Jazzidelity: Bruno Heinen Sextet – Karlheinz Stockhausen: Tierkreis
Karlheinz Jazzhausen
„Play Bach“ gibt es seit mehr als 50 Jahren. Auch Beethoven und Chopin wurden häufig von Jazzmusikern adaptiert – und selbst vor Mahler, Schönberg, Webern und Hindemith schreckten sie nicht zurück. Relativ neu im Klassiker-Reigen der Jazzwelt ist Karlheinz Stockhausen (1928–2007) – obwohl der immerhin als Student selbst ein wenig gejazzt hat und zwei jazzaffine Söhne in die Welt setzte. Zu seinen populärsten Werken zählt der kleine Zyklus Tierkreis (1975), eine Folge von zwölf relativ schlichten, reihentechnisch durchorganisierten Melodien. Ursprünglich schrieb Stockhausen diese Musik für mechanische Spieluhren, fertigte aber diverse Bearbeitungen an, erlaubte auch die Interpretation auf beliebigen Instrumenten und ermutigte sogar zur Improvisation. Er ist also nicht ganz unschuldig. Der Jazzpianist Bruno Heinen trägt einen deutschen Namen, lebt aber in London. Sein Vater Ulrich nämlich wurde 1984 von Simon Rattle, damals noch nicht geadelt, vom Rhein nach Birmingham geholt – als Erster Cellist des CBSO. Zuvor hatte Ulrich Heinen in Deutschland mit Stockhausen gearbeitet, und so waren vier der Tierkreis-Musikuhren im Besitz der Familie Heinen gelandet. Sie waren es, die den Sohn Bruno inspirierten: Tierkreis (Babel BDV 13119) ist nicht nur die erste ernsthafte Jazzadaption eines Stockhausen-Werks, sondern zugleich ein wunderbar eigenständiges und immer wieder verblühendes Jazzalbum. Heinens Version von „Taurus“ kommt als Pianotrio mit Latin-Drall, während sich „Gemini“ als rätselhafte Saxofonballade entfaltet. „Cancer“ entwickelt die kontrapunktischen Möglichkeiten eines Jazzquintetts, „Virgo“ dagegen ist ein sanftes Duo von Trompete und Piano. „Scorpio“ legt harte Bläserstaccati über harten Groove, und in „Pisces“ umspielen einander zwei unbegleitete Klarinetten.
Bruno Heinen wäre kein Jazzmusiker, würde er mit Stockhausens Musik nicht freizügig verfahren. Manche der Sternzeichen-Melodien hat er verändert, manche jazzmäßig harmonisiert, manche improvisierend ergänzt. Doch bei dieser Vermischung der musikalischen Sphären gibt es erstaunlicherweise nur Gewinner: Die Melodien wirken reicher und reifer, die harmonischen Konzepte originell, die Improvisationen tief inspiriert, der gesamte Tonfall hat etwas prickelnd Neuartiges. Heinen streift dabei viele Facetten des modernen Jazz und findet sogar für die originalen Musikuhren eine spannende neue Rolle als „Duo-Partner“. Der Jazz braucht mehr Stockhausen!