Ist HiFi doch besser?
Was im Studio wirkt, wirkt auch daheim – oder ist HiFi doch besser?
Illustration: Ralf Wolff-Boenisch
Pro
Die allgegenwärtige Diskussion über gefühlte Wahrheiten und alternative Fakten greift auf viele Teile der Gesellschaft über und macht auch nicht vor der HiFi-Szene halt. Über das Wesen von Klängen wird diskutiert. Gar über Anlagen, die es einem erst ermöglichen, Mozart zu verstehen. (Lachen Sie nicht, das kommt vor). Über die ätherisch-klangliche Wirkung von erlesenen Materialien, deren Qualitäten aber bei genauerer Betrachtung gar keinen erwiesenen Zusammenhang zu der Reproduktion von Musik haben. Was soll das alles? Dabei ist die Sache doch klar: Uns geht es um die Musik. Um die Musik, wie sie sich die Musiker gedacht haben, wie sie ihre Stücke in Zusammenarbeit mit den Tonmeistern konserviert haben. Und beim Prozess des Aufnehmens und Mischens über eine bestimmte Art Elektronik gehört haben: Studio-Equipment. Auf Linearität und Präzision gezüchtete Geräte, die in der Regel eher auf solidem Ingenieurswissen denn auf esoterischen Weltanschauungen fußen. Und wenn Musiker beispielsweise beim Mischprozess aufgrund des Gehörten bestimmte klangliche Entscheidungen treffen, wird man logischerweise diese Entscheidungen am besten nachvollziehen können, wenn man mit ähnlichen Lautsprechern hört. Dann ist man zwangsläufig sehr dicht an der klanglichen Idee der Künstler. Und eine Verfremdung nach dem Geschmack eines Audioentwicklers ist hier nun wirklich fehl am Platz. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Vorteil ist der reelle Gegenwert, den man für sein sauer verdientes Geld erhält. Während bei manchen High-End-Preziosen der Zusammenhang zwischen Preis und Inhalt des Gehäuses auch mit wild blühender Fantasie nicht mehr zu erklären ist, bekommt man im Studiobereich – als Beispiel nennen wir mal Neumanns KH 420 – für eine schon größere, aber dennoch überschaubare Summe eine Komplettlösung, die sich vor kaum einem anderen Setup verstecken muss – zudem auf den Raum einstellbar ist. Und nicht rauscht oder brummt.
Kontra
Alles schön und gut – allerdings greifen diese Argumente in vielen Punkten zu kurz. Denn wir reden von einem Hobby, nicht von einem Beruf. Wenn ich mich nach getaner Arbeit in meinem Lieblingssessel niederlasse und Musik genieße, interessiert mich die Wahrheitsfindung nur am Rande. Wichtiger ist, dass die Musik bei mir „wirkt“. Und wenn dabei eine Röhre, ein Horn, knisterndes Vinyl oder ein Glas Rotwein helfen, sind genau diese Mittel die adäquaten Wege zum Glück. Denn meine einzige Aufgabe in diesem Moment ist es, glücklich zu sein – und nicht das Tun von Musikern zu bewerten. Entwickler von HiFi-Elektronik haben diese Punkte im Blick, messen bei der Genese neuer Geräte erst und stimmen dann „nach Ohr“ ab. Es geht nicht um das Schaffen eines möglichst objektiven Werkzeugs, sondern um etwas, das mein Leben verschönert. Die einzige Aufgabe des Hörers ist es, sich durch den Markt zu hören und die Anlagenabstimmung zu finden, die bei ihr oder ihm emotional andockt. Nicht umsonst bleiben viele Kunden, wenn sie einmal „ihren“ Klang gefunden haben, bei einer Marke. Ja, der Preis mancher Geräte ist in der Tat eine Diskussion wert. Zwar reden wir hier auch von einem Kosten-Nutzen-Verhältnis, doch muss man die Kriterien anders definieren. Im Studio geht es darum, in möglichst kurzer Zeit richtige Entscheidungen zu treffen. Hilft mir ein Gerät dabei, ist es sein Geld wert. Wie es aussieht, wie es sich anfasst oder was es „ausstrahlt“, ist völlig nebensächlich. Im Wohnzimmer sieht die Sache schon anders aus. Verspüre ich bei jedem Bedienen einer besonders aufwendig gefertigten Lautstärkeregelung großes Vergnügen, hat sich das Geld schon gelohnt. Ein Kriterium, das im Studio nichts zählt. Vielleicht kann ein Vergleich mit der Fotografie diesen Punkt verdeutlichen: Bei Sony bekomme ich für weniger Geld einen besseren Sensor als bei Leica. Der Spaß, eine Leica M zu bedienen, ist allerdings für manche Menschen nicht mit Gold aufzuwiegen.
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