Jazzidelity: The K Square – Blue Desert
Berliner Begegnungen
Im Jazz kreuzten sich immer viele Wege. Schon an seinem Geburtsort New Orleans trafen die Worksongs auf die Blasmusik, die Trommeln auf die Oper, schottische Balladen begegneten dem Barpiano, das Banjo stieß auf Kirchenlieder. Dieser wildwüchsigen Mixtur verdankte der Jazz seine überzeugende Vitalität, seine Beweglichkeit über die Jahre hinweg, seinen Überlebenswillen. Der Jazz hat nie wieder aufgehört, ein Tummelplatz aller möglichen Einflüsse zu sein: aus der Klassik, aus dem Blues, aus Brasilien oder Indien, aus Rock oder Rap oder dem Computer.
Ein Symbol des multistilistischen New Orleans war einst der Congo Square, von den Jazzmusikern auch „Ko-Ko“ genannt. Auf diesem Platz feierten die Afroamerikaner schon im 19. Jahrhundert ihren musikalischen Voodoo. Ist der „K Square“ ein modernes Gegenstück dazu? Wo liegt er überhaupt? Kann man ihn besuchen? Ganz offenbar befindet er sich in Berlin, Europas derzeit beliebtestem Musikertreff. Denn dort kommen sie alle zusammen, Solisten aus Ost und West, Süd und Nord – abenteuerlustige Bläser, experimentelle Schlagzeuger, frei rockende Gitarrenspieler. In Berlin feiern sie derzeit eine Voodoo-Mixtur aus vielen Spielarten musikalischer Gegenwart. So wie dieses Sextett, gegründet von dem Gitarristen Charis Karantzas aus Athen und dem Schlagzeuger Julian Külpmann aus Hannover, die auch alle Stücke auf Blue Desert geschrieben und arrangiert haben. Karantzas mal Külpmann, K im Quadrat: Das ist die profane Erklärung für „The K Square“.
Wenn sich ein Gitarrist und ein Drummer zusammentun, darf man davon ausgehen, dass es auch mal etwas lauter werden kann. Zur K-Square-Mixtur gehören deshalb nicht nur verzinkt-chromatische Bläsermotive und mysteriöse Klangschattierungen, sondern eben auch rockige Stolperriffs im ungeraden Takt, dröhnende Alternative-Beats und schrill-elektrische Momente. Die Rhythmen wechseln mitten im Stück von Besengeflüster zu Punk-Energie, die Trompete kommt lyrisch und das Saxophon sperrig – oder auch umgekehrt –, die Gitarre kennt funkelnde Dissonanzen und das E-Piano psychedelischen Drive. Es gibt auch weiche Melodien, ganz ohne Klischee, und mit „Root Bead“ eine überraschende kleine Latin-Humoreske mit warmer Klarinette. Schon im zweiten Stück, „Die Macht des kleinen Mannes“, wird klar, dass auf dem „K Square“ keine Art von Begegnung ausgeschlossen ist. Und manchmal tummeln sich dort sogar namhafte Gäste wie Nils Wogram (Posaune) und David Friedman (Marimba).