Looking for the English FIDELITY Magazine? Just click here!
Krell K300p Phonovorstufe

Krell K300p Phonovorverstärker

Time traveling

Krell K300p

Gute Phonoentzerrer servieren uns die Fähigkeiten von Laufwerk, Tonarm und System. Aber nur die ganz besonderen Phono-Pres lassen bei aller Perfektion die Technik hinter sich und entführen uns in eine andere Zeit. Eine Spurensuche mit dem Krell K300p.

Krell K300p Phonovorstufe

In aller Kürze:
Mit der Krell K300p kauft man eine Entzerrung und Verstärkung für Tonabnehmer, bekommt allerdings eine Zeitmaschine. Und Reisen ins Herz der Musik.

Krell K300p Phonovorstufe


Berlin, Mitte der 1960er Jahre. Die britische EMI wagt sich in das wieder aufgebaute Deutschland. Bisher holte man die Deutschen Künstler der Wahl nach London, nun soll in der Inselstadt aufgenommen werden. Suvi Raj Grubb, einer der wichtigen Produzenten des Labels und Ziehkind des gleichermaßen legendären wie umstrittenen Walter Legge, meint ein Wagnis einzugehen, als er den berühmten George Szell mit dem Radiosinfonieorchester Berlin, einem international noch vollkommen unauffälligen Klangkörper zusammenbringen will. Und tatsächlich zeigt er sich durchaus irritiert von dem sehr traditionell deutsch spielenden Orchester, das so gar nicht in sein gewohntes Klangbild brillanter englischer Ensembles passen will. Weniger scharfkantig agierend, dafür hauptsächlich mit dunklen und gedeckten Farben arbeitend, bieten sie Elisabeth Schwarzkopf für die Vier Letzten Lieder von Richard Strauss ein Bett eher aus schwerem Samt denn aus Seide, lassen ihre wundervolle Stimme umso mehr leuchten, ohne dass sie sich auch nur eine Spur anstrengen muss.

Man hört die noch nicht ganz stimmige Zusammenarbeit in einem teilweise suchenden Duktus des Orchester. Man hat offenbar mitbekommen, dass die klanglichen Erwartungen wohl andere waren. Doch nach dem ersten Ton der Sängerin wandelt sich das Bild, die Musiker biedern nicht mehr an, sondern finden zu ihrer künstlerischen Identität zurück. Diese Aufnahme ist mehr als nur eine grandiose Einspielung eines der innigsten und anrührendsten Stücke, das man sich denken kann. Sie ist ein Stück Zeitgeschichte, ein Dokument der Identitätssuche im Nachkriegsdeutschland, in dem sich außer den Berliner Philharmonikern noch kein anderes Orchester international etabliert hat.

Wenn ich all diese Zwischentöne, Stimmungen und Ahnungen hören kann, die zu den Knochen der bekannten Informationen um diese Einspielung das Fleisch des echten Lebens bringen, ist es klar, dass meine Analogkette in diesem Moment auf einem Niveau spielt, dass jede weitere Diskussion erübrigt.

Krell K300p Phonovorstufe
Macht sich breit: Anders als viele andere Phonovorverstärker kommt der Krell K-300p als Vollformat-Komponente mit 44 Zentimetern Breite daher. Die schwarz gebürstete Metallfront mit der mittig platzierten konvexen Ausbuchtung gäbe den Pre auch ohne den Markenschriftzug klar als Krell zu erkennen.

Moment, war das schon das Fazit? Nun gut, ja, ich bin begeistert. Allerdings werde ich auch um dieses knöcherne Verdikt ein wenig Fleisch legen. Das bin ich Krells exzellentem Phono-Entzerrer schuldig.

Rein äußerlich ist die Krell einer der üblichen Boliden, bei denen gar nicht mal so viel Entzerrer in viel Gehäuse gepackt wird. Die Rückseite lässt jedoch vermuten, dass hier ein wenig mehr Aufwand als andernorts betrieben wurde. Ganze acht Mäuseklaviere, vier pro Kanal, machen sich dort breit und ebnen dem analogen Spieltrieb die Bahn: bei MC Systemen hat man die Wahl zwischen vier Verstärkungen, immerhin neun Abschlusswiderstände erlauben mit ihrem Einstellbereich von 10 Ohm bis 47 Kiloohm die perfekte Anpassung an wohl jedes denkbare System. Nutzt man MM, werden aus den neun Widerständen neun Kapazitäten zwischen 0 und 680 pF, immerhin noch zwei Verstärkungsstufen sind jetzt im Rennen.

Im Innern warten zwei getrennte Verstärker auf die anliegenden Signale. Bei Krell glaubt man nicht an die Universalität von Schaltungen und konzipierte völlig unterschiedliche Designs für MM- und MC-Systeme. Bei den zarten MC-Signalen setzt der Hersteller auf eine Kombination aus besonders rauscharmen, parallel geschalteten Transistoren und einem Burr-Brown SoundPlus-OpAmp, um den benötigten hohen Verstärkungsfaktor von bis zu 62 dB vor einem möglichst schwarzen Hintergrund zu erhalten. Für die wesentlich stärkeren Moving-Magnet-Signale sieht Krell eine Verstärkung von maximal 36 dB vor und setzt diese mit einer FET-Doppelschaltung um. Damit die Stromversorgung der hart erarbeiteten Rauscharmut nicht in die Parade fährt, nutzt der K300p hier einen eigens entwickelten, äußerst leisen und stabilen Nachführregler.

So weit, so konsequent, doch allein aus dem Schaltungskonzept heraus lässt die Performance eines solchen Verstärkers nur bedingt erklären. Mit Sicherheit hilft es, dass die gesamte Entzerrung passiv und diskret aufgebaut ist. Sie erreicht auf diesem Wege eine Nähe zur definierten Kurve (die Abweichung zur RIAA-Vorgabe soll an keiner Stelle mehr als 0,2 dB betragen) sowie eine Kanalgleichheit, die diesen Bereich als mögliche Problemquelle ausschließt. Und auch die auf den bewährten und über jede Kritik erhabenen „Krell Current Mode“-Schaltungen basierenden Ausgangsstufen dürften erklären, warum die K300p keine Fehler macht.

Krell K300p Phonovorstufe
An der Rückansicht zeigt sich die bemerkenswerte Flexibilität des K-300p: Nicht weniger als acht Mäuseklaviere erlauben eine präzise Parameteranpassung, mit der sich wohl für jeden erdenklichen MM- oder MC-Tonabnehmer die optimalen Betriebsbedingungen einstellen lassen sollten. Im Inneren haben die Krell-Designer übrigens ebenfalls hohen Aufwand getrieben: MM und MC werden jeweils von einem völlig eigenen Verstärkerzug bedient.

An welchem der angeführten Punkte die eigentliche Magie passiert, vermögen wir nicht zu sagen. Senkt sich der Diamant in die Rille, stellt sich der Zauber augenblicklich ein, vergessen ist die Aufzählung der Technik, die zwar viel sagt, jedoch nichts wirklich erklärt.

Wieder Berlin, diesmal knappe 40 Jahre früher. Manfred Gurlitt dirigiert 1929 die Berliner Philharmoniker, der blutjunge Josef Wolfsthal spielt das Violinkonzert von Ludwig van Beethoven. Während das Orchester etwas muffig im Hintergrund des Raumes klingt, hören wir nach den ersten Tönen schon, was für eine unglaubliche Musikerpersönlichkeit hier vor dem Mikrofon agiert. Wolfsthal, 1919 im Alter von nur 20 Jahren zum Konzertmeister der Berliner Philharmoniker berufen, seit 1927 Professor an der Berliner Hochschule für Musik und damit Nachfolger von Joseph Joachim, führt mit Klarheit und Energie durch dieses wundervolle Solokonzert. Immer wieder fasziniert und berührt die Leichtigkeit und menschliche Wärme, mit der er uns an der Hand durch die Partitur führt. Dabei ist sein Interpretationsansatz weit härter und klarer als alles, was seine Kollegen danach aufnahmen. Die Kombination Mullova/Gardiner beispielsweise klingt deutlich romantischer. Nein, bei ihm entsteht diese kristalline Klarheit nicht aus einem unbedingten Gestaltungswillen, sondern entspringt einer inneren Logik, die keinerlei weitere Eingriffe benötigt. Daher können gestalterische Härte und menschliche Wärme gleichberechtigt nebeneinander stehen und sich gegenseitig bereichern. Ganz im Ernst: besorgen Sie sich diese Aufnahme. Trotz aller technischer Unzulänglichkeiten, die den Klangeindruck trüben können, werden Sie bei wieder eine andere Einspielung benötigen.

Auch hier sorgt die Krell dafür, dass ich die Aufnahme, das Setup, die Umstände, den Alltag vergesse, der heutigen Welt abhanden komme und mich einem Künstler nähere, der leider schon so lange tot ist (Wolfsthal starb übrigens im Alter von nur 31 Jahren an einer Lungenentzündung).

Gleiche Erlebnisse habe ich, wenn ich mit in die Carnegie Hall zu Harry Belafonte, in die Berliner Philharmonie zu Simon Rattle, in die Royal Festival Hall zu John McLaughlin versetzen lasse. Dabei spielt sich die k300p nie in den Vordergrund, bleibt immer nur dienstbarer Geist. Wenn man ihr bei aller Akkuratesse doch einen eigenen Charakter zuschreiben möchte, würde ich ihr einen etwas warm gefärbten Tonfall attestieren, der allerdings nichts mit den trüben Boudoirs mancher Röhrenkonstruktionen zu tun hat. Nein, es sind immer noch Transistoren und es ist immer noch Krell. Kein Vertun.

Im täglichen Umgang ist die k300p ein Freudenspender ohne besondere Ansprüche. Ein besseres Netzkabel (in meinem Fall von Vovox) brachte etwas mehr Weite in Klangbild. Besondere Füße unter der Vorstufe kann man sich hingegen sparen, ich konnte keine klanglichen Unterschiede entdecken. Die angeschlossenen Systeme sind in Windeseile angepasst, denn die klangliche Durchlässigkeit sorgt dafür, dass exemplarisch leicht zwischen „passt“ und „passt nicht“ unterschieden wird. Meine diversen Abtaster von Clearaudio (Talisman, Stradivari V2), Ortofon (Vienna, Jubilee) und Denon (DL103 im Aluminium Body) fühlten sich während der gemeinsamen Zeit samt und sonders pudelwohl.

Kein Frage, 8500 Euro sind eine echte Ansage für eine Phonovorstufe. Doch komme ich nicht umhin, dieses Gerät jedem wärmstens ans Herz zu legen. Denn die Krell k300p bietet Erlebnisse, die man woanders weder für Geld noch gute Worte bekommt.

Krell K300p Phonovorstufe

Info

Phonovorverstärker Krell K-300p

Konzept: dualer Phonoentzerrer mit zwei diskreten, unabhängig einstellbaren Verstärkerzweigen
Eingänge: 1 x Moving Coil, 1 x Moving Magnet (beide Cinch)
Ausgänge: 1 x Cinch, 1 x XLR
Verstärkung: 44/50/56/62 dB (MC); 30/36 db (MM)
Abschlussimpedanz: 10/25,5/47,5/100/249/475/825 Ω, 1/47 kΩ (MC); 47 kΩ (MM)
Abschlusskapazität: 0/10/20/47/100/220/330/470/680 pF (MM)
Frequenzgangabweichung: ±0,2 dB (RIAA)
Maße (B/H/T): 44/11/29 cm
Gewicht: 5 kg
Garantiezeit: 2 Jahre (5 Jahre nach Registrierung)
Preis: um 8500 €

Audio Reference GmbH

Alsterkrugchaussee 435
22335 Hamburg
Telefon +49 40 53320359

www.audio-reference.de

Mitspieler

Plattenspieler: Transrotor Apollon TMD mit SME 5, SME 3012 u. a.
Tonabnehmer: Clearaudio Talisman und Stradivari V2, Ortofon Vienna und Jubilee, Denon DL-103
CD-Player: Mark Levinson No. 390S
DAC: Merging Technologies
Vorverstärker: Crane Song Avocet
Endverstärker: Digitalendstufe auf ICE Power basierend, Accuphase P-4200
Vollverstärker: Lavardin IT
Lautsprecher: Spendor Classic 3/5, Wilson Audio Sasha DAW
Kabel: u. a. Vovox

Die angezeigten Preise sind gültig zum Zeitpunkt der Evaluierung. Abweichungen hierzu sind möglich.