Krell K-300i
Krells Vollverstärker K-300i zeigt, wie ein klassisches Vollverstärkerkonzept mit hauseigener innovativer Technik zukunftsfähig gemacht werden kann.
In aller Kürze:
Krell K-300i: Krell beweist mit der hauseigenen iBias-Technik, dass Class A auch unter Nachhaltigkeitsaspekten eine Zukunft hat und dass Kraft und Finesse sich nicht ausschließen müssen.
Kennen Sie das? Sie sitzen erwartungsvoll bei Ihrem Fachhändler oder bei einem befreundeten HiFi-Enthusiasten, sind gespannt darauf, den neuen und mit Vorschusslorbeeren bedachten Vollverstärker in Ohren- und Augenschein nehmen zu können, und dann bekommen sie ein schnödes Stück Plastik mit gelatinösen Knöpfen in die Hand gedrückt. Ich frage mich in diesen Momenten immer, wieso ich einem Hersteller Vertrauen schenken sollte, der einem Verstärker mit einem fünfstelligen Preisschild eine Fernbedienung im Gegenwert von wenigen Cent beilegt, die, auch wenn sie technisch funktionieren sollte, eine haptische und ästhetische Beleidigung für meine Hände und meine Augen ist. In Orange, Connecticut scheint man ähnliche Gedanken zu hegen, weshalb man dem Vollverstärker K-300i eine schwere und massive Fernbedienung beigelegt hat, die in ihrer prächtigen Wucht das perfekte Äquivalent zur massiven Bauweise des zu bedienenden Verstärkers bildet.
Eins zu null für Krell, denke ich, und mir schwant bereits zu diesem Zeitpunkt meiner Testphase, dass es vermutlich zwei vergnügliche Wochen werden könnten, zumal auch die Ausstattung keine Wünsche offenlässt: Das Menüsystem auf der Vorderseite bietet Konfigurationsmöglichkeiten wie z. B. die Eingangs-Trimmung, die es ermöglicht, unterschiedliche Geräte auf einen Lautstärkegrad hin anzupassen. Im Theater-Passthrough-Modus kann der K-300i als Herzstück eines Surroundsystems dienen, ohne dass die Zweikanal-Klangqualität darunter leidet. Nun könnte man sagen, dass dies bei einem Vollverstärker dieser Preisklasse selbstverständlich sein sollte, ist es aber leider doch nicht immer. Hier hat es sich bezahlbar gemacht, dass Krell die Produktion nach einem kurzen Abenteuer „Made in China“ wieder zurück nach Connecticut geholt hat. Auch die ästhetischen Unfälle der Vanguard-Serie hat man zum Glück beerdigt und knüpft nun wieder an die unverwüstlichen und schlichten Kraftpakete der 90er und nuller Jahre an. Well done!
Class A für das 21. Jahrhundert
Ein Blick durch die Kühlungsschlitze auf den riesigen Trafo und auch der muskulöse Krafteinsatz, der nötig ist, um den Amp auf das Rack zu wuchten, machen klar, dass hier in Sachen Stromversorgung nicht gespart wurde. Ein 771-VA-Transformator mit einer Kapazität von 80 000 μF bildet eine mehr als potente Basis für absolute Signalkontrolle und hinreichende dynamische Reserven. Der eigentliche entwicklungstechnische Clou aber, der gewissermaßen das konstruktive Herz des K-300i bildet, ist das von Krell vor einiger Zeit eigenständig entwickelte iBias-Design, das die klassische Class-A-Topologie bei Krell abgelöst hat. Aber wie funktioniert iBias, dessen Grundidee wohl noch auf Dan D’Agostino zurückgeht? Class-A-Verstärker beseitigen die Verzerrung, die entsteht, wenn das Audiosignal zwischen positiver und negativer Polarität wechselt, indem sie die Ausgangstransistoren permanent mit voller Leistung betreiben, sodass sie niemals ausgeschaltet werden. Überschüssige, nicht zur Beschallung der Lautsprecher benötigte Energie wird über die Kühlkörper des Verstärkers abgeleitet.
In einem iBias-Verstärker überwacht eine Schaltung kontinuierlich den Stromfluss durch die Ausgangstransistoren und passt die Leistung (oder Vorspannung), die an die Transistoren geliefert wird, unmittelbar den Anforderungen an. Die Ausgangstransistoren werden niemals ausgeschaltet, und es wird nur minimal Energie in Form von Wärme verschwendet. Dieser Verstärker verbraucht nicht nur weniger Strom, sondern läuft auch kühler und kann in einem kleineren Gehäuse untergebracht werden. Letztlich ist die Entwicklung auch dem Gedanken geschuldet, wie man die Qualitäten von Class A in ein Zeitalter notwendiger Nachhaltigkeit retten kann. Bei Krell bemüht man auch gerne den Vergleich, man habe einen Wagen mit 12 Zylindern entwickelt, der den Verbrauch aber nur dann hochfährt, wenn dieser wirklich verlangt werde.
Feinfühlige Kraftmeierei
Diese vollmundige Aussage will dann doch sofort überprüft werden. Vor einiger Zeit ist mir eine CD des japanischen Percussionisten Isao Nakamura in die Hände gefallen, auf der dieser vor allem Kompositionen für einzelne Schlaginstrumente spielt. Ein Showpiece allerster Güte, das sowohl den Intellekt als auch den Bauch anspricht, ist das knapp fünfminütige Thunder von Peter Eötvös für eine Pedalpauke. Verblüffend ist die Lässigkeit, mit der das Krell’sche Kraftpaket hier die Paukenkaskaden in den Raum schleudert. Während man meinem Naim SuperNait anhört, wie dieser mit doch vernehmbarer Anstrengung schieben muss, um die Klangentfaltung des Stücks adäquat in den Raum zu setzen, zaubert der K-300i Nakamuras wildes Spiel wie aus dem Nichts aus den Lautsprechern und behält auch die nötige Spannung bei, wenn die Paukentöne langsam bis ins Pianissimo ausklingen. Dabei ist es alles andere als eine bloße Kraftdemonstration, die man hier vernimmt. Ja, auch bei einer sozial unverträglichen Lautstärke erklingt die Musik vollkommen ansatzlos, sie wird aber in keinem Moment dem Hörer einfach nur um die Ohren geprügelt. Da ist keine Spur von Schärfe, da ist immer ein feines Nachschwingen der Töne wahrnehmbar, und da ist stets ein unnachahmlicher Flow in der Musik – alles Attribute, die sich mit Sicherheit auf das spezifische Class-A-Format des Krell zurückführen lassen.
Ich habe mir angewöhnt, neue Verstärker in einem zweiten Schritt mit eher intimer Musik in geringer Lautstärke zu testen, zeigt sich dann doch, über welche Stützkraft der Amp verfügt, wie es gelingt, die musikalische Substanz auch dann zu erhalten, wenn nur eine geringe Leistung aufgerufen wird. Nicht selten ist dann mehr ein blutarmes Genuschel als ein audiophiles Vergnügen zu vernehmen. Und so wandert das Album Echoes des dänischen Søren Bebe Trio in den CD-Player. Musikalisch ein wenig an das legendäre Esbjörn Svensson Trio erinnernd, bestechen die Aufnahmen vor allem durch eine hervorragende Aufnahmequalität – und das, obwohl (oder gerade weil) sie selbst produziert und im Eigenverlag veröffentlicht wurden. Wenn das mit dem Besen gespielte Schlagzeug sich ein Stück hinter Klavier und Bass im Raum befindet und den statischen Klavierakkorden und dem dezent getupften Bass eine leicht treibende Nervosität hinzufügt, ist trotz des äußerst verhaltenen Spiels eine klar definierte Raumeinteilung erkennbar, die gestrichenen Becken glänzen mit individueller Klangfarbe und die Taktschwerpunkte des Tracks bleiben auch bei gemäßigter Zimmerlautstärke durch den klar konturierten Bass identifizierbar. High End kurz vor Mitternacht, auch wenn die Nachbarn bereits schlafen? Mit Krells K-300i kein Problem!
Digitale Allzweckwaffe
Bleibt noch die Frage nach dem Digitalboard, das für gute 900 Euro Aufpreis zu bekommen ist. Es erweitert die Anschlussmöglichkeiten um ein Vielfaches und ermöglicht zudem über die HDMI-Eingänge die Integration audiovisueller Gerätschaften. Max Merk vom deutschen Vertrieb gab mir den Tipp, doch mal eine PlayStation 5 anzuschließen, was sich mein Sohn nicht zweimal hat sagen lassen: Zocken auf einer klanglich neuen Dimension. Der zum Einsatz kommende Chipsatz von ESS Sabre wandelt die zugespielten Daten schlackenlos und reicht diese ohne störende eigene Fingerabdrücke an die Verstärkersektion weiter. So muss ein DAC klingen, nämlich gar nicht! Wer neben AV-Medien oder Spielekonsolen über Laptop, einen Mac Mini oder ähnliche Gerätschaften zuspielt, sollte über das Digitalboard nachdenken. Wer allerdings ausschließlich Tidal oder Qobuz streamt und bereits über einen guten Client verfügt, kann womöglich auf das Board verzichten, zumal die zur Steuerung vorgesehene mconnect-App nicht der Weisheit letzter Schluss ist und auch die Integration des K-300i aufgrund von IP-Adressen-Konflikten nicht immer ganz problemlos verläuft. Aber das sei nur am Rande erwähnt, schließlich interessiert uns hier der K-300i primär als Vollverstärker; und als solchen lassen wir ihn nochmal richtig aufblühen …
Auch wenn die originalen LP-Ausgaben als audiophile Highlights der Decca-Historie gelten, so sind Georg Soltis Mahler-Aufnahmen in den digitalen Reissues meist ein wenig bissig und nicht mit letzter Tiefensubstanz produziert. So kann dann bei Verstärkern, die klangliche Transparenz über eine künstliche Höhenbetonung vorgaukeln, Yvonne Mintons wunderbarer Alt im Lied von der Erde schon mal die Bodenhaftung verlieren und bei Spitzentönen quasi neben dem Orchester stehen. Nichts davon ist nun in den knapp 32 Minuten des finalen Satzes „Der Abschied“ zu spüren, in den ich hier regelrecht versinken kann. Egal, ob in dem zarten und fragilen Eingangsduett zwischen Flöte und Alt oder in den gewaltig aufbäumenden Tutti-Passagen in der Mitte des Stücks, dem K-300i gelingt immer die Verbindung von Transparenz und Ganzheitlichkeit, die unbeschwertes Langzeithören erst möglich macht.
Keine Wünsche offen
Was bleibt als Fazit? Es gibt sie noch, die guten Vollverstärker vom alten Schlag, die man einst etwas ungestüm als Boliden bezeichnet hat: Kraft ohne Ende, gebaut wie ein Panzerschrank und ein klares Design ohne große Schnörkel. Aber Obacht: Technisch und musikalisch ist das alles andere als oldschool. Zwar gilt das ehrwürdige Prinzip von Class A immer noch als Maßstab, aber mit der iBias-Technik ist das damalige Konzept von Wärme- und Energieverschwendung gegenwärtigen Bedürfnissen angepasst, und musikalisch zeigt der Kraftprotz aus Orange, dass ihm auch feinste dynamische Abstufungen und eine fokussierte Raumabbildung ein ehrliches Bedürfnis sind. Und dass dieser klassische Amp auch noch „digital ready“ ist, spricht erst recht dafür, den Krell K-300i in die Liste der finalen Verstärker aufzunehmen, die das audiophile Herz begehren könnte.
Info
Vollverstärker Krell K-300i
Konzept: Stereo-Vollverstärker mit DAC und Streamingfunktionalität
Eingänge: 3 x Cinch, 2 x XLR; mit Digitalmodul zusätzlich: 1 x koaxial, 1 x optisch, 2 x HDMI, 1 x USB-Host, 1 x USB Device
Ausgänge: 1 x Lautsprecherpaar, 1 x HDMI, 1 x Cinch-Preamp
Ausgangsleistung (8/4 Ω): 2 x 150 W/2 x 300 W
Farben: Schwarz, Silber | Maße (B/H/T): 44/11/46 cm
Gewicht: 24 kg
Garantiezeit: 2 Jahre (plus 2 weitere Jahre bei Registrierung)
Preis: um 13 650 € mit Digitalmodul (12 700 € ohne)
Kontakt
Audio Reference
Alsterkrugchaussee 435
22335 Hamburg
Telefon +49 40 53320359
info@audio-reference.de
Mitspieler
Laufwerke: Thorens TD 126 MK III, Technics SL-1210 MK2
Tonarm: Koshin GST 801
Tonabnehmer: Sumiko Blackbird, Ortofon Concord Century
Phonovorverstärker: Innovative Audio Ultimate 2b, Thel Phono M
CD-Player: Naim CD 5i
Streamer: Naim CD5XS
Vollverstärker: Naim SuperNait
Lautsprecher: Gamut Phi 7
Kopfhörer: Beyerdynamic DT 1770 Pro
Zubehör: Wireworld, Sommer, Creaktiv