Das Messlabor
Alle Messungen werden mit dem PC-basierten Messsystem „Monkey Forest“ mit einer Auflösung von 1 Hz oder kleiner bei einer Abtastrate von 96 kHz durchgeführt. Als Messmikrofon wird eine ¼”-B&K-Kondensatorkapsel des Typs 4939 zusammen mit einem 2670er-Impedanzwandler eingesetzt. In Verbindung mit einer Kompensationsdatei erlaubt diese Kombination präzise Messungen bis 40 kHz. Verstärkt werden die Signale des Messmikrofons mit dem Messverstärker B&K 2610, bevor sie von einem hochpräzisen 24bit/96kHz-Messfrontend für die Messsoftware zugänglich gemacht werden. Auf der Ausgangsseite stehen zwei kleine 20-W-Messverstärker für die Standardmessung zur Verfügung. Wenn es einmal ernst wird und Bedarf nach viel Leistung besteht, kommen eine Stage Accompany ES40 oder eine Crown I-Tech 12000 HD zum Einsatz.
Innovationen
Blickt man zurück in der Geschichte der Audiotechnik und hier speziell auf den Lautsprecherbau, dann gehört der britische Hersteller KEF ohne Frage mit zu den ganz großen Namen. Gegründet wurde KEF im Jahre 1961 von Raymond Cooke. Der Name KEF wurde dabei ganz einfach von dem Metallverarbeitungsbetrieb „Kent Engineering and Foundry“ abgeleitet, auf dessen Gelände der erste Firmensitz in einer bescheidenen Blechhalle angesiedelt war. Ein Schwergewicht lag bei den Entwicklungen von Raymond Cooke immer auf den Chassis selber, die er nicht nur für seine eigenen Lautsprecher einsetzte, sondern über die Jahre auch in Millionen Stückzahlen an andere Hersteller lieferte. B139, B200, B110 und T27 sind hier die bekannten Typenbezeichnungen von KEF, die jedem Freund englischer Studiomonitore das Herz höher schlagen lassen. Viele der bis heute legendären BBC-Monitore basieren auf Chassis von KEF.
Schon sehr früh, in den 70er Jahren, wurden bei KEF Computer und Fourier Analyzer von Hewlett-Packard eingesetzt, die bei der Entwicklung, Messung und Produktionskontrolle – trotz ihrer damals vergleichsweise sehr bescheidenen Fähigkeiten – gute Dienste leisteten. Das 1973 vorgestellte Modell KEF 104 dürfte so einer der ersten Lautsprecher sein, der sich eines „Computer Aided Designs“ rühmen darf. Mit der 104 entstand die Reference-Serie bei KEF, der 40 Jahre später auch unser aktuelles Testmodell, die Reference 1, noch angehört.
Etwas mehr als 30 Jahre nach Gründung kaufte der japanische Konzern GP (Gold Peak Group) die Firma KEF, in dessen Händen man sich bis heute befindet. GP als Hersteller von Lautsprechern, Videowänden und Batterien im großen Maßstab fand mit KEF eine gut passende Erweiterung des Konzerns, die bis heute einen sicheren Bestand hat. Ein Blick auf die KEF-Homepage und auch in die einschlägigen Magazine zeigt schnell, dass man hier nicht nur von der Geschichte lebt, sondern ganz aktuell das Geschehen durch Innovationen und neue Akzente mitbestimmt. Bis heute werden KEFs High-End-Produkte (Muon, Blade- und Reference-Serie) im Werk in England gefertigt. Alle anderen Lautsprecher entstehen in einem hochmodernen Werk in China mit einem japanischen Qualitätsmanagement.
Uni-Q
Das koaxiale Uni-Q-Chassis zieht sich durch alle Produktklassen bei KEF und geht in seiner ursprünglichen Form noch auf eine Entwicklung des Firmengründers Raymond Cooke aus dem Jahre 1988 zurück. In der heutigen Reference-Serie findet sich der Uni-Q-Treiber in der mittlerweile elften Generation – was klar aufzeigt, wie man bei KEF an der ständigen Verbesserung bewährter Konzepte arbeitet und nicht nur schnelllebigen Trends hinterherläuft. Die grundsätzliche Zielsetzung eines Koaxchassis, nicht nur der Uni-Q Modelle, ist die Abstrahlung des Schalls aus einer Quelle. Das lässt sich in der einfachsten Form mit einem Breitbandsystem realisieren, erfordert am oberen und unteren Ende des Audiofrequenzbereichs jedoch erhebliche Kompromisse. Ein Ausweg sind daher Mehrwege-Systeme mit einer ineinander verschachtelten Anordnung von Hoch- und Tieftöner. Hier gibt es verschiedene Ansätze: vom einfachen vorgesetzten Hochtöner über koaxial durch den Polkern des Tieftöners verlaufende Hochtonhörner mit hinten aufgesetztem Kompressionstreiber bis hin zu hochintegrierten Systemen wie dem Uni-Q, bei dem sich eine Hochtonkalotte in optimaler Position an der Stelle befindet, wo sonst die Staubschutzkalotte des Konustieftöners platziert ist. Ein gutes Koaxsystem zeichnet sich vor allem darin aus, dass sich die beteiligten Wege gegenseitig möglichst wenig stören. Im Uni-Q wurde diesem Punkt besondere Beachtung geschenkt, sodass sich weder der Hochtöner störend im Schallfeld des Tieftöners befindet noch der Tieftöner unschöne Beugungskanten für den Hochtöner ausbildet.
Nach den vielen Vorschusslorbeeren darf man jetzt auf die Messergebnisse besonders gespannt sein. Da man auch bei KEF nur zu gut um die Bedeutung der messtechnischen Analyse von Lautsprechern weiß, ist eine hohe Erwartungshaltung für die Reference 1 sicherlich nicht abwegig.
Elektrische Impedanz
Die Reference 1 ist als 3-Wege-System mit passiver Weiche aufgebaut. Die Trennungen erfolgen bei 350 Hz und 2,8 kHz. Auch zum Thema Frequenzweichen hat man sich bei KEF viele Gedanken gemacht. Die Weichenbauteile wurden dazu zunächst auf ihr Verzerrungsverhalten hin getestet, wobei es zu einigen überraschenden Ergebnissen kam, die verständlicherweise nicht näher erläutert werden. Die daraus aufgebauten Filter sind 1. und 2. Ordnung, da man die Phasendrehungen so gering wie möglich halten möchte. Zusammen mit den Filterfunktionen der Lautsprecher selber ergeben sich dann zwei Übergänge jeweils 2. Ordnung und somit in der Summe 360° Phasendrehung. Hinzu kommen 360° am unteren Ende des Frequenzbereiches durch die Hochpassfunktion 4. Ordnung des Bassreflexgehäuses (siehe Abb. 4). Weitere Aspekte, die für den Entwurf der Filter relevant waren, sind das Abwägen einer Impedanzkorrektur einerseits der Treiber, zum anderen eine Über-alles-Kompensation für den Impedanzverlauf der Box im Ganzen. Beides bringt Vorteile mit sich: Die Filterfunktionen werden genauer abgebildet, wenn die Impedanzschwankungen der Treiber ausgeglichen werden, und der Verstärker sieht eine angenehmere Last, wenn ausgeprägte kapazitive und induktive Anteile kompensiert werden. Andererseits verursachen mehr Bauteile aber auch mehr nichtlineare Verzerrungen; es gilt also, einen optimalen Mittelweg zu finden.
Ebenfalls nicht ganz unkritisch ist ein mögliches Übersprechen zwischen den Filterzweigen einer passiven Weiche. Wer das verhindern möchte, kann bei der Reference 1 auf Bi-Wiring-Betrieb umstellen und so den Tieftonzweig und den Mittelhochtonzweig mit getrennten Kabeln zur Endstufe führen, die dann – einen hinreichenden Dämpfungsfaktor einmal vorausgesetzt – vagabundierende Ströme zwischen den Filterzweigen kurzschließt. Für das Messlabor bietet das Bi-Wiring-Terminal zudem den Vorteil, die Wege einzeln vermessen zu können, was einen besseren messtechnischen Einblick in die Box bedeutet.
Abb. 1 und 2 zeigen dazu zunächst die Verläufe der elektrischen Impedanz in Betrag und Phase. Sehr gut ist hier zu erkennen, wie für den Tieftonweg (rot) mit Tiefpassfilter im Signalweg der Betrag der Impedanz zu den hohen Frequenzen hin ansteigt und sich die Phase schnell dem Wert von +90° nähert. Letzteres bedeutet eine rein induktive Last, die durch die Serienspule im Tiefpassfilter bei hohen Frequenzen entsteht. Komplementär dazu verhält sich der Mittelhochtonzweig (blau) mit einem Hochpassfilter, wo eine Serienkapazität die Impedanz zu den tiefen Frequenzen hin ansteigen lässt, um dann auf einen Phasenwinkel von –90° hinauszulaufen. Beides zusammen ergibt den Verlauf der Box als Ganzes (grün), wo sich ein Impedanzminimum von 3,2 Ω bei 44 Hz erkennen lässt und eine Abstimmung des Bassreflexgehäuses auf 44 Hz. Im Datenblatt wird zwar das Impedanzminimum mit 3,2 Ω korrekt genannt, die Reference 1 aber trotzdem als 8-Ω-Box bezeichnet, was nicht ganz verständlich ist.
Frequenz- und Phasengang
Für die Frequenzgangmessung bietet das Bi-Wiring ebenfalls die Möglichkeit der separaten Messung des Tieftöners und der Mittelhochton-Einheit. Die Messung erfolgt in diesem Fall inklusive der zugehörigen Filter, die immer im Signalweg liegen. Wie sich an den Einzelkurven und der daraus resultierenden Summenkurve in Abb. 3 erkennen lässt, spielen beide Wege gut zusammen und addieren sich zu einem gleichmäßigen Verlauf in der grünen Summenkurve.
Die Summenkurve zeigt auch direkt die Sensitivity der Reference 1 an, wo sich zwischen 100 Hz und 10 kHz ein Mittelwert von 81,7 dB ergibt. Das Datenblatt gibt hier 85 dB an, allerdings auf 2,83 V bezogen. Unsere Messung bezieht sich auf 2V/1m entsprechend 1W/1m für eine nominelle 4-Ω-Box. Beide Werte stimmen somit, verwirren aber ein wenig.
Im Spektrogramm aus Abb. 6 zeigt sich das Ausschwingverhalten der Reference 1 in fast perfekter Form. Die wenigen kaum sichtbaren kleinen Resonanzen bedürfen kaum der Erwähnung und könnten durch Eigenfrequenzen der Gehäusevolumina entstehen. Partialschwingungen der Membranen scheinen für die Mittelhochton-Einheit ein völliges Fremdwort zu sein. Das Uni-Q-Chassis agiert hier völlig makellos.
Eine Qualitätskontrolle auf höchstem Niveau und geringste Abweichungen der Lautsprecher untereinander gehören bei KEF seit jeher zum guten Ton. Wir haben es uns daher nicht nehmen lassen, auch die beiden Testexemplare auf die Paarabweichung hin zu untersuchen. Ob sich daraus eine allgemeine Aussage herleiten lässt, ist schwierig zu beurteilen, da Testexemplare meist schon durch viele Hände gereicht wurden und man nicht unbedingt weiß, was die Lautsprecher dabei schon alles erleiden mussten. Trotzdem fällt das Ergebnis für die Paarabweichung mit einem Höchstwert von 0,45 dB sehr gut aus. Abb. 7 stellt die zugehörige Kurve dar. Gezeigt wird die Abweichung der Frequenzgänge zwischen 100 Hz und 10 kHz mit 1/3-Oktav-Glättung.
Isobaren
Ein gleichmäßiges Abstrahlverhalten, so lässt es sich auch im White Paper zur Reference-Serie nachlesen, gehört mit zu den wichtigsten Kriterien eines guten Lautsprechers. Man mag sich fragen, warum das so ist, wo der ernsthafte Hörer doch bestimmt nur mit exakt auf den Hörplatz ausgerichteten Lautsprechern den Klängen lauscht? Gäbe es keinen umgebenden Raum, also nur Freifeld, dann wäre das Abstrahlverhalten in der Tat eher unwichtig. In der Realität gibt es aber immer einen umgebenden Raum – und damit eine Vielzahl von frühen und späten Reflexionen aus dem Raum und von seinen Einrichtungsgegenständen, die nicht unwesentlich auch zum Klangbild beitragen. Unterliegt das Abstrahlverhalten eines Lautsprechers starken Schwankungen, dann wird das Umfeld abhängig von der Frequenz mehr oder weniger mit einbezogen. Ein breites Abstrahlverhalten bedeutet viel Energie im Raum, ein enges entsprechend wenig. Das Resultat ist ein undifferenziertes und vom Signal abhängiges Klangbild.
Abb. 8 und Abb. 9 stellen das Abstrahlverhalten der Reference 1 für die horizontale und vertikale Ebene in Isobarenform dar. Mit einem mittleren Öffnungswinkel von 100° in beiden Ebenen oberhalb von 1 kHz gibt sich die Reference praxistauglich für normale Abhörsituationen. So weit noch nicht Ungewöhnliches. Beeindruckend fällt jedoch die Gleichmäßigkeit der Isobaren für beide Ebenen aus. Die Schwankungsbreite liegt gerade einmal bei 12° für die Horizontale und bei 15° für die Vertikale. Die kleinen Unregelmäßigkeiten in der Vertikalen sind dem hier nicht symmetrischen Aufbau geschuldet, können aber getrost vernachlässigt werden. Ein solches Resultat, mit fast perfekt konstanten Isobarenkurven, lässt sich nur mit einem sehr gut konstruierten koaxialen Chassis wie dem Uni-Q erzielen.
Maximalpegel und Verzerrungen
Für die Verzerrungsmessungen wurden die beiden üblichen Messverfahren mit Sinusbursts und einem Multisinus-Signal angewandt.
Wir betrachten dazu zunächst eine Messreihe aus Abb. 10, bei der Verzerrungsgrenzwerte von 3% und 10% vorgegeben und dann ermittelt wurde, welchen maximalen Schalldruck der Lautsprecher dabei erreicht, bezogen auf 1 m Entfernung unter Freifeldbedingungen. Zusätzlich gibt es in diesem Messalgorithmus noch eine Leistungsbegrenzung, um wenig verzerrende Lautsprecher nicht irgendwann durch eine Überlastung zu zerstören. Die Messung erfolgt mit 185 ms langen Sinusburst-Signalen. Für die Reference 1 betrug die maximal zugeführte Leistung 400 Watt – d. h. dort, wo beide Kurven zusammenfallen, wurde die Messung durch den Leistungswert begrenzt und nicht durch die Verzerrungen.
Gemeinhin ist diese Art Messung ein sehr schwerer Prüfstein für HiFi-Lautsprecher, wenn nicht sogar ein echtes Killer-Kriterium, wo sich jede Schwäche offenbart. Nicht so bei der KEF Reference 1, die hier mit höchster Perfektion spielt, die 400 W Leistung der Sinusbursts locker wegsteckt und bei nicht mehr als 3% Verzerrungen souverän in adäquaten Schalldruck umsetzt. Erst unterhalb von 200 Hz fällt die Kurve dann leicht ab und die Verzerrungen nehmen zu, was jedoch nicht verwundert, da hier ein einzelnes 160-mm-Chassis einfach an seine Grenzen stößt.
85 dBA Mittlungspegel hört sich im ersten Moment nach wenig an, was sich bei näherer Betrachtung aber schnell relativiert. 85 dBA entsprechen 89 dBZ (unbewertet), die man in 4 m im Freifeld misst. Bezogen auf 1 m werden dann daraus schon 101 dBZ Mittlungspegel. Die Spitzenwerte liegen nochmals ca. 12 dB höher, wo man dann schon bei beachtlichen 113 dBpk angelangt ist. Geht man von einer Sensitivity von 82 dB 1W/1m aus, dann bedarf es dazu eines Spitzenwertes in der Leistung von 1,26 kW. Umgerechnet auf ein Sinussignal sind das 630 W. Ein kräftiger Verstärker kann daher nicht schaden. Er sollte zudem auch noch mit dem Impedanzminimum von 3,2 Ω gut klarkommen.
Fazit Messwerte
Die kompakte KEF Reference 1 gibt sich im Messlabor keinerlei Blöße und macht ihrem Namen wirklich alle Ehre. Ein gerader Frequenzgang, ein außerordentlich gleichmäßiges Abstrahlverhalten – sowohl horizontal wie auch vertikal – und extrem niedrige Verzerrungswerte geben ein rundum stimmiges Bild ab. Überraschend, vor allem in Anbetracht der kompakten Abmessungen, fallen auch die erreichbaren Schalldruckwerte aus, die manch deutlich größeren und teureren Lautsprecher neidisch werden lassen.
Blickt man nicht nur auf die Messwerte, dann stimmt auch der ganze Rest: eine erstklassige Verarbeitung äußerlich und innerlich, hochwertige Komponenten und offene Karten sowie klare Fakten die Technik betreffend. Zum Schluss sei nochmals KEFs White Paper zur Reference-Serie empfohlen, nach dessen Lektüre man weiß oder zumindest erahnen kann, warum dieser Lautsprecher so gut ist.
Hier geht’s zum KEF Reference 1 Hörtest.