Den Produkten von Lector eilt der Ruf voraus, fürs Geld ausnehmend gut zu klingen. In unserem konkreten Fall können Sie die Einschränkung „fürs Geld“ getrost streichen.
Hat die Qualität der Musikwiedergabe in den letzten fünfzig Jahren einen Fortschritt oder einen Rückschritt gemacht? – Das ist eine sehr interessante Frage.“ Mit diesen Worten eröffnet Claudio Romagnoli unser Gespräch auf der diesjährigen HighEnd in München. Obschon er dabei leicht verschmitzt dreinblickt, meint es der sympathische Chef der italienischen Manufaktur Lector vollkommen ernst, als er mir in feinstem Italo-Englisch erzählt, dass sich seine Produkte klanglich am „sound from 50 years ago“ orientieren.Da drängt sich mir sofort eine weitere interessante Frage auf: Wie mag wohl ein CD-Spieler – also ein Gerät, das auf einer 30 Jahre alten, inzwischen hoffnungslos überholten digitalen Technologie basiert – klingen, dessen Entwickler überdies ein 50 Jahre altes Klangideal anstrebt? Wenige Tage nach der Messe ist der CDP-7TL Mk 3 bei mir eingetroffen, und schon mit den ersten Takten wird klar, dass dieses „altbackene“ Ding besondere Fähigkeiten besitzt.
Details vs. Musik
Mit den meisten CD-Playern ist das ja so eine Sache. Klar, sie klingen zweifellos unterschiedlich, aber jedesmal, wenn ich direkt nach einem ausgiebigen Digital-Vergleich kurz einen halbwegs vernünftigen Plattenspieler gegenhörte, fragte ich mich, wozu ich mir die Mühe davor eigentlich gemacht hatte. Hier war nämlich plötzlich ein Unterschied zu hören, der die zuvor festgestellten Differenzen zwischen den Digitalisten zu ziemlich bedeutungslosen Marginalien zusammenschrumpfen ließ. Nachdem dieser qualitative Abstand zur LP auch mit dem teuersten Digital-Equipment kaum jemals nennenswert geringer wurde, sah ich irgendwann ein, dass auf den Silberlingen einfach weniger drauf ist.
Gegen Ende der Neunziger ließen mich dann erstmals die grandiosen großen CD-Maschinen der französischen Firma Jadis aufhorchen. Zwar konnten auch sie nicht mehr Feinheiten aus den Discs extrahieren, als nun einmal aufgezeichnet waren, aber sie zeigten mir eindrucksvoll, dass es in erster Linie gar nicht so sehr um die Menge an Details geht, sondern vielmehr um die Art und Weise, wie mit der vorhandenen Information umgegangen wird, wie gut also der musikalische Inhalt zur Geltung kommt. So viel vorweg: Obwohl er nur vergleichsweise überschaubare 3250 Euro kostet, spielt der Lector CDP-7 in dieser Hinsicht bereits mit seinem externen Standardnetzteil PSU-3 geradezu unverschämt weit vorne mit. Übernimmt gar das optional für weitere 1800 Euro erhältliche PSU-7 seine Stromversorgung, zählt der Toplader zu den besten CD-Drehern, die bislang bei mir waren – und zwar unabhängig vom Preis.
Lector-Technik
Claudio Romagnolis Vater gründete die Firma Lector vor 30 Jahren. Im Angebot sind neben dem hier vorgestellten Siebener-Player derzeit noch dessen kleiner Bruder CDP-0.6T, ein CD-Laufwerk, diverse D/A-Wandler und Phono-Pres plus einige Voll-, Vor- und Endverstärker. In Arbeit befinden sich außerdem ein Universal-Player, der praktisch alle digitalen Scheiben abspielen können soll, sowie der „iDrive Transport“ für die kompakten Spielzeuge von Apple.
Schick kommen sie allesamt daher mit ihren schwarz glänzenden Acrylfronten. Die Seitenwangen von CDP-7 und PSU-7 sind neben der abgebildeten Variante in schwarzem Acryl auch in Kirsche erhältlich und kosten in beiden Ausführungen 200 Euro extra pro Gerät. Serienmäßig ist der Player mit Cinch-Ausgängen ausgestattet und verzichtet aus klanglichen Gründen auf einen Digitalausgang, kann allerdings auf Kundenwunsch auch mit diversen digitalen Schnittstellen sowie XLR-Buchsen geliefert werden. Was Claudio Romagnoli freilich dazu bewegte, meinem Exemplar einen koaxialen „Dummy“-Anschluss zu verpassen, der intern nicht verbunden ist, weiß ich leider nicht.
Der CDP-7 steht wackelfrei auf drei Edelstahl-Füßen, die über Gummi- Einsätze Kontakt mit der Stellfläche aufnehmen. In die zusätzlichen Innengewinde der Füße können Spikes geschraubt werden, aber die Mulden eignen sich auch bestens als Aufnahme für meine Keramikkugeln, die dem Lector in meinem Massivholz-Rack zu mehr Durchzeichnung ohne tonale Ferkeleien verhelfen.
Das herrlich große Display lässt sich mit einem kleinen Schalter auf der Rückseite deaktivieren, aber davon würde ich gleich aus drei Gründen abraten. Erstens bringt es klanglich nur einen Fortschritt auf Haarspalterei- Niveau, zweitens reagiert der CDP-7 dann nicht mehr auf die Fernbedienung, und drittens leuchten die beiden – ohnehin viel helleren – Lichter neben dem Display ungestört weiter. Diese zwei LEDs zeigen den Betrieb der analogen respektive digitalen Sektion an – beide Stromkreise können über Schalter am Netzteil separat an- und ausgeschaltet werden. Das ist sehr praktisch, denn so ist es möglich, die digitale Abteilung dauerhaft am Netz nuckeln zu lassen, während die beiden ECC81-Röhren der Ausgangsstufe geschont werden. Claudio Romagnoli betont, dass es sich bei dieser um eine reinrassige Röhrenausgangsstufe ohne jegliche Transistoren im Signalweg handelt. Als Chip für die Digital-Analog-Wandlung kommt pro Kanal zwar ein recht betagter PCM 1704 mit 24 Bit Auflösung zum Einsatz, aber das muss ja beileibe kein Nachteil sein.
Der mechanische Aufwand bei der CD-Abtastung ist bemerkenswert: Die mit einem kleinen Puck magnetisch fixierte Silberscheibe ruht in einer Streulicht schluckenden Kammer auf einem massiven, aufwendig entkoppelten Laufwerksblock. Das Philips-Laufwerk ist übrigens vorbildlich leise und liest CDs rasend schnell ein. Super!
Blick fürs Ganze
Die Zeiten, in denen ein CD-Player bereits dann als gut galt, wenn er nicht so viel falsch machte wie seinerzeit üblich, sind glücklicherweise seit einigen Jahren vorbei. Mit fahlen, zerrissenen Klangbildern, scharfen Höhen oder flachen Räumen braucht sich inzwischen selbst in sehr bezahlbaren Regionen niemand mehr abzufinden. Wer heutzutage aus der digitalen Player-Masse herausragen will, muss folglich über die Pflicht hinaus auch die Kür exemplarisch gut beherrschen – kurz gesagt, er sollte ziemlich genau so klingen wie der Lector CDP-7. Dessen Darbietung ist so ungewöhnlich körperhaft, mühelos fließend und strahlt in derart kräftigen Farben, dass man darüber seine wichtigste Stärke anfangs beinahe als Selbstverständlichkeit verbucht: CDs scheinen via Lector einfach mehr Sinn zu ergeben. Zwar gibt es durchaus CD-Player, die noch ein wenig mehr Feininformationen aus den Tiefen der Pits schaufeln als der Lector. Diese wissen aber selten mit ihrem „Mehr“ auch mehr anzufangen als der Italiener, und das führt dann häufig zu unbefriedigenden, weil rein auflösungszentrierten Klangbildern: Die Aufmerksamkeit des Zuhörers verlagert sich weg vom Erleben der Musik als Ganzheit, als Organismus, dessen einzelne Organe einem gemeinsamen Zweck unterstehen, hin zum isoliert vom Rest präsentierten Detail, das keinen inhaltlichen Bezug mehr hat zur Gesamtordnung, lieber sich selbst zur Schau stellt und damit sinnlos wird. Beim Lector hingegen hat jedes noch so winzige Detail seine Bedeutung und dient dem Ganzen.
Geht’s noch besser?
Zugegeben, manche Player sind eine kleine Idee zackiger unterwegs und spielen im höchsten Hochton etwas ausgedehnter als der Italiener – aber der Witz am Lector ist, dass man dergleichen bei ihm niemals vermisst, so sehr wird man förmlich in die Musik hineingesogen.
Und es geht sogar noch deutlich besser. Wer den CDP-7 gleich mit dem PSU-7 erwirbt, zahlt für das Duo 4850 Euro und spart damit 200 Euro gegenüber der späteren Anschaffung des aufwendigen 17-Kilo-Kraftwerks. Das PSU-7 ist viel mehr als nur ein simples Netzteil, beherbergt es doch neben vier großen Ringkerntrafos auch einen 500-Watt-Trenntrafo, fünf Wechselstrom- und ein zweistufig schaltbares Gleichstromfilter. LEDs auf seiner Front signalisieren, wie präzise der Strom aus der Steckdose die vorgeschriebene Spannung einhält. Bei Bedarf kann das Gerät sogar eine weitere Komponente versorgen, solange diese nicht allzu leistungshungrig ist.
Ich würde allerdings niemandem, der das Geld dafür nicht parat hat, empfehlen, sich das PSU-7 anzuhören, denn es steigert gegenüber dem PSU-3 nicht nur markant die Präzision und Substanz des Topladers, sondern erfreut den Hörer auch mit noch mehr Raum und Spielfreude.
Aber ob nun mit Netzteil Nummer drei oder sieben: Der Lector CDP-7 macht einfach verdammt viel Freude beim Musikhören. Wenn das der von Claudio Romagnoli angestrebte „sound from 50 years ago“ ist, dann hatten die Menschen damals wohl ein besonders gutes Ohr fürs Wesentliche.