Linn Selekt DSM Edition
Linn demonstriert mit dem Netzwerkplayer Selekt DSM Edition die definitive Symbiose aus Funktion, Luxus und High End.
In aller Kürze:
Der Linn Selekt DSM Edition präsentiert sich als grandioser Alleskönner mit herausragendem Klang. Und seine smarte Raumanpassung gewährleistet diese Fähigkeiten in jeder Umgebung.
Bereits in dieser ersten Zeile muss ich unsere geneigten Leser mit dem Geständnis enttäuschen, dass der Artikel über den Selekt DSM unvollständig bleiben wird. Dies liegt freilich nicht an meiner Unlust oder gar an Missgunst dem Gerät gegenüber. Im Gegenteil: Dieser Netzwerkplayer bietet in seiner modularen Bauweise eine derartige Vielfalt an Konfigurations- und Einsatzmöglichkeiten, dass sie mich geradezu verleiten könnten, gleich ein ganzes Heft nur mit diesem schottischen Multitalent zu füllen. Deshalb beschränke ich mich hier primär auf die Konfiguration, die mir Siegfried Wörner vom Berliner Linn-Spezialisten Boxen Gross eigenhändig in meinen Hörkeller gestellt und eingemessen hat. Dies gilt es deshalb extra zu erwähnen, da der Erwerb eines Linn-Geräts grundsätzlich mit dem ausführlichen Beratungs- und Installationsservice des zuständigen Händlers verbunden ist. Der berät selbstredend auch zu all den Möglichkeiten, die hier nur angedeutet und nicht explizit besprochen werden.
Classic oder Edition
Die Qual der Wahl beginnt bereits bei Entscheidung für das Grundmodell. Da steht zunächst der Selekt DSM Classic Hub zur Verfügung, der in seiner Grundausstattung über einen MC/MM-Phonoeingang verfügt, über den noch zu sprechen sein wird. Eine umfassende Auswahl an Anschlüssen auf der Rückseite ermöglicht, dass der Selekt Audiosignale aus jeder vorstellbaren Quelle empfangen und liefern kann; mit einer leistungsstarken Analog-Digital-Wandlungsstufe, die sowohl mit externen Phonoentzerrern als auch mit CD-Spielern arbeiten kann, sowie vielen digitalen Anschlüssen für Geräte zum Videostreamen, Spielkonsolen oder Blu-ray-Geräte.
Um zu demonstrieren, zu welchen Höhenflügen man den Selekt treiben kann, hat mir Siegfried Wörner den Selekt DSM Edition zur Verfügung gestellt, der sich durch eine noch gesteigerte Materialqualität und Haptik auszeichnet. Highlight ist der auffallende Drehregler, der dazu führt, dass man die Bedienung tatsächlich lieber am Gerät als über die Fernbedienung oder das Tablet vornimmt. Das präzise Lager aus Edelstahl gewährleistet eine leicht gleitende Drehung bei der Einstellung der Lautstärke, während das kühle Licht der hundert einzelnen LEDs unter dem fotogeätzten Stahlring aufleuchtet. Luxus pur! Hinzu kommt ein integrierter Kopfhörerverstärker, der seinen Namen wirklich verdient und auch schwierigere Zeitgenossen mühelos antreibt. Natürlich findet auch hier das neu entwickelte Utopik-Netzteil Verwendung. Um den Selekt Edition in die klangliche Referenzklasse zu pushen, hatte Siegfried Wörner die Variante mit dem Organik DAC in der Doppel-Mono-Version mitgebracht, der dann mit Linns 2250er-Endstufe verbunden wurde – schließlich frönen wir hier den Synergieeffekten des Kettengedankens.
Quadratur des Kreises (1)
Bei einem Luxusprodukt – und um nichts anderes handelt es sich bei einem Audiogerät im fünfstelligen Eurobereich – verweigere ich mich der mühseligen Diskussion „form follows function“ oder „function follows form“. Nein, hier erwarte ich nichts weniger als die perfekte Synthese aus Form und Funktion. Gewiss, dies mag mitunter zu Konflikten zwischen technischen und ästhetischen Designern in den Entwicklungsabteilungen führen, aber echtem „Know-how“ gelingt hier durchaus die Quadratur des Kreises. Und in dieser Hinsicht ist der Selekt DSM Edition zweifellos echtes High End.
Betrachten wir dazu einfach einige weitere unscheinbare äußere Kleinigkeiten, die für Luxus pur einstehen. Da ist etwa die in den Deckel aus Aluminiumblech präzisionsgeschnittene primäre Lüftungsöffnung, die sowohl das notwendige Wärmemanagement als auch einen hohen Designanspruch garantiert. Die Lüftungsöffnung selbst erinnert an eine Welle. Dieses Motiv verändert sich dabei je nach Betrachtungswinkel und spiegelt so von seinen unterschiedlichen Oberflächen eine Unzahl an Reflektionen wider. Das kann man für unnötig spleenig halten, doch so funktioniert Faszination. Lobenswert ist in meinen Augen der Verzicht, Cover auf dem Display im Miniaturformat einzubinden; ein Feature, das sich mir nie wirklich erschlossen hat, weder aus ästhetischen noch aus praktikablen Gründen. Beim Selekt Edition besteht die Displayfront aus einem gespiegeltem Glasmaterial, das auch für Ferngläser verwendet wird. Hier werden die Informationen zum abgespielten Album großformatig angezeigt, aber auch nur dann, wenn diese benötigt werden. Bereits aus diesen kleinen ausgewählten Details können Sie schon ersehen, wie Form und Funktion ineinandergreifen.
Perfektes Raummanagement
Bevor man sich ans Ausprobieren macht, sollte man sich zwingend dem Feature „Space Optimisation“ widmen. In der Regel übernimmt das der Händler per Laptop. In meinem Fall ist Siegfried Wörner dem Hörraum mit einem Lasermessgerät zu Leibe gerückt, die rechteckige Einbuchtung auf Höhe der Anlage wird millimetergenau fixiert, ebenso die Maße des Fensters hinter der Anlage, hinzu kommt die Beschaffenheit von Wänden (Beton, Mauerwerk, Trockenbau etc.), Decke und Boden und natürlich Position und Ausrichtung der Lautsprecher. Linn hat sich bewusst gegen die Lösung einer Raumoptimierung per Mikrofon entschieden. Das Einpegeln auf digitalem Millimeterpapier hat nach Ansicht der Schotten den Vorteil, dass intuitiver an die Sache herangegangen werden kann. Oder anders gesagt: Die Ohren des Akustikprofis behalten ihre Relevanz.
Auch in meinem Hörraum sind Sigfried Wörner und ich nach einigen Musiktiteln noch nicht rundum zufrieden mit dem Tiefbassergebnis, was sich mit einigen kleinen Modifikationen per Maus jedoch beheben lässt. Da die erforderliche Software direkt im DSM steckt, kann man auch später noch Modifikationen vornehmen. Aber Vorsicht: Selbstverständlich können Sie auch eigenmächtig in den Einstellungen herumspielen, aber bei zu viel Spieltrieb ist die Tendenz zur Verschlimmbesserung gegeben. Lassen Sie sich lieber von Ihrem Linn-Händler zwei bis drei Presets abspeichern, die Sie dann jeweils per Mausklick auswählen.
Quadratur des Kreises (2)
Kommen wir nun zur musikalischen Quadratur des Kreises. Der Selekt Edition ist mit dem Organik DAC in der Doppel-Mono-Version in der Lage, musikalische Texturen aufs Feinste zu ziselieren und dabei dennoch eine ganzheitliche Musikerfahrung zu garantieren. Auf Marillions Unplugged-Album Less Is More findet sich eine feine akustische Reduktion ihres Progrock-Reißers „Quartz“. Minimalistisch-repetitiv greifen hier Glockensounds, Hi-Hat-Rhythmen und gepickte Gitarrensaiten ineinander und lassen ein mäanderndes musikalisches Gespinst erstehen. Der Selekt DSM ermöglicht es in der gegebenen Ausstattung, die einzelnen Linien exakt zu verfolgen; kleinste Nuancen der Klangfarben sind zu identifizieren und ermöglichen den Blick auf die Struktur der Musik. Dieser analytische Zugang wird mir aber vom Gerät nicht aufgezwungen, er ist lediglich ein Angebot. Ich kann mich auch im Sessel zurücklehnen und lediglich ein ganzheitliches Kontinuum wahrnehmen und tief in das Atmosphärische des Klangs eintauchen. Eine ganz ähnliches Rezeptionserfahrung stellt sich bei Bachs bekannter Toccata und Fuge d-Moll in der Referenzaufnahme mit John Goode ein. Das Faszinierende an dieser Einspielung ist Goodes Spiel auf der rekonstruierten farbenprächtigen Orgel von Bernard „Father“ Smith aus dem Jahr 1694 im Trinity College, Cambridge. Der Referenz-DAC beleuchtet exakt die feine Klangabstufung der jeweiligen Orgelregister untereinander und erlaubt gleichzeitig, sich einfach der Bach’schen Klangfülle zu ergeben. Ein Großteil des Klangresultats ist natürlich auch der Endstufe des Selekt zu verdanken, die sich vornehm mit einer Eigensignatur zurückhält und nur großzügig die Quellsignale an Endstufe und Lautsprecher weiterreicht. So waren meine beiden Lautsprecher, eine Gamut Phi 7 und eine kürzlich gelandete FinkTeam Kim, jeweils in ihren spezifischen Eigenheiten deutlich erkennbar, ohne dass ihnen Eigenheiten der Vorstufe aufgedrängt wurden.
Linn kann Vinyl
Ein unerwartetes Highlight des Selekt ist aber die integrierte Phonostufe, die in der Classic- und in der Edition-Variante identisch ist. Mein derzeitiges Benz Ruby klingt dermaßen offen und dynamisch, dass ich mich an die Linn’sche Uphorik-Phonovorstufe erinnert fühle, bei der mich einst bei einem Shootout gegen sehr gut beleumundete Röhrenvorverstärker das Gefühl überkam, es hätte endlich mal jemand das Fenster weit aufgerissen, so frei klang das Vinyl plötzlich.
Da kann man es auch akzeptieren, dass keine zusätzlichen Einstellungsmöglichkeiten seitens der Phonostufe gegeben sind und dass de facto das analog verarbeitete Signal durch den Selekt wieder digital herausgegeben wird, denn hier zählt nur das mehr als überzeugende Ergebnis. Selbst leicht muffig aufgenommene Rockalben der 1970er Jahre werden wieder zum Vergnügen und glänzen mit einer nie gekannten klanglichen Offenheit. Diese Phonostufe kann geradezu süchtig machen.
Suchtgefahr
Nun sind wir bereits am von der Redaktion vorgeschriebenen Zeilenlimit angelangt, und ich habe Ihnen noch nicht von der Möglichkeit berichtet, mittels Powermodulen den Selekt DSM zu einem Vollverstärker aufzurüsten, auch habe ich die Möglichkeiten verschwiegen, hier eine 7.2-Schaltzentrale inklusive intelligentem Subwoofer-Management einzurichten. Ebenso habe ich die Möglichkeit, sich für vier qualitativ unterschiedliche DAC-Varianten (Standard, Katalyst, Organik Stereo oder Doppel-Mono) entscheiden zu können, lediglich angedeutet. Sie sehen also, es gibt viele Gründe, den Linn-Händler Ihres Vertrauens zu kontaktieren. Aber Vorsicht: Es besteht die heftige Gefahr, dass Sie sich gnadenlos in das Linn’sche Multitalent verlieben …
Info
Netzwerkplayer/DAC/Vorverstärker Linn Selekt DSM Classic / Edition
Konzept: modularer Netzwerkspieler mit DAC, Vorstufe und vielen Auf- bzw. Nachrüstoptionen
Eingänge: 1 x Line analog (RCA), 1 x MM-Phono, 1 x MC-Phono, 2 x Toslink, 2 x S/PDIF, LAN/HDMI ARC, 1 x USB Audio
Streaming/Dienste: nahtlose Integration der verlustfreien Streamingdienste Tidal und Qobuz, streamt Internetradio via TuneIn
Besonderheiten: integrierte MC/MM-Phonovorstufe zum Anschluss eines Plattenspielers, Surroundsound-kompatibel, Multiroom-fähig, Link zum Anschluss von Linn-Box Exakt oder integrierten Lautsprechern
Modulvarianten (mit Aufpreis): Line-Out-Modul + Standard DAC (um 809,20 €), Line-Out-Modul + Katalyst DAC (um 2332,40 €), Power-Out-Modul + Standard DAC (um 1279,25 €), Power-Out-Modul + Katalyst DAC (um 2802,45 €), Power-Out-Modul + Organik DAC Stereo (um 4884,95 €), Line-Out-Modul + Organik DAC Stereo (um 4414,90 €), Line-Out Doppel-Mono mit Organik DAC (um 8335,95 €)
Gewicht: 9,5 bis 12,3 kg (je nach Bestückung)
Maße (B/H/T): 35/11/35 cm
Garantiezeit: 5 Jahre
Preise: Selekt Classic Hub Basis ab 5840 €, Selekt Edition Hub Basis um 11 840 €, Testmodell um 20 200 €
Kontakt
Linn Products Limited
Glasgow Road
Waterfoot, Eaglesham
Glasgow
G76 0EQ Schottland
Boxen Gross
Siegfried Wörner
Oranienplatz 5
10999 Berlin
Telefon +49 30 6246055
woerner@boxengross.de
Mitspieler
CD-Player: Naim CD 5i
Streamer: Naim CD5XS
Laufwerke: Thorens TD 126 MK III, Technics SL-1210 MK2
Tonarm: Koshin GST 801
Tonabnehmer: Sumiko Blackbird, Ortofon Concord Century
Phonovorverstärker: Innovative Audio Ultimate 2b, Thel Phono M
Vollverstärker: Naim SuperNait
Lautsprecher: Gamut Phi 7, FinkTeam Kim
Zubehör: Wireworld, Sommer, Creaktiv