Lumin P1 Vorverstärker/Stramer/DAC – Geht doch!
Audio und Video sind verschiedene Welten, Fernseher und HiFi-Kette bewegen sich in unvereinbaren Sphären? Unsinn! Wenn der sensationelle P1 von Lumin eines klarstellt, dann dass man Kompromisse finden kann, ohne Kompromisse eingehen zu müssen. Klingt verwirrend? Warten Sie nur ab …
In aller Kürze
Mit dem P1 ist Lumin ein perfektes Bindeglied zwischen Audio und Video gelungen – ein klanglich herausragender Hybride ohne erkennbare Kompromisse!
Kompromisse sind etwas Gutes, sagt man. In der Regel stimmt das auch: Statt zu zoffen, sollte man sich lieber auf ein Eis treffen und gemeinsame Standpunkte suchen. Doch alles hat Grenzen: Plant man etwa, einen stattlichen Betrag auf die Ladentheke zu legen, sagen wir so um die 9990 Euro, ist Schluss mit der Bereitschaft, geringste Ungereimtheiten beim neuen highfidelen Traumgerät zu akzeptieren. Freilich kann es kein Hersteller allen Kunden recht machen. Analoge Puristen fokussieren sich auf den Klang und verzichten dafür gern auf das eine oder andere Feature. Digitale Querköpfe hingegen möchten (und müssen) Anwendungen und Quellen vereinen, die bisweilen durchs HiFi-Raster fallen. Ich gebe gern zu, dass ich im heimischen Umfeld schon aus Platzgründen so ein Querkopf bin. Die meiste Zeit konzentriert sich mein „Home Entertainment“ natürlich auf die musikalischen Qualitäten der Kette. Die regelbaren Aktiven werden direkt aus dem Web oder vom HDD-Server „bestreamt“, dann und wann auch mal von einer analogen Quelle. Vorzugsweise abends übernehmen der Fernseher und seine beiden Kumpels die Regie: eine PlayStation als exzellenter BD-Spieler und das Apple TV für Netflix und Co. Dafür muss ich bislang zwischen unterschiedlichen Vorverstärkern und DACs hin- und herschalten, je nach Anwendung auch mal hinter die Anlage langen, um das entscheidende S/PDIF-Kabel umzustöpseln – das hat mir aus purer Unlust schon so manchen Filmabend verhagelt. Klar gibt es Lösungen, die alles unter einen Hut bringen (Stichwort: AV-Vorstufen), doch konnte mich von denen bislang noch keine überzeugen.
Mit Lumins P1 schwappte mir vor einigen Monaten erstmals eine „eierlegende Wollmilchsau“ ins Haus, die mich vor existenzielle Probleme stellt – ich spiele damit natürlich auf den Tag an, an dem mich das Testmuster wieder verlässt. Bislang fallen mir nur zwei Lösungen ein: ein schmerzhafter Griff in die Geldbörse oder einfach mit der Maschine unterm Arm verschwinden. Während ich mich mit diesem Dilemma plage, sollten wir darüber reden, was den bildschönen Aluminiumbrocken so einzigartig begehrenswert macht.
Wie Sie vielleicht wissen, ist Lumin der ambitionierte Sidekick des in Hongkong ansässigen Herstellers Pixel Magic, eine echte Hausnummer im fernöstlichen Markt für hochkarätige TV- und SAT-Receiver. Vor knapp einem Jahrzehnt hatten die audiophilen Chip-Designer und Programmierer die Nase voll von all den Ungereimtheiten damaliger Streamer. In einer Art Freizeitprojekt für MIT-Absolventen schufen sie eine Plattform (also ein Betriebssystem), mit der sie selbst leben und hören konnten: Lumin OS. Bis heute setzt es Maßstäbe in puncto Detailliertheit, Stabilität und Kompatibilität: Es verarbeitet alle Tonformate inklusive DSD, MQA, versteht Tidal, Qobuz und Roon, streamt Webradio, Multiroom und vieles mehr …
2017 setzten sie ihrer Schöpfung mit dem herausragenden Netzwerkspieler X1 (den Test finden Sie hier) die Krone auf. Prinzipbedingt ist der X1 jedoch mit einem Manko behaftet: Als reine Quelle ausgelegt nehmen seine egomanischen DACs (ES9038Pro) keine externen Signale an. Genau hier setzt der P1 an. Nominell ist der ebenfalls ein Netzwerkspieler, dreht man ihn um, entdeckt man neben dem analogen XLR- und einem vergoldeten Cinch-Ausgang jedoch zwei analoge (XLR/Cinch) sowie insgesamt sieben digitale Zugänge.
Eine „physische“ Pegelsteuerung hat er nicht. Alle Signale werden direkt hinter den Eingängen gewandelt und via „Leedh-Processing“ auf algorithmischem Weg geregelt, weshalb wir uns auf die Klassifizierung als „geregelter Streaming-DAC“ geeinigt haben. Zu tief ließ uns Lumin nicht in die Geheimnisse seiner Pegel-Formelwerke blicken. Wir konnten allerdings in Erfahrung bringen, dass Leedh von dem französischen Entwickler Gilles Millot stammt und durch seine extreme Bittiefe die in der digitalen Signalverarbeitung unvermeidlichen Rundungsfehler vermindert beziehungsweise um einige Nachkommastellen in die Belanglosigkeit schiebt. Bei der Transformation von Line-Pegeln (Vollaussteuerung) in leiseste Abhörlautstärken komme es zu keinen wahrnehmbaren Auflösungsverlusten, wie der Hersteller betont. Das kann ich insofern bestätigen, als der P1 selbst dann noch räumlich, plastisch und musikalisch aufspielt, wenn man ihn für dezenteste Hintergrundberieselung einsetzt – viele Digitalvorstufen und geregelte DACs driften ab einem gewissen Pegel merklich ins Zweidimensionale.
Allerdings sollte ich gleich an dieser Stelle einen präventiven Riegel vorschieben: Es handelt sich beim P1 nicht um einen X1 mit DAC-Eingängen, sondern um ein eigenständiges Produkt. Der Vorverstärker baut natürlich auf dem großen Netzwerkspieler auf, nutzt dieselbe herausragende Streaming Engine und profitiert von den klangfördernden Kniffen des großen Primus. Allerdings dampfte Lumin Schaltungen und Features an entscheidenden Punkten ein. So wurde das Netzteil mit seinen beiden Ringkernen – beim X1 im separaten Gehäuse – gekapselt integriert. Die Aluminiumwanne für das Gehäuse ist höher, dünnwandiger und aus mehreren Segmenten montiert. Sie wird nicht wie beim X1 aus einem Block Aluminium gefräst. Das klingt wie eine Abfolge von Einschränkungen, wirkt sich in der Praxis aber gegenteilig aus: Trotz mehr Features und Möglichkeiten ist der neue „P“ mit seinem mehr als nur „seelenverwandten“ Klang 3000 Euro günstiger als der X1.
Auch mit seinen diskreten Sabre ES9028Pro stapelt der P1 eine Etage tiefer. Auf dem Datenblatt macht das keinen Unterschied. Die „28er“ konnten in unzähligen hochkarätigen DACs und Streamern ihre Klasse zeigen. Sie verarbeiten natives DSD512 sowie S/PDIF bis 384 Kilohertz. Klanglich fehlt ihnen nichts, wobei der P1 – wir hatten für einige Tage einen X1 im Haus – einen Hauch crisper und klarer aufspielt als das unvergleichlich seidige Topmodell. Wir sprechen hier allerdings über Nuancen, die man lediglich im direkten Vergleich bemerkt.
Für felsenfesten Takt und mitreißenden Groove sorgt dieselbe Femto Clock, die auch den X1 rhythmisiert: Alle eingehenden Digitalsignale werden in einem Pufferspeicher gesammelt und nach ihrem Takt neu aufgebaut. Das sorgt für Fluss sowie Geschmeidigkeit und hilft dem P1, Fehler und Aussetzer in der Lieferkette (NAS, Router, Internet, Verkabelung etc.) auszumerzen. Der optimiert-verkürzte Signalweg hinter dem Reclocker (die Platinen des P1 sind etwas kompakter als die des X1) nimmt der Entstehung von Jitter im Gerät jede Chance.
Nicht nur die prominent bestückten symmetrischen Ausgangsstufen sind in zwei klar getrennte Stränge gegliedert. Jeder der beiden Kanalzüge besitzt auch einen eigenen, deutlich erkennbaren Signalprozessor, in dem die diskrete Pegelsteuerung stattfindet. Die Eingangsplatine ist räumlich von Aufbereitung und Wandlung isoliert und nur über ein Flachbandkabel mit der Hauptplatine verbunden. Ausnahmen bilden der USB-Eingang und die beiden LAN-Zugänge, einer im konventionellen RJ45-Format, der andere für optische Fiberglas-Netzwerkstrippen. Vor allem mit Letztgenanntem sollte man sich näher beschäftigen. Man benötigt für diese Verbindungsform zwar einen speziellen Netzwerkverteiler oder einen optischen Wandler hinter dem Router, doch vermeidet die Zuleitung jede elektrische Interaktion mit anderen Netzwerkkomponenten. Besser geht es nicht! Dass diese Zugänge auf der Signalplatine liegen, ist der Tatsache geschuldet, dass hier auch der passiv gekühlte Hauptprozessor untergebracht ist – der eigentliche Medienspieler, in dem die Streaming-Magie passiert.
Auf die will ich hier gar nicht näher eingehen. Nur so viel sei verraten: Via Roon angesteuert musiziert der P1 einfach zauberhaft samtig und musikalisch, die hauseigene App reagiert unvergleichlich schnell und flüssig. Der P1 versteht alle Formate auf Anhieb und es kam bei keiner der beiden eingesetzten Apps zu Abstürzen, Verbindungsabbrüchen oder ähnlichen Störungen. Willkommen im Jahr 2022.
Falls Sie Spaß am Experimentieren und Ausprobieren haben, hätte ich da einen ganz anderen Wahnsinn im Handgepäck: Der Hersteller stattete seine via Smartphone oder Tablet steuerbare Systemsoftware mit einem versatilen Formatkonverter aus. DSD lässt sich vor der Wandlung in PCM umwandeln, PCM umgekehrt in DoP (DSD over PCM) oder in hochskalierte Versionen seiner selbst. Das beherrschen freilich auch die Eingangskonverter der DAC-Chips, je nach Quelle und Signalkette könnte es aber Kombinationen geben, die in Nuancen feiner musizieren als die Auto-Konverter der ES9028Pro. Tatsächlich hatte ich beim Herumexperimentieren immer wieder den Eindruck, dass die DoP-Wandlung von PCM-Signalen etwas mehr Fluss und Geschmeidigkeit in die Wiedergabe bringt. Lumin hat die Menüs gegenüber früheren Versionen deutlich abgespeckt. Sollte Ihnen das trotzdem noch zu komplex und verwirrend sein, kann ich Sie beruhigen: Die verspielten Kreuz-Konverter sind im Werkszustand deaktiviert.
Auch abseits dezenter Klangformung ist die Steuersoftware mit allen Wassern gewaschen. Das informative frontseitige Display und die Netzwerk-LEDs können gedimmt oder deaktiviert werden. Die Phase der Analogausgänge lässt sich invertieren, und auf Wunsch kann man nicht benötigte „Funktionszellen“ wie Roon, Tidal Connect etc. im Setup abschalten. Die digitale Pegelsteuerung kann auf einen Maximalwert limitiert oder vollständig überbrückt werden. So mutiert der P1 zum reinen Streamer und/oder zum Line-Signalumschalter für zwei analoge sowie sieben digitale Quellen.
Und das führt uns in einer galanten Überleitung zum fulminanten Finale des Ausstattungsreigens: Unter diesen sieben binären Zugängen befinden sich drei HDMI-Eingänge. Spätestens an dieser Stelle dürfte uns der letzte audiophile Purist verlassen. Für mich bedeuten diese Schnittstellen jedoch Glücksgefühle in Reinform. Und das nicht nur, weil sie viele meiner Anschlussprobleme lösen. Um eine Lanze zu brechen: HDMI ist mit seiner enormen Bandbreite auch eine hervorragende Audioschnittstelle, die an HiFi-Komponenten völlig zu Unrecht ein Schattendasein fristet. Da der P1 hochauflösende 4K-Bildsignale an den Fernseher durchreicht, durfte ich während des Tests nicht nur erleben, wie herrlich plastisch und greifbar der geregelte DAC Instrumente und Stimmen in meinem Hörraum platzierte, sondern auch das sympathische Röcheln eines Darth Vader, den sphärischen Soundtrack von Interstellar oder die ausgefeilten Dialoge von Breaking Bad.
Da der HDMI-Durchschleifpunkt als ARC (Audio Return Channel) ausgelegt ist, wird das Verkabeln von PlayStation und Apple TV zum Kinderspiel: Zwei HDMI-Strippen führten von den Komponenten zum P1, eine weitere zum Fernseher – das war’s auch schon. Der TV-Bildschirm überträgt seinen Ton über den Rückkanal an den P1, die lästige zusätzliche Opto-Strippe entfällt. Neben Audio laufen übrigens auch Remote-Signale zum P1. Beim alltäglichen Fernsehen regelt der Geber des Flachbildschirms den Pegel des DACs einfach mit.
Damit hätten wir die wichtigsten Zutaten des atemberaubend flexiblen P1 beisammen. Die Maschine kann im Grunde genommen alles sein, was Sie sich wünschen: Ein superber DAC oder Streamer, ein geregelter Signalumschalter für audiophile Zweikanal-Filmliebhaber, eine analoge/digitale Vorstufe oder ein flexibler Signalwandler für den via USB angeschlossenen HDD-Server. Klanglich ist er jeder dieser Aufgaben mehr als gewachsen, da er an den erhabenen Charakter seines Vorbilds X1 heranreicht – das aber zum deutlich attraktiveren Kurs.
Info
Vorverstärker/Streamer/DAC Lumin P1
Konzept: digital geregelter Streaming-DAC
Eingänge analog: Cinch (asymmetrisch, vergoldet), XLR (symmetrisch)
Eingänge digital: AES/EBU (XLR), S/PDIF (Cinch vergoldet), optisch, USB, 3 x HDMI
Ausgänge analog: Cinch (asymmetrisch, vergoldet), XLR (symmetrisch)
Ausgänge digital: S/PDIF (BNC), HDMI (ARC)
Netzwerk: LAN (RJ45), Fibre Network (optisch)
DAC: 2 x Sabre ES9028Pro im Mono-Betrieb
Formate: PCM bis 24/192 (AES, koaxial, optisch), 32/384 (USB), DSD512
HDMI-Schnittstelle: 2.0, schleift 4K-Bild, Dolby Atmos, Dolby Vision und DTS Passthrough
Besonderheiten: analoger Dual-Mono-Aufbau, Femto Clock, Lumin-App (Android/iOS) bietet Zugriff aufs Setup und steuert die (Multiroom-)Streamingfunktionen, kompatibel zu MQA, Roon, Spotify (inkl. Connect), Tidal (inkl. Connect), Qobuz, AirPlay, TuneIn-Radio
Ausführungen: Aluminium schwarz oder silber
Maße (B/H/T): 35/11/38 cm
Gewicht: 12 kg
Garantiezeit: 2 Jahre (3 Jahre bei Registrierung)
Preis: um 9990 €
Kontakt
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