Line Magnetic LM-150IA
Lassen Sie sich von der Headline nicht verwirren. Wir bleiben seriös. Der zugegebenermaßen etwas provokante Titel soll lediglich auf die klanglichen Meriten von Line Magnetics Röhrenvollverstärker LM-150IA verweisen – und glauben Sie uns: Er passt!
In aller Kürze:
Der Line Magnetic LM-150IA ist ein außerordentlich gut gemachter Push-Pull-Verstärker, der mit seiner Potenz so ziemlich jeden Lautsprecher in den Griff bekommt und klanglich alles richtig macht.
Beim Thema Röhrenverstärker bin ich maximal vorbelastet. Ich gestehe, dass ich bei diesem Thema nicht ansatzweise Neutralität garantieren kann – ich bin und bleibe „verröhrt“ und „verhornt“. Den unter HiFi-Fans nie endenden Streit, ob nun ein Transistor- oder ein Röhrenverstärker besser sei, verfolge ich schon lange nicht mehr. Ich bin erzmetaphysisch strukturiert. Mich holen die durch die Bank emotionsgeladenen Röhrenkonstruktionen mit ihrem klanglichen Sexappeal immer wieder ab – der eine Amp mehr, der andere weniger. Und bei dem hier in Rede stehenden Line Magnetic LM-150IA wird der zugegebenermaßen verwöhnte Senderöhrenhörer mit recht potenten Pentoden konfrontiert.
Die Faszination für Röhrentechnik und der Klang von Röhrengeräten von Western Electric (präzise: jenem der Vintagetypen aus den 1950er Jahren) waren für die Brüder Cai und Xi Zheng Motivation, um im Jahre 2005 die Firma Line Magnetic zu gründen und sich konsequent mit Röhrenprodukten zu beschäftigen. Sie entwickelten zuerst Übertrager und lieferten diese unter anderem an Cayin. Zunehmend interessierten sie sich nicht allein für die Vintage-Röhrentechnik; so ganz nebenbei kümmern sich die beiden nun immer intensiver auch um die Entwicklung und Herstellung von Lautsprechern nach historischen Vorbildern. Doch das ist eine andere Geschichte.
Das Aussehen der Verstärker von Line Magnetic ist eindeutig oldschool. Vor einigen Jahren war dies mit der (damals noch erhältlichen) silbergrauen Hammerschlaglackierung sogar noch intensiver ausgeprägt, was mir seinerzeit überaus gut gefallen hat – mal was ganz anderes. Aktuell gibt es nur noch Schwarz als Gehäusefarbe. Wuchtige 32,5-Kilo-Vollverstärker wollen aus dem Karton geholt sowie entpackt werden – mit einem kurzen Hub sitzt der Amp auf dem Rack. Konstruktionsbedingt bekommt er den obersten Platz. Mit klassischen 43 Zentimetern in der Breite, 35,5 Zentimetern in der Tiefe und gar nicht so ausladenden 22 Zentimetern in der Höhe thront er vorzugsweise „on top“.
Gleich nachdem feststand, dass ich diesen Test schreiben würde, hatte ich im Internet nach Informationen gesucht, und ein dort aufgefundenes Bild vom Innenleben hat die Vorfreude beflügelt. Eine superexakte Verarbeitung mit Direktverdrahtung für alle kritischen Leitungswege bei den Röhren und Transformatoren – so wurde das früher gemacht! Mit speziellen EI-Transformatoren (für die Stromversorgung und die Ausgänge) sorgt man bei Line Magnetic für die notwendigen elektrischen Grundlagen. Die Besonderheit von EI-Transformatoren liegt in deren Konstruktion. Hier werden Bleche in E- und I-Form abwechselnd (und elektrisch voneinander isoliert) geschichtet, was für geringe Streuverluste sorgt. Der Röhrenamp von Line Magnetic wird aufwendig handgefertigt. Die Bias-Kontrolle erfolgt unkompliziert und ist im Grunde selbsterklärend.
Den Einschaltknopf an der Front muss ich ausdrücklich loben. Rückseitig nehmen drei RCA/Cinch-Eingänge Zulieferer an, und ein Pre-In lässt den Vollverstärker bei Bedarf in Windeseile zur Endstufe mutieren. Entsprechend verkabelt und an der Front dazu den kleinen Kippschalter umgelegt – schon spielt die Musik. Anschluss finden typischerweise 4-, 8- und 16-Ohm-Lautsprecher, der Softstart sorgt mit seiner Zeitverzögerungsschaltung (30 Sekunden) für sichere Betriebsverhältnisse. Der mittels kompakter Fernbedienung bedienbare Alps-Lautstärkeregler wurde sorgsam auf Gleichlauf ausgemessen, und der Einsatz der vier Mundorf-Kondensatoren vom Typ MCap Supreme zeigt den Anspruch auf Perfektion des Herstellers. Klar, das ist jetzt nicht die aufwendigste Linie des deutschen Herstellers, immerhin handelt es sich hier aber um metallisierte PP-Film-Kondensatoren, die auf einer audiophilen Wickeltechnik von Mundorf basieren. Das spezielle Layout dieser Kondensatorfilme macht es möglich, zwei ineinanderliegende und gegensinnig gewickelte Kondensatorwickel so miteinander zu verschachteln, dass sich die Induktivitäten der einzelnen Wickel nahezu aufheben.
Um eine Verfremdung des Musiksignals durch Mikrofonie auszuschließen, werden sie in einem gesonderten Prozess zusätzlich von Hand mechanisch stabilisiert und anschließend in speziellen Gehäusen vergossen. Das laut Hersteller zu erwartende klangliche Ergebnis ist, dass die Musik vom Lautsprecher losgelöst und von einer überaus holografischen Plastizität in der Bühnendarstellung präsentiert wird. Bingo: Exakt dies zeigt sich im Klangbild des LM-150IA, doch dazu gleich mehr. Ein persönlicher Blick in sein Innenleben bestätigt die hochakkurate Handlungsweise in Bau und Ausführung, und die bereits erwähnten perfekt lackierten Oberflächen bestätigen den selbstgesetzten hohen Anspruch des Herstellers schon beim ersten Augenkontakt. Hier können die Chinesen inzwischen mit nahezu allen bekannten Edelprodukten aus Japan mithalten.
Im Programm des Herstellers steht der LM-150IA als Gegentakt-Stereo-Vollverstärker der Klasse AB mit vier KT150-Ausgangsleistungsröhren (Tung-Sol), zwei 12AX7-Eingangsröhren, einem 12AU7-Vorstufenpuffer und zwei 6SN7-Treibern (Electro-Harmonix), die final 100 Watt pro Kanal liefern, zur Wahl. Die Röhren sind seitens des Herstellers allesamt sorgsam ausgewählt und sollen klanglich ganz vorzüglich passen.
Rückblick: Vor geraumer Zeit hatten wir einen Bericht über verschiedene Röhrentypen in einem Röhrenvollverstärker gebracht, und die Resonanz darauf war hoch. Dem Wunsch nach einem Vergleich der beiden KT-Typen (120 vs. 150) von Tung-Sol wird an dieser Stelle gerne nachgekommen, denn der LM-150IA kann alternativ auch mit KT120 betrieben werden. Zwar verringert sich die Leistung dann auf zweimal 60 Watt – aber mal ehrlich, diese Leistung reicht bei vernünftigem Wirkungsgrad der angeschlossenen Lautsprecher doch immer noch lässig. Der wesentliche tonale Unterschied zwischen den beiden Röhren ist deutlich hörbar: Die KT150 ist besonders untenherum kräftiger und die Tiefen besitzen ein sehr ordentliches Volumen. Das erzeugt eine solide Kontrolle in allen Frequenzbereichen – und davon profitierten besonders die Mitten. Allerdings ist die Bestückung mit KT120 (für fast die Hälfte des Preises der KT150-Röhren) alles andere als zu verachten. Der Bass ist hier immer noch mehr als ausreichend, dafür zeigt diese Röhre mehr Luft um die Instrumente herum, verbunden mit einem sehr schönen Timbre. Also, wie bereits beim genannten Röhrentest schon angemerkt, ist der Unterschied nicht so deutlich „wie Tag und Nacht“, sondern wie so oft eher differenzierter. Wenn man mich fragen würde, wäre die KT120 in meinem Fall der klangliche Favorit, während das große „Zäpfchen“ KT150 eindeutig cooler aussieht.
Von BTB Elektronik in Fürth wurden uns (nicht nur) die vier gematchten Tung-Sol KT120 zur Verfügung gestellt – mein Dank dafür ins Frankenland. Man gestatte mir an dieser Stelle eine kurze Bemerkung zum Thema Matching: Da ist ausschließlich die Methode zielführend, dass die jeweiligen Kennlinien in ihrem kompletten Verlauf (!) ausgemessen werden, und erst dann wird selektiert (bei BTB verfährt man so). Es macht meines Erachtens durchaus Sinn, sich mit den mitspielenden Röhren zu beschäftigen.
Hier passen bei den beiden 6SN7 auch 6NP8, 6H8C, 6H8M, 6F8G, CV181, QB65 oder ECC32, wobei mein ganz persönlicher Favorit die Linlai CV181-Z Treasure ist. Ihr Klangvermögen hat sie nach rund 35 bis 40 Stunden erreicht – dann begeistert sie durch einen weiteren und herrlich ausdrucksstarken tonalen Klang. Die 12AU7/ECC82 lässt sich durch 12AU7EH, 5814, 6189 und CV4003 ersetzen, und die 12AX7/ECC83 sind alternativ durch 12AX7EH, E83CC, CV4004, ECC803 oder 5751 austauschbar. Meine persönliche Präferenz ist in beiden Fällen ganz eindeutig jeweils die entsprechende BTB S4A Premium. Das sind einfach extrem gute Röhren, die zudem in Europa gefertigt werden. Dies nur mal angemerkt zum Thema Tube Rolling.
Schon bei den ersten Tönen des Verstärkers wurde klar, in welche Richtung er marschiert – ganz eindeutig offen und überaus potent. Da freut sich der Rezensent und sucht sogleich bestklingendes Musikmaterial. B.B. King und Eric Claptons Riding With The King eröffnete die Hörsession gleich mit der richtigen Lautstärke. Track Nr. 11: „Hold On, I’m coming“ – diese Message könnte die Botschaft des LM-150IA sein. Bei Track Nr. 5 („Three O’Clock Blues“) gönnte ich mir die erste Pause und legte danach Santana mit Supernatural auf. Hier sind einige Stücke drauf, die gerade bei der Basswiedergabe jeder Anlage einiges abfordern, zwingend zählt der Titel „Corazon Espinado“ dazu. Danach erschien Mick Jagger auf meiner (Hörraum-)Bühne mit „God Gave Me Everything“, dieser Titel passt wunderbar zum Line Magnetic LM-150IA.
Als Livemitschnitte kamen dann nacheinander Nils Lofgren mit Acoustic Live und Eric Clapton mit Unplugged dran. Der Röhrenvollverstärker war in seinem Element, wunderschön stimmig übertrug er die feinsten Details, und besonders bei Rabih Abou-Khalils The Cactus Of Knowledge untermauerte er diese Fähigkeit noch. Eine meiner Lieblingsscheiben ist seit Jahren The Al di Meola Project – Kiss My Axe. Eine sehr komplexe und stilübergreifende Aufnahme, die gerade beim Thema Impulsgenauigkeit ordentlich Leistung von jeder Anlage einfordert. Auch dies meisterte der schwarze Kraftbrocken ohne jede Mühe.
Klanglich ganz was anderes kam mit Officium von Jan Garbareks Hillard Ensemble zu Gehör. Gregorianische Gesänge mit unter die Haut gehenden Saxofonklängen produzieren bestimmt nicht nur bei mir Gänsehautstimmung. Und schließlich war mir final nach Klassik. Vivaldis Vier Jahreszeiten befinden sich in den unterschiedlichsten Interpretationen in meinem Musikfundus. Die Aufnahme des English Chamber Orchestras mit Nigel Kennedy als Solist gefällt mir immer wieder bestens, und sogleich folgte Georg Friedrich Händels Wassermusik in einer Aufnahme des Westdeutschen Rundfunks vom Juni 1983 in der Oetker-Halle zu Bielefeld auf Vivaldis Violinkonzerte. Den Abschluss bildete die Symphonie Fantastique von Hector Berlioz. Unter der Leitung von Claudio Abbado spielte mich das Chicago Symphony Orchestra in den Klassikhimmel … Bravourös meisterte der Line Magnetic LM-150IA das beschriebene Programm.
Fazit
Der Line Magnetic LM-150IA ist ein außerordentlich gut gemachter Push-Pull-Verstärker, der mit seiner Potenz so ziemlich jeden Lautsprecher in den Griff bekommt und klanglich alles richtig macht. Ich betrachte ihn als akustischen G-Punkt – das ist nichts anderes als der Punkt, an dem eine Anlage die Musik einfach geil wiedergibt. Und den suchen doch alle HiFi-Fans …
Info
Röhrenvollverstärker Line Magnetic LM-150IA
Konzept: Push-Pull-Röhrenvollverstärker auf KT-150-Basis
Eingänge: 3 x Hochpegel, 1 x Vorverstärker-Eingang
Ausgänge: 1 Paar Lautsprecherterminals mit Abgriffen für 4, 8 und 16 Ohm
Ausgangsleistung: 2 x 100 Watt
Leistungsaufnahme: ca. 480 Watt im Leerlauf
Abmessungen (BxHxT): 430x 217 x 355 mm
Gewicht: 32 kg
Garantie: 2 Jahre
Preis: um 6000 €
Kontakt
IAD – GmbH
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