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Lautsprecher und mehr

Lautsprecher und mehr – Wo die Röhrenradios wachsen

Ein ganzes Haus voller alter Radios und ungewöhnlicher Lautsprecher. In jeder Ecke steht etwas Neues, Altes, Schräges zum Entdecken – und ein großer, weißer, freundlicher Hund begleitet uns beim Streifzug durchs Haus von Lautsprecher und mehr.

Lautsprecher und mehr

Wolfgang Kühn, dem der freundliche Hund aufs Wort gehorcht, ist sportlich, aufgeweckt und ausgesprochen erklärungslustig. Und dabei so tiefenentspannt, wie es wohl nur frische Luft und großzügige Platzverhältnisse bewirken. Denn Kühns Firma „Lautsprecher und mehr“ befindet sich mitten auf dem Land. Es sind zwar nur rund 50 Kilometer bis nach München, womit das Örtchen Edling noch locker als Einzugsgebiet der Landeshauptstadt gilt, doch von urbanem Leben nicht die geringste Spur. Stattdessen gibt’s hier eine große Wiese, eine dritte überdachte Werkbank im Freien und überhaupt die Möglichkeit, es notfalls auch mal richtig krachen zu lassen, ohne dass gleich der Nachbar stress macht.
Der Firmenname „Lautsprecher und mehr“ verrät es ja schon, ein weiteres Schild im Eingang spricht explizit von „Retro“: Bei Wolfgang Kühn gibt es definitiv mehr zu entdecken als herkömmliche Lautsprecher. Seine Manufaktur mit angeschlossener Werkstatt baut beispielsweise die markanten Keramikkugeln, die wir in FIDELITY Nr. 14 vorgestellt haben. Damit räubert er zwar schon in der aktuellen und durchaus ambitionierten High-End-Liga, doch mindestens ebenso gern kümmert sich der handwerklich begabte Ex-Manager um röhrenbestückte Klassiker aus der guten Stube, insbesondere um größere „Gebissradios“ von Saba, Nordmende, Loewe oder Nordmende aus den Fünfzigern und Sechzigern, aber auch um Plattenspieler der vorvorletzten Jahrzehnte, etwa von Dual. Den Eingangsbereich dominiert eine ganze Regalwand voller Radios in allen nur denkbaren Zuständen, an der gegenüber liegenden Wand warten diverse Boxenprojekte, ganz offensichtlich bestückt mit den markanten Radiolautsprechern aus der goldenen Ära, auf ihre Abholung oder auch auf eine Demonstration. Ein ganzer Tisch voller Chassis und eine dicke, fette Wurlitzer-Jukebox mit goldenem Tonarm machen sich ebenfalls im Eingangsbereich breit.
Wer möchte, kann jedes der ausgestellten Radios in tipptopp restaurierem Zustand erwerben, er kann aber auch selbst ein Erb- oder Fundstück zur Auffrischung abgeben. Kühn schreckt dabei übrigens auch nicht davor zurück, eigentlich hoffnungslosen Fällen im Notfall mit modernen Bauteilen oder Erweiterungen auf die Sprünge und damit zu neuem Leben zu verhelfen. Der sonst so gern „heilige“ Originalzustand für Oldtimer-Radios gilt hier keineswegs für jedes Exponat, und für die mitunter witzigen bis waghalsigen Boxen schon gleich zweimal nicht. Wolfgang Kühn weist dann aber explizit und detailliert auf jede (mögliche) Modifikation, auf jede Nicht-Originalität hin, kann sein vermeintlich frevelhaftes Handeln erlären. Bei „Lautsprecher und mehr“ kauft man nicht die Katze im Sack, sondern entweder einen bestens restaurierten Oldtimer oder eine bestimmte Form von Replica. Oder halt ein modernes Satelliten-/Subwoofer-Soundsystem mit Keramikkugeln und neuzeitlichen High-End-Treibern. Oder man gibt gleich ein ganz neues, individuelles Projekt in Auftrag – Hauptsache, es hat im weiteren Sinne noch irgendetwas mit Beschallung zu tun.
Woher kommt diese Vielfältigkeit, dieses Sich-nicht-festlegen-wollen? Nun, Wolfgang Kühn hatte nach einer klassischen Industriekarriere als Mikroprozessorspezialist bei einem Großkonzern einfach keine Lust mehr auf strenge Regeln und festgefügte Schemata. Vor ein paar Jahren sagte er Weltenbummlerei und hierarchischen Strukturen goodbye und gründete kurzerhand seine eigene, kleine Firma, in der er sich fortan nur noch um das kümmern wollte, was ihm selbst auch Spaß macht. Was ganz nebenbei auch zu interessanten Lichtspiele(reie)n geführt hat: Überall im Haus sind eigene LED-Konstruktionen installiert, von der Werkstattbeleuchtung über bewegungsmeldergesteuerte Außenlampen bis hin zu Kronleuchter-Derivaten mit einer steuerbaren Mixtur aus Warm- und Kaltlichtanteilen. Passend dazu dient ein ziemlich ausladendes Musikmöbel, eine Klangkommode von Blaupunkt mit Schiebetüren, eingebauter Tonbandmaschine und Plattenspieler, als Kerzenständerpräsentationsfläche. Und unser Tour Guide erläutert gern und ausführlich … Und schon geht’s wieder um die nächste Ecke, durch den nächsten Raum, die nächste Treppe hinauf und wieder hinunter. Hier, im zweiten Haus des Grundstücks, dem von der Werkbank im Keller bis zur Party-Zone unterm Dach voll funktionsfähigen „Schau-Haus“, finden sich die allermeisten Entwicklungen (und Kuriositäten) aus Kühns Werkstatt. In der Küche sorgen kleinere Keramikkugeln, von einem Transistor-Youngtimer-Amp angetrieben, für satten Sound beim Kaffeekochen. Im Wohnzimmer sind ein halbes Dutzend aufgemöbelter Plattenspieler in einem selbstgebauten Vertikalregal sorgfältig und separat aufgeschichtet. Im Wintergarten wiederum warten ein massiver Subwoofer und ein hängend gelagerter Dual-Klassiker mit neuer Zarge und Edelholz-Headshell nur darauf, ein bleibendes HiFi-Erlebnis auch mal „ganz anders“ zu erzeugen. Und ja, ein Pärchen Breitbandlautsprecher mit „drehenden Hüften“ gehört heute dazu.

In einem der Treppenaufgänge beherbergt Wolfgang Kühn einen Teil seiner beachtlichen Röhrensammlung, in einem anderen geht’s vorbei an Chassis-Paaren aller Art. Dort geht’s auch hinunter in ein weiteres Lager, gespickt mit noch zu restaurierenden Radios und anderen Spezialitäten, aber auch mit Banalitäten, wie sie in jedem Keller dieser Welt zu finden sind. Freudig kramt der Hausherr ein sehr seltenes Paar von Grundig-Koaxialchassis mit elektrostatischen Hochtönern hervor – ein hochinteressantes Thema, das er bisher noch nicht auf dem Werktisch hatte. Dann wieder hinauf in die Holzwerkstatt, vorbei an der Löt- und Schrauberbank, bis wir schließlich im eher rustikal gestalteten Partyraum landen. Dort beweist eine Braun-Komplettanlage in Bestzustand, dass es auch bei Gerätschaften, die schon mehr als ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel haben, nicht immer Holzfurnier und Braun und Messing sein muss. Danke, Dieter Rams!
Gleich dabeben feiern die fetten Siebziger und Achtzigerjahre fröhliche HiFi-Urstand: ein Dual-Verstärker mit ungefähr zweitausend Knöpfen und Schaltern erstrahlt mit leuchtendblauen LED-Balken. Etwas zurückhaltender illuminiert ist das Sammelsurium von außergewöhnlichen Breitband-Lautsprechern an der hinteren Wand, wahlweise angefeuert von einem modifizierten Saba Freiburg oder einem gestandenen PA-Verstärker. An der anderen Wand lässt sich übrigens eine Leinwand herunterfahren. Das dort installierte Soundsystem ist in erster Linie dazu da, mit Freunden des Hauses hin und wieder einen „gescheiten“ Kinoabend zu verbringen. Ein kleiner, privater Ausgleich des Herrn Kühn zum üblicherweise langen Arbeitstag. Der aber nur deswegen lang ist, weil der Mann schlicht Lust auf das hat, was er hier den lieben langen Tag so tut. Das ist seinen individuellen Werken, den liebevoll herausgearbeiteten Details und der insgesamt Boutique-mäßigen Herangehensweise auch anzumerken. Und weil in diesem Umfeld – Neuerwerbungen, Zufallsfunde, Geistesblitze – auch ständig Bewegung im Warenangebot ist, lohnt sich wohl auch ein regelmäßiger Besuch.

 

www.lautsprecherundmehr.de

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