Jan Delay, Earth, Wind & Feiern – Wenn Bässe aus den Boxen tanzen
Seit 30 Jahren macht Jan Delay Musik. Auf ein Genre ließ er sich dabei nie festlegen. Er hat gerappt, Reggae und Funk gespielt und sich am Rock versucht. Doch ob bereits in den neunziger Jahren als Mitglied des Hamburger Hip-Hop-Kollektivs Absolute Beginner oder heute als Solokünstler – Jan Delay klingt immer nach Jan Delay. Die Stimme ist sein Markenzeichen – so wie seine umfangreiche Sammlung an bunten Hipster-Hüten. Delays immer etwas gelangweilt bis nuschelnd klingende Stimme – sie gehört zum Soundtrack meiner Jugend. Und sie bestimmt auch sein neues Werk Earth, Wind & Feiern, das mit perfekt produzierten Soundwelten für ein spannendes Klangerlebnis steht.
Album Nummer fünf ist Jan Delays erstes Solowerk seit der 2014 veröffentlichten und von Kritikern eher mäßig wohlwollend aufgenommenen Rockplatte Hammer & Michel. Auf Earth, Wind & Feiern kehrt Jan Delay zum vertrauten Stil-Potpourri aus Funk-Beats, Ska- und Reggae-Rhythmen zurück. Geprägt ist das Werk von einem außergewöhnlich prägnanten Bass-Sound – er brachte den Innenraum meines Autos beim ersten Anhören auf dem Weg vom Officeoffice ins Homeoffice so stark zum Vibrieren, dass sogar eine auf der Armaturentafel abgelegte Corona-Maske zu tanzen anfing. Wie entstand wohl diese wirklich grandios wummernde Klanggrundierung? Anruf bei Kaspar „Tropf“ Wiens, Produzent der Platte. Er stand gemeinsam mit Fiji Kris, Teil des in der deutschen Hip-Hop-Welt renommierten Produzententeams Kitschkrieg, an den Reglern im Hamburger Studio. „Basswissenschaftler“ nennt Jan Delay die beiden. „Dieser charakteristische Sound kann nur mit Synthie-Bässen erzeugt werden“, erklärt nun Kaspar Wiens. Das ist zum Beispiel in der ersten Single-Auskopplung Eule zu spüren: Hier verschmelzen drei übereinandergelegte Basslinien von einem gezupften Instrument und zwei synthetischen Bässen. Nahezu ins Extrem getrieben wird diese Basskunst beim Song „Alexa“. Hier marschierte der Bass förmlich aus den Boxen durchs Zimmer, wo ich mir die Platte dann in Ruhe vorknöpfte. Damit die Bassdrum nicht zu laut wurde, mixte Wiens Delays Beats zwar auf professionellen Studio-Speakern – überprüfte aber jeden einzelnen Song auf Lautsprechern mit vergleichsweise simpler Qualität. „Ein guter Bass muss auch auf dem Handy-Lautsprecher funktionieren“, erklärt der Produzent.
Mit Jan Delay arbeitet er bereits seit 15 Jahren zusammen. Dessen nasale Stimmlage zu verändern kam für den Produzenten nie in Frage: „Je deutlicher sich ein Künstler absichtlich artikulieren muss, desto weniger funkig klingt am Ende die Musik.“ Allerdings, auf eine Sache achte er bei Delay besonders: Wenn der Künstler vor das Mikro tritt, ist der Abstand entscheidend. Der müsse bei Delay möglichst gering sein, „damit die tieffrequenten Soundwellen sich aufstauen und die Stimme deutlich voller klingt“. „Nahbesprechungseffekt“ nennt Wiens das. Für Gastrapper Marteria aber, der beim Song „Eule“ an die Seite von Jan Delay tritt, wurde die Gesangsspur durch einen dämpfenden Low-Pass-Filter geschickt. Ein Kniff von Wiens, um Marterias eher tiefe Bärenstimme harmonisch in den Song zu integrieren. „Da mussten wir einmal kurz die Wolldecke auf die Musik werfen“, so Wiens. „Eule“ gehört zu den aufwendigsten Stücken auf Earth, Wind & Feiern: Es besteht aus 80 Tonspuren. Nur mit feinem Gehör überhaupt wahrzunehmen ist in dem Song ein klirrender Sound im Refrain-Hintergrund, der sich als Triangel herausstellt, die mit Sechzehntelnoten für mehr Tempo sorgt.
Entstanden ist so ein Werk, das jede High-End-Anlage fordert. Man muss kein Fan von Deutsch-Hip-Hop im Allgemeinen oder Jan Delay im Speziellen sein, um das wirklich herausragend produzierte Klangerlebnis von Earth, Wind & Feiern zu würdigen. Feiner Nebeneffekt: Tanzbar ist die Platte auch. Ich hab’s ausprobiert – allerdings dann zu Hause, nicht im Auto.
Jan Delay
Earth, Wind & Feiern
Label: Vertigo/Universal Music
Format: CD, LP, DL 24/44
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