende gelohnt. Auch in der Klasse der Kompaktlautsprecher spielte Magnat eine führende Rolle: Der robuste Zweiwege-Monitor Systema Pro 130 konnte sich auf Anhieb in dieser umkämpften Kategorie durchsetzen und mauserte sich zu einem der erfolgreichsten Produkte der Magnat-Geschichte. Viel Membranfläche bedeutet viel bewegte Luft, was wiederum reichlich Schalldruck zur Folge hat. Eine simple Gleichung, die ein weiterer Bestseller eindrucksvoll bestätigte: Der Subwoofer Omega 530 bot Tiefbässe auf Rekordniveau und Schalldruckreserven im Überfluss. Damit wurde es möglich, zu Hause Bassdruck zu erzeugen, der manche Diskothek vor Neid erblassen ließ.
Der größte Umbruch in der Firmengeschichte fand 1992 statt: Rainer Haas übergab das Unternehmen in amerikanische Hand an die US-Unternehmensgruppe Jensen International. Nur sechs Jahre darauf wurde diese von Recoton aufgekauft und 2004 wiederum wurde Recoton von Voxx International übernommen. Seither gehört Magnat zur Voxx-Firmengruppe. Aber die Neunziger brachten nicht nur Veränderung, sondern auch Konstanten mit sich. So starteten zu dieser Zeit Shandro Fischer und Mark Finger, zwei von vier Geschäftsführern, ihre Karriere bei Magnat. Beide waren mit dem Sound ihres HiFi-Turms, wie man ihn als Jugendlicher in den 1970ern besaß, unzufrieden. Auf der Suche nach Verbesserung folgte erst die Lektüre der üblichen Audiopostillen, dann Klingers Lautsprechergehäuse-Baubuch, die Lautsprecher-Bibel aus dem Jahr 1978. Mit den üblichen Folgen und stets getrieben von dem Wunsch, dass die Eigenbauten und Modifikationen besser klingen möchten als die Musiktruhe der Eltern. Zusammen mit John Verbinnen und Frank Decker lenken Fischer und Finger die Geschicke der geschichtsträchtigen Marke bis heute. Während diese juristisch gesehen in amerikanischer Hand ist, spielt der Markt dort jedoch nur eine untergeordnete Rolle, die wichtigsten Absatzmärkte sind Europa und Asien. Auch jene Phase des Wechsels konnte der Unternehmensgeschichte von Magnat nichts anhaben. Entwicklung, Strategie und Marketing werden bis heute am Firmensitz in Deutschland umgesetzt.
Trotzdem schauten Highender bei Magnat 2007 zum ersten Mal in die Röhre: Die RV-Serie erschien als Reminiszenz an klassische Röhrenverstärker aus den Siebzigern. Das Konzept des RV 1 wurde bis zum heutigen RV 4 immer weiter verfeinert, blieb aber der Hybrid-Idee verhaftet: Audiophile Röhrenvorstufe trifft transparente Transistorendstufe. Der brandaktuelle RV 4 bietet eine große Anschlussvielfalt: Vinyl-Fans freuen sich über einen Phonoeingang und Komfort-orientierte Streaming-Nutzer über Bluetoothanbindung mittels aptX.
Zum 40-jährigen Jubiläum übertraf sich Magnat wieder einmal selbst und stellte 2013 mit dem Quantum Signature einen High-End-Lautsprecher an der Grenze des derzeit Machbaren vor. Die Resonanz der Fachwelt war überschwänglich, man sprach vom audiophilsten Lautsprecher, den Magnat je gebaut hat.
Magnat hat sich dieser Tage dem Slogan „The science of sound“ verschrieben. Das ist wörtlich zu nehmen, in Pulheim vor den Toren Kölns wird regelrechte Grundlagenforschung betrieben, was Materialien und Techniken angeht. Dank des starken finanziellen Rückhalts der großen Voxx-Unternehmensgruppe standen ab dem Zeitpunkt der Übernahme höhere Budgets für Testlabors und Messequipment bereit, was der Entwicklungsarbeit Vorschub leistete. Mittlerweile zeichnet Magnat eine große Entwicklungstiefe aus, die bis hin zu eigenen Werkzeugen und eigens gefertigten Teilen reicht – nicht in jedem Fall sind Zulieferer in der Lage, die gewünschte Qualität zu liefern. Mit typisch deutscher Ingenieursmentalität wird jedes einzelne Teil durchdacht und analysiert, um es in bestmöglicher Qualität herstellen und weiterverarbeiten zu können. Zum Entwicklungsprozess gehören auch umfangreiche Simulationen und Messungen im hauseigenen Akustiklabor, das zu den größten und modernsten Europas gehört. Hier wird der hohe Anspruch an die eigene Entwicklungsabteilung eingelöst, Klang messbar und theoretisch greifbar zu machen. Das erklärte Ziel hinter dem betriebenen Aufwand ist, die größte Schnittmenge aus Preis, Verarbeitungs- und Klangqualität herauszuarbeiten. Neben dem wissenschaftlichen Überbau gilt als letzte Instanz immer auch das wichtigste Messinstrument aller Audioentwickler, das menschliche Ohr, in den Prozess involviert. Und da verschiedene Fertigungsorte und Zulieferer bei der Produktion beteiligt sind, hat es sich Magnat zur Pflicht gemacht, den internen Qualitätsanspruch auf höchstem Level zu halten.
Nach über 40 Jahren im Geschäft gehört Magnat zu den international führenden Anbietern von hochwertigen Audioprodukten für Heim und Auto und ist in über 50 Ländern der Erde mit einem umfassenden Sortiment vertreten. Es reicht vom Heimkinosystem über noble Standlautsprecher und High-End-Verstärker bis hin zu den aktuell äußerst angesagten Soundbars. Produkte wie die feine Regalbox Quantum Edelstein, die vielbeachteten Vollverstärker der RV-Reihe oder Rekordverdächtiges wie der monströse Subwoofer Omega 530 und der extrem aufwendig entwickelte High-End-Lautsprecher Vintage 990 zeugen nach wie vor von der geballten Entwicklerpower im Hause Magnat.
Diesen Kurs setzt man konsequent fort, wohl wissend, dass der Markt schwierigen Zeiten entgegensieht und sich fortwährend weiter polarisiert. Auf der einen Seite der starke Trend zu High End, wo der Klang und nichts als der Klang im Mittelpunkt steht, und wovon die Renaissance analoger Tonträger zeugt. Auf der anderen Seite die rasant fortschreitende Digitalisierung, geprägt von Schlagwörtern wie Bluetooth, Multiroom, Voice Control und NAS.
Spannend wird es bei Magnat also auch zukünftig bleiben. Das Lautsprechergeschäft soll weiter intensiviert werden, mehrere hochwertige passive Lautsprecher sind konkret geplant. Aber auch die mit der Digitalisierung einhergehenden Chancen stehen im Fokus, wobei die Herren Fischer und Finger sich da noch etwas bedeckt zeigen.
Laut oder leise?
Laut.
Analog oder digital?
Analog.
Röhre oder Transistor?
Röhre.
Schallplatte oder Download?
Schallplatte.
Waldlauf oder Fitnessstudio?
Waldlauf.
Trend oder Tradition?
Keins von beiden.
Tee oder Kaffee?
Tee.
Salat oder Steak?
Steak.
Wein oder Bier?
Wein.
Berge oder Meer?
Berge.
Buch oder Bildschirm?
Buch.
Jazzclub oder Opernhaus?
Oper.
Bach oder Beatles?
Bach.
Wagner oder Wacken?
Beethoven und CBGBʼs.
Standby oder Stecker ziehen?
Standby.
Mehr Who is Who in High Fidelity gefällig? Dann geht’s hier lang.
Magnat Audio-Produkte GmbH
Lise-Meitner-Straße 9
50259 Pulheim
Telefon 02234 807-0
Dies ist ein Beitrag aus unserem Buch Who is Who in High Fidelity Band 2, das 2017 erschienen ist.