KS Digital KSD AB300 Aktivlautsprecher – Weltenwanderer und Grenzgänger
Ich habe mit KS Digital die Zukunft gehört. Und sie klingt richtig gut.
Sie kamen langsam, aber dafür umso gewaltiger. Und als sie da waren, gab es kaum ein Medium, das nicht über sie berichtete. Man nannte das noch nicht „Hype“, obwohl es einer war. Aber der Begriff war in jenen Jahren noch so unbekannt wie „Streamer“ oder „WLAN“. Selbst das Internet gab es nur in den Köpfen einiger Visionäre. Die Aktivboxen, um die es hier geht, gehörten und gehören bis heute in die Kategorie „Visionäre Zukunftstechnologie“. Wer es nicht glaubt, möge sich die aktuelle KS Digital AB300 anhören.
Die Idee ist immer noch so einleuchtend wie damals, in den späten 1970er, frühen 1980er Jahren: Statt einen einsamen Leistungs(voll)verstärker oder ein Paar Monoblöcke damit zu betrauen, Tonsignale auf ein Niveau zu hieven, mit dem ein Lautsprecherchassis etwas anfangen kann, was per se nur „so ungefähr“ passen kann, verstärkt man die NF-Signale erst im Schallwandler, vorzugsweise auf die Chassis maßgeschneidert, von denen im besten Falle jedes eine eigene Endstufe bekommt. Die zugehörige Aktivweiche lässt sich erfahrungsgemäß feiner abstimmen, und der Verzicht auf lange Lautsprecherkabel verhindert erfahrungsgemäß sehr erfolgreich die Einstreuung von Störsignalen. Im Studiobereich sind Aktivschallwandler schon lange der Quasi-Standard: Als Vorverstärker dient meist ein multifunktionales Mehrkanal-Mischpult, bei dem man entweder ein Summensignal oder einzelne Kanäle auf die sogenannten Monitore vulgo Abhörboxen legt. So ein Monitor kann ein auf absolute Neutralität getrimmtes Regalböxchen sein, das im Nahfeld arbeitet – man sitzt als Tonmeister in vergleichsweise geringem Abstand davor und kann wichtige Aufnahmeparameter wie Tonalität und Präsenz direkt beurteilen. Es gibt allerdings auch Studiomonitore, die erst in dem Abstand ihr Klangpotenzial entfalten, in dem auch die Lautsprecher zu Hause angeordnet sind. Das ist eine Frage des Platzes und auch der Klangphilosophie dessen, der im Studio an den Reglern sitzt.
Zeit für den Auftritt der KS Digital AB300. Sie ist eigentlich keine Konstruktion für das heimische Wohnzimmer, sondern ein genuiner Studio-Schallwandler, modular aufgebaut, vollaktiv konzipiert und darob an verschiedene Räume problemlos anzupassen.
Das macht das dezidierte Arbeitstier ohne jegliche Abstriche alltagstauglich. Jedenfalls für alle, die wie einst der finnische Komponist Jean Sibelius ein Glas klares Quellwasser einem bunten Cocktail vorziehen. Geschönt, neudeutsch „gesoundet“ wird bei der KS Digital AB300 nämlich nichts, das würde dem Prinzip eines unbestechlichen Abhörgeräts diametral entgegenlaufen.
Die Zutaten für diesen Neutralitätsgaranten sind aufs erste Hinsehen simpel: Die „Zentraleinheiten“ sind Dreiwege-Lautsprecher im Format großer Regalboxen – die Sorte, die der Highender gemeinhin auf ultrastabilen Ständern platziert, weil die dünnen Bretter der folierten „Buchcontainer“ aus dem skandinavischen Möbelhaus das Gewicht der massiven Boliden sowieso nicht auf Dauer aushalten würden. Für Besitzer der KSD AB300 erübrigt sich freilich die Anschaffung mehr oder weniger guter Unterbauten, weil die „B-Unit“ ein Subwoofer mit zwei Tieftonchassis ist, der die Zentraleinheit auf Ohrhöhe hievt und auf simple Weise – vier kurze Aluminiumrohre halten eine Trägerplatte, auf die ohne weitere Entkopplung die „Regalbox“ gestellt wird – aus dem kleinen Monitor einen veritablen Standlautsprecher macht.
Laut Herstellerangaben werden die KSD AB300 in Handarbeit im Saarbrücken hergestellt, jeweils individuell vermessen und mittels eines digitalen Signalprozessors (DSP) in Frequenz und Phase linearisiert. Das AB300-Referenzsystem wird zudem auf den Raum und die Aufstellung eingemessen. KSdigital verspricht eine minimale Abweichung des Lautsprecherpaares vom Idealfrequenzgang von unter 1 dB, gemessen am Abhörplatz.
Zur Evolution – Hochleistungsrechner zur gezielten Echtzeitverbiegung von Lautsprecher-Frequenzgängen waren in den Boxen der 1980er und 90er Jahre noch nicht verbaut – gehören auch die Materialien, die bei den Chassis der KSD AB300 zum Einsatz kommen. Moderne Hightech-Stoffe bescheren den insgesamt drei Zehnzoll-Bässen (je einer in der Zentraleinheit, zwei im Subwoofer), dem Zweizoll-Kalottenmitteltöner und dem Einzoll-Hochtöner schon ohne DSP-Korrektur schnurgerade Messschriebe, von denen die Entwickler vergangener Epochen nur träumen konnten. Laut KS Digital lassen sich die drei Tieftöner leichter in den Griff bekommen als ein einzelnes 15-Zoll-Chassis, und KS Digital-Geschäftsführer und -Entwickler Johannes Siegler betont seinerseits, dass bei den Lautsprechern nur Chassis eingesetzt werden, die entweder aus eigener Fertigung oder aus exklusiver Auftragsproduktion stammen – von der Stange kommt hier nichts.
Die ausgiebigen Tests im FIDELITY-Hörraum beförderten ein ganzes Bündel zum Teil sehr erstaunlicher Ergebnisse zutage. Der Besucher aus der Studiowelt klingt schon ohne Einmessung auf die Raumverhältnisse mehr als ordentlich und hält problemlos mit Heimlautsprechern mit, die zum Teil ein Vielfaches der KS Digital kosten. Daran haben auch die hier verbauten Digitalverstärker ihren Anteil, die mit zweimal 250 und einmal 150 Watt für die drei Wege ordentlich dimensioniert sind und auch bei schnellen, heftigen Impulsen nicht in die Knie gehen. Mit der hauseigenen „FIRTEC Equalization“ macht die KSD AB300 allerdings noch einmal einen Riesensprung nach vorne, der bereits ausnehmend gute Abhörmonitor verwandelt sich in eine Allround-Superbox (um einen Begriff aus dem Goldenen Zeitalter der Aktivboxen zu zitieren).
Ja, Superbox. Für einen Paarpreis um 12 000 Euro. Und zwar ohne Sparmaßnahmen an relevanten Stellen. So etwas geht nur über Stückzahlen, die wohl nicht zu erreichen wären, würde man das höchstwertige Innenleben der KSD AB300 in ein schmuckes Renommier-Gehäuse mit Klavierlack-Finish stecken und ausschließlich an highendige Connaisseure verkaufen. Aber nein, Zielgruppe sind primär die Profis; genau jene Goldohren, die für die Software, für das Futter, für die in Rillen oder Pits oder Bytes gebannte Musikkonserve sorgen. Nachdem sie eine der wichtigsten Schnittstellen zwischen Künstler und Konsumenten verkörpern, sind sie auf erstsahniges Equipment angewiesen. Und in diese Kategorie lässt sich die KSD AB300 ganz eindeutig einordnen.
Auch und gerade dann, wenn man an dem, was aus dem Lautsprecher kommt, nichts mehr ändern kann und will. Weil der Tonmeister die betreffende Aufnahme mit einem Monitor vom Kaliber der KSD AB300 gemastert hat. Für FIDELITY gewährte Johannes Siegler übrigens einen kleinen Einblick in seinen Kundenstamm und verriet, dass mancher Tonmeister an großen Rundfunkanstalten mit KS Digital arbeitet. „Einer hat sie sich sogar privat gekauft und nimmt sie in die Arbeit mit, weil er damit einfach mehr hört“, erzählt Siegler lächelnd.
Dieser Lautsprecher „kann“ auch digital, er verfügt neben analogen Eingängen über einen 24-Bit-Sigma/Delta-Wandler, dem man Nullen und Einsen im AES3-Format von 32 bis zu 192 Kilohertz zuführen darf. Nachdem in der FIDELITY-Redaktion derzeit auch noch der formidable große Lumin-Streamer herumsteht, stand mein Entschluss fest: Die KSD AB300 wird mit dem Lumin als „Vorverstärker“ getestet, für den Hörstoff sorge ich mit meinem Tidal-Abo selbst. Nachdem es hier mittlerweile eine ganze Reihe hochaufgelöst verfügbarer Titel quer durch alle Genres gibt, ist dies mithin das richtige Medium, um dem Studiomonitor, der auch Heimlautsprecher sein will, intensiv auf die Membranen zu fühlen. „Das machen wir auch in der Entwicklung so“, gibt Johannes Siegler zu – die Streamingportale liefern Musik in hoher Auflösung und erstklassiger Qualität.
Ich hatte vor einiger Zeit verkündet, meine Tests ganz konsequent mit Lieblingsmusik zu bestreiten. Was nicht heißt, dass ich nur in der Mottenkiste meiner musikalischen Erinnerungen krame. Seit ungefähr einem Jahr setze ich mich beispielsweise intensiv mit dem griechisch-russischen Dirigenten Teodor Currentzis und seinem Orchester MusicAeterna auseinander. Currentzis’ Sicht auf die Musik von Gustav Mahler ist beispielsweise von singulärer interpretatorischer Intelligenz, Mahlers Sechste Sinfonie ein Meilenstein.
Was er mit der Sechsten Sinfonie Pjotr Iljitsch Tschaikowskys, der legendären Pathétique anstellt, befördert Currentzis nun endgültig in die Ruhmeshalle der ganz großen Klassikkünstler. Strukturell klar, ohne das düstere Werk über Gebühr zu sezieren, ausdrucksstark ohne Gefühligkeit, wuchtig, aber nicht aufgedickt bringt Currentzis das spätromantische Monument zum Klingen – und die KSD AB300 setzt mich so unmittelbar in den virtuellen Konzertsaal, dass ich beim stechenden Bläsereinsatz in der Mitte des ersten Satz unwillkürlich zusammenzucke. „Dieser Klang, der aus den tiefsten Tiefen der Erde heraufzudringen scheint, ist kein Klang mehr, sondern eine gigantische Flutwelle des Schmerzes“, meint Currentzis zu dieser von Tschaikowsky autobiografisch verstandenen Emotionsexplosion. Mit der KSD AB300 spült die Welle machtvoll über mich hinweg – und lässt mich eine Weile atemlos zurück.
Ehe ich in der wohlig inszenierten Depression versinke, wechsle ich auf etwas lebensfroheres, wenngleich auch nicht wirklich überschwängliches Liedgut und gebe mir das Debütalbum der britischen Indiepop-Band London Grammar. In dem einstigen Chartstitel „Hey Now“ finden sich abgrundtiefe Computerbässe, mit denen man im Extremfall einen Tieftöner killen kann. Die KSD AB300 lässt das künstliche Gewitter mit größter Selbstverständlichkeit völlig unangestrengt durch den Raum toben – und verleitet mich zu einem Experiment. Ist die Zentraleinheit doch auch ohne die Woofer-Module schon ein vollwertiger Lautsprecher?
Also wird mit tatkräftiger Mithilfe von FIDELITY-Grafikchef Ralf Wolff-Boenisch umgeklemmt, die „Regalboxen“ dürfen ohne die Mithilfe der zusätzlichen Tieftöner spielen. Mit verblüffendem Ergebnis. Denn an der schieren Tieftonmacht ändert sich wenig bis nichts. „Die laufen auch alleine bis knapp über 30 Hertz hinunter“, bestätigt Johannes Siegler. Die Wirkung der Bassmodule ist – ganz bewusst – eine andere: Sie machen das musikalische Geschehen runder und stimmiger, das Klangbild wird deutlich homogener. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass die KSD AB300 wohl zu den flexibelst einsetzbaren Lautsprechern des Weltmarktes zu zählen ist.
Nicht nur, dass sie zu Hause und im Tonstudio eine ausgezeichnete Figur macht, ihr modularer Aufbau sorgt jenseits der vielfältigen Einmessmöglichkeiten dafür, dass sie an die unterschiedlichsten Räume vom kleinen Arbeits- bis zum großen Wohnzimmer problemlos anpassbar ist. Im kleinen Raum reichen die Zentraleinheiten als vollwertige Fullrange-Schallwandler völlig aus, die Subwoofer-Erweiterung ist die folgerichtige Ergänzung, wenn der Raum größer ausfällt. Und der nochmals erwachsenere Klang sorgt für das Sahnehäubchen. Ganz dicke Empfehlung nicht nur für Tonmeister im Ruhestand.
DSP ist Trumpf
KS Digital-Inhaber Johannes Siegler ist leidenschaftlicher Musiker und befasst sich mit Recording ebenso wie mit Mastering. Daher weiß er, wie wichtig eine präzise Ortung und die verzerrungsfreie Abbildung aller Frequenzen ist. Um diese Vorgaben so perfekt wie möglich umzusetzen, verlässt er sich auf DSP-Technologie: Sofern man die AB300 nicht ohnehin digital ansteuert, werden Eingangssignale mit der Präzision von 24/192 gewandelt. Statt der analogen Frequenzweiche übernimmt ein Prozessor die Verteilung auf die Endstufen der AB300. Er filtert die Frequenzen nicht nur mundgerecht für jedes einzelnen Chassis, sondern korrigiert die Signalpfade auch so im Timing, dass die Signale zeitgleich am Hörplatz eintreffen. „FIRTEC“ nennt KS Digital seinen Satz aus mathematischen Vorschriften, und sie sind maßgeblich verantwortlich dafür, dass die KSD AB300 so präzise und anmachend musiziert.
Eine weitere Fähigkeit von FIRTEC sind programmierbare Equalizer. Die sind auch unter highfidelen Aspekten brauchbar, da sie die Phase der bearbeiteten Frequenzen unverändert lassen – mit einem analogen Klangregler wäre das unmöglich. Neben einem Hoch- und Tiefpass lassen sich pro Lautsprecher drei Bänder aufs Hertz genau programmieren und in zwei Presets abspeichern. Neben geschmacklichen Anpassungen lassen sich so auch Raumkorrekturen vornehmen. Man kann zum Beispiel nervende Moden oder Dröhnfrequenzen im Bass gezielt ausblenden. Um die EQs zu programmieren, benötigt man die optional erhältliche Remote-Control KSD-RC (um 900 Euro). Sie kann auch den Pegel der AB300 steuern und besitzt eine Mute-Funktion.
Wir meinen
Eine Profibox, die jeden Klang-Kulinariker mit der Zunge schnalzen lässt, weil sie zwar unbedingt neutral, aber nie langweilig klingt. Für jegliche Musik von Klassik bis Rock tauglich und dank des modularen Aufbaus an Räume und Finanzpolster anpassbar.
Info
Aktivlautsprecher KS Digital AB300
Konzept: 3-Wege-Aktivmonitor (Regal-/Standlautsprecher) mit modularem Aufbau
Bestückung: 1 x 1″-Hochtöner, 1 x 2″-Mitteltöner, 3 x 10″-Tieftöner
Besonderheiten: D/A-Wandler mit bis zu 192 kHz Abtastrate, eingebaute digitale Endstufen mit 150/250/250 W pro Kanal, DSP mit FIRTEC-Entzerrung, System-Frequenzanpassung und Raumeinmessung
Frequenzgang: 24 bis 24 000 Hz (± 3 dB)
Anschlüsse: studioüblich XLR (analog), AES/EBU (digital)
Maße (B/H/T): 142/30/40 cm
Garantiezeit: 2 Jahre
Paarpreis: 6200 € (A300), 6000 € (B300)
Kontakt
KS Digital
Altenkesselerstraße 17/D1
66115 Saarbrücken
Telefon +49 6881 9364000
Mitspieler
CD-Player: Audio Note Zero, Mark Levinson 390s
SACD-Player: Marantz SA-14 V1, Sony SCD-333 ES, Pioneer D6
Plattenspieler: Clearaudio Innovation Compact, SoReal Audio Seismograph, Dr. Feickert Volare
Tonabnehmer: Clearaudio Da Vinci und Jubilee MC, Denon DL-103R
Phonovorverstärker: Musical Fidelity M-VNYL, Clearaudio Basic
Vollverstärker: Audio Note iZero, Marantz HD-AMP1
Vorverstärker: Mark Levinson No. 38S, Trigon Snowwhite, Marantz SC-22
Endverstärker: Mark Levinson No. 27, Marantz MA-22, John Curl JC3, Trigon Dwarf II
Lautsprecher: KEF R 900, Infinity Kappa 7.2 Series II, MuSiCa NoVa PlethorA
Rack: Creaktiv Midi Reference