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Line Magnetic LM-88IA

Line Magnetic LM-88IA

(Röhren-)Markt der Möglichkeiten

Line Magnetic LM-88IA

Ein guter halber Zentner Kupfer, Glas und Stahl haben auf meinem Rack Platz genommen. Es handelt sich um den Vollverstärker Line Magnetic LM-88IA. Ein klassischer Röhrenverstärker in Gegentaktschaltung, mit kräftigen 42 Watt Ausgangsleistung an den soliden Lautsprecherklemmen. Punkt-zu-Punkt-verdrahtet, unterhalb der Röhren wird das Signal boxentauglich durch je einen japanischen EI-Ausgangstransformator pro Kanal aufbereitet. Licht aus – Röhre an!

Line Magnetic LM-88IA

In aller Kürze:
Dank „Fixed Bias“ und Amperemeter sind beim Line Magnetic LM-88IA Experimente mit diversen Röhren möglich – ein optimaler Spielpartner in sehr guter Verarbeitungs- und Bauteilqualität für das Tuberolling.

Line Magnetic LM-88IA


Alle acht Röhren sind ab Werk aufeinander abgestimmt und selektiert. Das gilt für die Electro Harmonix 12BH7 und Mullard 6CL8A in der Vorstufe ebenso wie für die gematchten KT88 in der Endstufe, die aus dem Hause JJ Electronics stammen. Dabei können die Röhren entweder im Fixed-Modus oder im Kathodenmodus betrieben werden, die Umschaltung erfolgt über einen soliden Kippschalter an der Gerätefront. Im Fixed-Modus liegen 2 x 42 Watt an den Lautsprecherausgängen an, im Kathodenmodus 2 x 30 Watt.

Line Magnetic LM-88IA
Vier KT88-Röhren im Class-AB-Betrieb versprechen auch bei einem Röhrenverstärker gesunde Leistungsreserven: Im Fixed-Bias-Modus liegen denn auch 42 Watt pro Kanal an jeder Klemme, im Kathodenmodus immerhin noch 30. Der Ruhestrom ist recht hoch angesetzt, von kräftigen Dynamiksprüngen abgesehen dürfte sich der LM-88IA im Class A-Bereich bewegen.

Es gibt Abgriffe für Lautsprecher mit 4, 8 oder 16 Ohm. Daneben befinden sich vier unsymmetrische Cinch-Eingänge, drei davon sind reguläre Hochpegeleingänge, der äußere ist ein Endstufeneingang, sodass der LM-88IA auch in ein Mehrkanal-Setup eingebunden werden kann. So weit, so praktisch. Einen Kopfhörerausgang, einen Vorstufenausgang oder eine Tape-Schleife gibt es hingegen nicht.

Ich habe meine Klipsch Heresy IV mit 99 Dezibel Kennschalldruckpegel (1 W/1 m) angeschlossen. Mit 24 Bit und 96 Kilohertz Auflösung wird das neue Daughter-Album Stereo Mind Game aus der Streamingwelt in meinen Luxman-Wandler geliefert, dessen Analogausgang mit dem Line Magnetic verbunden ist. Mein lieber Freund, die Stimme von Elena Tonra steht da überlebensgroß zwischen den Lautsprechern, während die perkussiven Akzente der Produktion knackig und mit Druck in den Hörraum geschoben werden. Das ist kraftvoll, schnell und überzeugt selbst noch im Nebenraum mit einem souveränen, durchaus voluminösen Auftritt. Ich höre beim Schreiben dieser Zeilen im etwas wärmer, runder, aber auch kontrollierter klingenden Fixed-Modus. Das macht sich vor allem bei geringen Lautstärken bemerkbar. Hier liefert der LM-88IA schon ein ordentliches Tieftonfundament bei gleichzeitig tiefer Bühnendarstellung. Das fällt mir vor allem beim sphärischen „Be On Your Way“ auf, einem Stück, das ein wenig an eine gelungene Mischung aus The XX und London Grammar klingt. Aber auch der Kathoden-Bias mit einer etwas neutraleren, wenn auch dynamischen Darstellung wird viele Hörer abholen: Sie haben die Wahl und müssen einfach nur den erwähnten Schalter am Gehäuse umlegen, um zwischen den Modi zu wechseln.

Line Magnetic LM-88IA
Das wollen wir in einem Röhrenverstärker sehen: Die Schaltungsdesigner haben das Rad nicht neu erfunden, sondern setzen auf einen sauberen, in weiten Teilen frei verdrahteten Aufbau und Bauteile bester Qualität. An den Lötpunktringen auf den Platinen lassen sich deutlich die Positionen der einzelnen Röhrenfassungen erkennen.

Inzwischen wird der in der Endstufe verwendete Röhrentyp KT88 aufgrund seiner klanglichen (klaren und offenen) Tendenzen überwiegend in HiFi-Verstärkern und weniger in Gitarren-Amps verwendet, Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel. Natürlich hängt die Klangqualität nicht allein von den verwendeten Röhren, sondern eben auch immer von der Schaltung und den Bauteilen des jeweiligen Verstärkers ab. Und die Bauteile im LM-88IA sind von bester Qualität: Lautstärkepotentiometer von ALPS aus Japan, amerikanische MIT- und deutsche MCAP-Kondensatoren, um nur einige zu nennen.

Im Fixed-Modus ist der auf die verbauten und selektierten JJ KT88 angepasste Ruhestrom ab Werk vergleichsweise hoch eingestellt, sodass der Class-AB-Verstärker schon ziemlich lange im Class-A-Betrieb bleibt. Wer mit dem Satz JJ-Röhren zufrieden ist, muss nicht selbst den Ruhestrom justieren, das hat der Hersteller schon erledigt. Sie können den Ruhestrom des LM-88IA aber im Fixed-Modus für jede Endstufenröhre mithilfe eines Schraubendrehers und dem Blick auf das verbaute Amperemeter selbst (!) einstellen, sollten Sie die Röhren mal tauschen oder nach einiger Zeit nachjustieren wollen – Stichwort Tuberolling. Im Kathoden-Bias ist die Justage des Ruhestroms nicht notwendig (siehe Kasten). Dafür liegt dort aber mit 30 Watt etwas weniger Leistung an den Lautsprecherklemmen an. Der Fixed-Modus lädt also zum Experimentieren ein und Sie können zum Beispiel alternative Röhrensätze mit Oktalsockel zur verbauten KT88 nutzen (z. B. KT100, KT150 oder 6550), da der Ruhestrom passend eingestellt werden kann. Der verbaute Satz JJ-Endstufenröhren ist aber schon sehr ordentlich und preislich in einer Liga mit den Mitbewerbern von BTB, Mullard (Russland) oder TungSol (6550). Der Hersteller selbst führt in seiner Dokumentation alternative Röhrentypen für diesen Verstärker. Die 12BH7 aus der Vorstufensektion darf übrigens auch mit einer 12AU7EH als Ersatztyp getauscht werden. Je nach Geschmack und Geldbeutel.

Line Magnetic LM-88IA
Die Anfassqualität lässt sich am schönsten an den Bedienelementen verdeutlichen. Im Verlag gibt es keinen Mitarbeiter, der sich noch nicht dabei erwischt hätte, nur so zum Spaß zwischen den Quellen hin- und herzuschalten.

Der Jazzgitarrist Julian Lage hat mit The Layers ein atmosphärisch dichtes Zusatz-Minialbum zum letztjährigen View With A Room vorgelegt. Die Songs, zusammen mit seinen Mitstreitern Jorge Roeder (Bass) und Dave King (Schlagzeug) eingespielt, werden zusätzlich von Bill Frisell begleitet. Die daraus entstandenen Aufnahmen sind musikalisch eher ruhig und entspannt, aber gleichzeitig aufnahmetechnisch dynamisch für die Nachwelt festgehalten worden. Gerade bei den Stücken, die durch die Akustikgitarre dominiert werden („Double Southpaw“) schafft der Line Magnetic eine Nähe zu den Musikern durch seine dynamische Wiedergabe, auch im Fixed-Bias-Modus! Die Stahlsaiten kommen mit gefühlvollem und doch schnellem Anschlag in den Hörraum, der Kontrabass von Jorge Roeder unterstützt holzig-klar mit genügend Korpus. Dabei schafft der Vollverstärker den Spagat zwischen Detailauflösung und musikalischem Zusammenhalt. Trotz kleiner Besetzung macht die Dynamik der Band die Musik zum Erlebnis für Freunde des gepflegten Gitarrenjazz. Keine Easy-Listening-Plattitüden, sondern großartige Kompositionen, die schön in der Tiefe gestaffelt wiedergegeben werden. Dabei beschreibt die zwischen den Stereolautsprechern aufgezogene Bühne einen satten, gleichmäßigen Halbkreis nach hinten. Die vordere Bühnenkante befindet sich genau auf der Linie zwischen den Lautsprechern. Das macht das Zuhören zu einer entspannten Angelegenheit, da der LM-88IA eben nicht vorlaut, sondern vielmehr souverän klingt und immer Herr der Lage zu sein scheint. Das beziehe ich einmal mehr vor allem auf den Fixed-Bias-Modus. Im Kathoden-Bias bleibt die Ausgewogenheit erhalten, allerdings fehlt mir persönlich ein wenig die Kontrolle in den tiefen Registern. Bei etwas zu gut gemeintem Mastering aktueller Pop-Produktionen kann das aber goldrichtig sein. Die Unterschiede zwischen beiden Modi sind nicht riesig, aber hörbar. Der Grundcharakter des Line Magnetic bleibt jeweils bestehen.

Line Magnetic LM-88IA
Die soliden Cinchbuchsen und Lautsprecherklemmen bieten, was man bei einem guten Röhrenverstärker erwartet: Drei Abgriffe für 4, 8 und 16 Ohm, drei Line-Eingänge und einen Endstufenausgang für den Fall, dass man den Amp über einen separaten Vorverstärker ansteuern möchte.

Im Moment läuft das aktuelle Gorillaz-Album Cracker Island mit der eingängigen Midtempo-Nummer „Silent Running“. Damon Albarn schmeichelt dem Gehörgang mit einer eingängigen, leicht melancholischen Gesangsmelodieführung. Zeitlos schön und aktuell produziert. Hier sind die Drums geradlinig, die Keyboards mit gefilterten Sägezahnklängen singen in Mike-and-the-Mechanics-Manier, und die gepfiffene Melodie schwebt auf einer geschmackvollen, wenn auch sehr weiträumigen Hallwolke. Auch wenn diese Popproduktion in keiner Weise mit dem hervorragend aufgenommenen Jazzalbum von Julian Lage vergleichbar ist – der LM-88IA ist und bleibt ein Langhör-Verstärker. Die leichte „Härte“ der Gorillaz-Aufnahme nimmt er raus, zeigt aber gleichzeitig die Unterschiede der beiden Aufnahmen. Jede Platte bleibt in ihrer grundsätzlichen Klangcharakteristik unberührt. Bei einigen, offenbar für mobile Abspielgeräte optimierten Masterbändern nimmt der Line Magnetic aber die unangenehmen Frequenzanhebungen durch eine leichte Sättigung heraus. Das erinnert mich an gute analoge Geräte in einer Mastering-Kette, die allein dadurch den Klang aufwerten, dass das Signal einfach dort durchläuft, ohne dass etwaige Filter aktiv wären. Bei guten Aufnahmen macht der Line Magnetic das Stereobild ein wenig voller und wärmer, als es bei vergleichbaren Halbleiterkollegen dieser Preisliga der Fall wäre.

Bildergalerie
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Ich will auch noch ein wenig Klassik hören. Rafał Blechacz spielt Chopin. In seiner aktuellen Einspielung für die Deutsche Grammophon zeigt der polnische Pianist, warum er seit vielen Jahren zu den besten Chopin-Interpreten gehört (seine erste Chopin-Einspielung 2007 gewann unter anderem den Echo Klassik). Chopins Klaviersonate h-Moll op. 35 Nr. 2 ist technisch anspruchsvoll, in dieser Aufnahme aber plastisch, dynamisch und emotional. Man hört, dass Blechacz diese Sonate schon lange in seinem Live-Repertoire hat. Der Line Magnetic zeigt auch hier wieder seine dynamischen Fähigkeiten. Dadurch entsteht eine intime Emotionalität, die selbst bei geringen Wiedergabelautstärken erhalten bleibt. In den leisen Passagen klingt das Instrument ebenso natürlich und realistisch wie im Forte. Dabei spielt der Röhrenvollverstärker immer im Dienste der ihm dargebotenen Musik und lässt ihr die jeweils eigene Charakteristik. Hören Sie sich nur den bekannten Trauermarsch an: Das hat eine ungewohnte Tiefe und lässt dieses doch sehr häufig gespielte Stück in neuem Licht erstrahlen.

Der Line Magnetic LM-88IA spielt dank seiner gegengekoppelten 42 Watt Ausgangsleistung problemlos an vielen Lautsprechern und behält stets die souveräne Kontrolle, vor allem wenn es um die Dynamik der Aufnahmen geht. Hochwertige Bauteile und ebensolche Verarbeitung, zwei unterschiedliche Röhrenmodi und die Möglichkeit der eigenhändigen Einmessung von alternativen Röhren runden das stimmige Gesamtpaket gekonnt ab.

Line Magnetic LM-88IA

Fixed und Kathoden-Bias

Der Ruhestrom (Bias) ist ein wichtiger Faktor für eine Röhre. Ist er zu niedrig eingestellt, klingt der Verstärker im besten Falle flach und kraftlos, ist er zu hoch eingestellt, kann die Röhre Schaden nehmen. Beim Kathoden- oder auch Auto-Bias wird ein geringwertiger Widerstand zwischen Kathode und Masse verbaut und sorgt für die notwendige negative Vorspannung. Der optimale Kathodenwiderstand findet dabei einen Mittelweg zwischen größtmöglich abzugebender Leistung und möglichst geringer Verzerrung. Ein etwas höherer Kathodenwiderstand verlängert zwar die Lebensdauer der Röhre, verringert aber auch die abgegebene Leistung. Generell arbeitet eine Röhre im Modus Kathoden-Bias weniger effizient als im Fixed-Modus und neigt eher zu leichten Verzerrungen – dafür klingt sie theoretisch dynamischer. Bei einem Röhrenwechsel muss diese Art der Schaltung nicht neu eingemessen werden, daher auch der Begriff „Auto-Bias“.

Line Magnetic LM-88IA
Im „Fixed Bias“-Modus lässt sich der Ruhestrom mithilfe eines Schraubendrehers justieren, der LM-88IA lädt also zum Experimentieren ein. Neben KT88-Röhren anderer Hersteller lassen sich auch andere Röhrentypen verbauen, solange sie sockelgleich sind – KT100, KT150 oder 6550 bieten sich als Kandidaten an.

Bei der Betriebsart „Fixed Bias“ wird der Arbeitspunkt jeder Röhre mit einem regelbaren Widerstand (Poti) festgelegt. Die Schaltung ist effizienter und liefert bei derselben Röhre mehr Ausgangsleistung. Darüber hinaus neigt sie weniger zu Verzerrungen, klingt kontrollierter und in der Regel etwas weniger dynamisch als Kathoden-Bias-Schaltungen.


Info

Röhrenvollverstärker Line Magnetic LM-88IA

Konzept: Röhrenvollverstärker mit Gegenkopplung und wählbaren Modi (Kathoden- oder Fixed Bias)
Besonderheiten: Amperemeter zur Einstellung des Ruhestroms der Endröhren, Punkt-zu-Punkt-Verdrahtung, Fernbedienung, gut verständliche Bedienungsanleitung in deutscher Sprache
Eingänge: 3 x RCA (Line), 1 x RCA (Endstufe)
Ausgänge: 1 Paar Lautsprecherbuchsen mit Abgriffen für 4, 8 und 16 Ω
Ausführung: Schwarz
Leistung pro Kanal (4 Ω): 42 W (Fixed Bias), 30 W (Kathoden-Bias)
Maße (B/H/T): 44/22/37 cm
Gewicht: 30 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: um 3300 €

Kontakt

IAD GmbH

Johann-Georg-Halske-Straße 11
41352 Korschenbroich
Telefon +49 2161 617830
info@iad-gmbh.de

www.linemagnetic-deutschland.de

www.iad-gmbh.de

Mitspieler

Vollverstärker: Luxman SQ-N150
Plattenspieler: Elac Miracord 70 mit AT-PTG33/II
Phonovorverstärker: Luxman E-250
CD-Player/Wandler: Luxman D-N150
Lautsprecher: Klipsch Heresy IV, Quad S4
Kabel: Ecosse, Tara Labs, HMS, Furutech, Supra

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