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Kompakt-Lautsprecher vs. Stand-Lautsprecher

Kompaktlautsprecher vs. Standlautsprecher

FIDELITY Klangtipp #12 – Kompaktlautsprecher vs. Standlautsprecher

Wer unter dem Begriff „High End“ die Einstellung versteht, keine Kompromisse einzugehen, für den ist der Einsatz eines Kompaktlautsprechers nahezu ausgeschlossen.

Illustration: Ralf Wolff-Boenisch

Pro

Mitunter sind die Augen halt größer als der Appetit. Gern lassen wir uns von Verheißungen blenden und ignorieren die Realität. Ein typisches Resultat liegt in der vollkommenen Überschätzung des eigenen Hörraums. Wir erliegen den Reizen großer Lautsprecher, die den Raum überfordern. Unsere zuvor gehegte Hoffnung, die Mailänder Scala oder das Berliner Berghain lebensnah in die eigenen 20 Quadratmeter zu holen, kehrt sich ins Gegenteil. Die Folgen kann man auf den Fotos vieler Homestory-Threads in einschlägig bekannten HiFi-Foren entdecken: Ausgewachsene Standlautsprecher zwängen sich in Raumecken und gebären ein illustres Festival der Raummoden.

Springt man andererseits über den eigenen Schatten und gesteht sich ein, dass der Hörraum physikalisch nie in der Lage sein wird, die Atmosphäre eines Konzertsaals wiederzugeben, lebt es sich plötzlich viel entspannter. Kompaktboxen sind in kleinen Räumen konstruktiv überlegen. Die optimale Versteifung des Gehäuses ist einfacher zu gewährleisten, eine riesige Auswahl von Stands bietet vielfältige Optimierungsmöglichkeiten und das in der Regel eingesetzte Zweiwege-Konzept garantiert einen homogenen, zeitlich präzisen sowie linearen Gesamteindruck. Bei identischem Preisrahmen können Chassis und Gehäuse mit höherwertigeren Materialien eingesetzt werden.

Mit diesen Fähigkeiten und Vorzügen weisen Kompaktlautsprecher einen probaten Weg zum natürlichen und physikalisch korrekten Hören. Denn gerne wird überhört, dass bei aller Luft nach oben, die eine ausgewachsene Standbox mit sich bringt, unser Hörraum schon lange vorher akustisch dicht gemacht hat. Einer der zentralen Vorteile eines großen Gehäusevolumens wird dadurch ad absurdum geführt. Echte Highender wissen, dass das Hören in den eigenen vier Wänden immer mit Einschränkungen verbunden ist, und versuchen, das Optimum innerhalb des Kompromisses zu erreichen. Und das sind oftmals Kompaktlautsprecher.

Kontra

Warum sollte man sich unnötig bescheiden? Wenn man als HiFi- und Musikliebhaber das ultimative 1:1-Erlebnis sucht, akzeptiert man schließlich keine akustischen Einschränkungen. Warum sollte man den Bassbereich unterhalb von 80 Hertz verleugnen und darauf verzichten, ein Orchestertutti tief in der Magengrube zu spüren? Diese Mängel sind allzu oft Kompaktlautsprechern zuzuordnen.

Häufig stellen die kleinen Lautsprecher optische Lifestyle-Aspekte vor akustische Notwendigkeiten. Um ein adäquates Klangerlebnis zu ermöglichen, muss ein Lautsprecher ein Mindestmaß an Innendruck aufbauen, und dafür wird ein angemessenes Volumen benötigt. Zudem lassen sich einzelne Treiber bei Drei- oder Vierwege-Systemen besser entlasten und die zu leistende musikalische Arbeit besser verteilen. Bei höherwertigen Boxen geht das nicht zu Lasten der Präzision, denn für eine ausgereifte Frequenzweiche ist das keine übermäßige Aufgabe. Dies alles führt dazu, dass Standboxen über einen merklich höheren Wirkungsgrad verfügen, weshalb man auch viel weniger Kompromisse bei der Verstärkerwahl eingehen muss. Schließlich gibt es ausgewachsene Standlautsprecher, die an der gern zitierten Normleistung von einem Watt ohne Mühe einen Schallpegel von über 90 Dezibel erreichen.

Solche Boxen liefern selbst an hochspeziellen Röhrenverstärker(che)n eine Spitzenperformance ab. Und nicht nur dafür ist der Headroom gut. Es ist einfach beruhigend zu wissen, dass auch bei gehobener Zimmerlautstärke immer noch genügend Luft nach oben bleibt, um es auch mal kräftig rocken zu lassen. Das Gehäusevolumen und die Zahl der Chassis sorgen dafür, dass der Lautsprecher das musikalische Geschehen auch bei hoher Belastung locker und lässig reproduzieren kann. Wer unter dem Begriff „High End“ also auch die Einstellung versteht, keine Kompromisse einzugehen, für den ist der Einsatz eines Kompaktlautsprechers nahezu ausgeschlossen.

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