Dave Rusan von Rusan Guitarworks: Der Erbauer von Prince’s Cloud Guitars, Teil eins
Dave Rusan ist der Inhaber von Rusan Guitarworks in Bloomington, Minnesota. Er hat die legendäre “Cloud”-Gitarre für Prince gebaut, betreibt ein reges Geschäft mit Gitarrenreparaturen und hat viele Geschichten zu erzählen. Außerdem ist er ein Audiophiler. Zu seinen Kunden gehören die Rolling Stones, Sheryl Crow, Brian Setzer, Dire Straits, Genesis, Iron Maiden und viele andere. Ich habe mich ein Paar mal lange mit ihm unterhalten – wir sind beide Gitarrenfanatiker – und unsere Gespräche beginnen mit dem ersten Teil dieses Interviews.
Eine Kooperation zwischen FIDELITY und dem Copper Magazine
Der Originalartikel erschien im Copper Magazine, Ausgabe 184.
Hier geht es zur Website von Rusan Guitarworks.
Dave Rusan: Ich schalte mal meinen Luftbefeuchter aus, damit wir reden können. Ich wohne in Minnesota und muss sie [im Winter] laufen lassen. Es klingt hier immer, als ob ich in einem Flugzeug säße. Ich versuche, den Raum für die Gitarren annehmbar zu machen.
Frank Doris: Bei mir im Keller liegt die Luftfeuchtigkeit gerade bei 35 Prozent.
Oh!
Wobei ich Luftbefeuchter in den Koffern der akustischen Gitarren habe.
Dann ist ja alles in Ordnung – solange du daran denkst, die Luftbefeuchter nachzufüllen. (lacht)
Wie bist du ins Musikgeschäft eingestiegen und zum Gitarrenbau gekommen?
Ich habe mit 14 Jahren angefangen zu spielen und hatte kurz darauf ein Erlebnis, das mir klarmachte, dass ich meine Gitarren besser selbst richten sollte. Es gab nicht viele gute Gitarrenreparateure in der Gegend – selbst in Minneapolis, das ja keine kleine Stadt ist. Ich hatte eine gebrauchte Gibson ES-330, und sie hatte keinen Gurtknopf an der Ferse. Ich brachte sie zu diesem Typen, um einen Gurtknopf anzubringen, setzte mich hin und wartete, bis ich irgendwann merkte, dass es echt lange dauert. Und dann kam der zu mir und meinte: “Also, wir hatten hier einen Unfall. Beim Bohren des Lochs ist ein Stück Holz herausgebrochen.”
Und ich weiß noch, wie ich mir dachte: Vielleicht sollte ich versuchen, sowas selbst zu machen. Derselbe Typ hat mir auch mal die Bünde mit 80er Schleifpapier abgerichtet. Wenn ich danach die Saiten bog, schabten die an den rauen Bünden – wow!
Manche Leute fahren einfach nur ein Auto, andere wollen unter die Motorhaube und sehen, was da los ist. So ein Typ war ich auch. Ich hatte eine Mosrite Ventures-Gitarre und musste sie einfach in die Hand nehmen und damit herumspielen. Ich war wohl von Anfang an dazu bestimmt, genau das zu machen. Es hat halt nur eine Weile gedauert, bis mir das klargeworden ist.
Du warst also geschickt in der Holzbearbeitung und im Umgang mit deinen Händen, und du warst kein Tollpatsch.
Als ich anfing, gab es keine Bücher über Gitarrenreparaturen oder irgendwelche Videos. Als ich etwas älter war, kannte ich einen, der mir als Mentor diente und mir ein paar Tipps gab, aber es ging hauptsächlich darum, zu beobachten und zu sehen, wie die Dinge gemacht wurden. Ich lebte in St. Cloud, einer mittelgroßen Stadt, etwa eine Stunde von Minneapolis entfernt. Dort gab es niemanden, der sich wirklich mit der Reparatur von Gitarren auskannte. Ich hatte es also irgendwie für mich allein. Und so wuchs das ganze einfach. Da war einfach der Wunsch, es zu verwirklichen. Das war in den frühen 1970er Jahren.
Mitte der siebziger Jahre kam ein Typ namens Don Teeter mit einem Buch heraus. Der hatte es richtig raus. John Carruthers schrieb auch für den Guitar Player. Und dann war da noch Dan Erlewine, der heute noch dabei ist. Ich unterhalte mich ab und zu mit ihm. Aber ich war größtenteils Autodidakt.
Woher hast du die Werkzeuge bekommen? Spezielle Werkzeuglieferanten für Gitarren gab es damals ja noch nicht.
Ich hatte ganz normales Werkzeug, wie man es für Hausreparaturen verwendet. Irgendwann bekam ich dann eine Bundfeile.
Spulen wir zum heutigen Tag vor. Welche Art von Gitarren bietest du an?
Ich stelle die Reproduktionen der Prince-Gitarre her. Abgesehen davon bin ich hauptsächlich eine Reparaturwerkstatt. Ich habe mich auf Bünde spezialisiert.
Die Leute schicken dir also Sachen aus dem ganzen Land und der ganzen Welt?
Schon.
Ich hatte noch nie eine Gitarre gebaut, bevor ich die “Cloud”-Gitarre für Prince gebaut habe.
Ernsthaft?
Er hatte jemand anderen in der Stadt, der die Gitarre für den Film [Purple Rain] machen sollte, aber kurz bevor der gedreht werden sollte, haben sie sich zerstritten. Sie war also überfällig. Prince kam in den Laden, in dem ich arbeitete, und ich hatte eine Werkstatt im Keller, die ich nach dem Robin Trower-Vorfall eingerichtet hatte.
Der Robin Trower-Vorfall?
In den siebziger Jahren war der eine Riesennummer. Er füllte die größten Stadien. Und er kam in den Laden, bevor ich dort war, und einer der Besitzer dachte, er könnte Gitarren reparieren. Seine Vortellung vom Abrichten von Bünden war, dass er eine Bastardfeile nimmt und dann damit solange an den Bünden rauf- und runterschabt, bis er meint, er sei fertig. Irgendeine seiner Reparaturen für Robin kam so schlecht raus, dass Robin einen Wutanfall bekam und stinksauer aus dem Laden rannte. (lacht) Ungefähr eine Woche später schlug ich denen vor, eine Werkstatt in deren Geschäft aufzumachen. Ich sagte zu denen: “Wisst ihr, ich habe tatsächlich eine Ahnung davon, was ich da tue”.
So hat also alles angefangen. Was den Einstieg in die Prince-Sache angeht – ich war gerade aus London zurückgekommen – da war ich in den frühen 1980er Jahren für etwa ein Jahr gewesen. Und dann bekam ich meinen Job zurück [in dem Laden, in dem ich vorher gearbeitet hatte] und machte Reparaturen. Eines Tages kam Prince herein und sprach mit einem der Besitzer, und nachdem Prince gegangen war, kam Jeff Hill, der Besitzer, runter und sagte: “Prince dreht einen Film.” Ich dachte: “Er macht was?” Normalerweise wartete man mit sowas, bis man größer war, wie Elvis oder Cliff Richard.
Er sagte, Prince bräuchte jemanden, der ihm eine Gitarre baut. Und er sagte zu mir: “Du wirst das machen.” Ich hatte noch nie eine Gitarre gebaut, nur repariert. Ich hätte ablehnen können. Ich weiß noch, dass ich mir dachte: Was zum Teufel soll ich denn jetzt machen? Aber es ist schon erstaunlich, wozu man imstande ist, wenn man in die Enge getrieben wird. Wenn das ganze am Ende grandios scheitert, können sie mich ja nicht umbringen. Also sagte ich: “Sicher, machen wir das.”
Prince hatte bereits einen Bass, der viele Merkmale hatte, die ich auf die Cloud-Gitarre übertragen konnte. Und ich dachte mir, ich setze mich einfach hin und mache ein Schritt-für-Schritt-Programm, damit ich nicht von der ganzen Sache überwältigt werde.
Hier ist ein YouTube-Video über die Herstellung der Cloud-Gitarren:
Abgesehen von der Form, gibt es noch etwas anderes Einzigartiges an der Cloud?
Der Hals geht durch den ganzen Korpus. Sie hat einen zweiteiligen Hals. Die Gitarren, die ich jetzt herstelle, sind aus Ahorn, viertelgesägt. Ich weiß nicht mehr, ob das bei der Originalgitarre so war oder nicht. Die Gitarre ist ganz aus hartem Bergahorn, nicht aus dem weicheren Big Leaf Maple. Sie ist also nicht wirklich leicht.
Aber es ist auch keine wirklich große Gitarre. Jede Gitarre, die man bei Prince sieht, sieht irgendwie groß aus. Weil er 1,70 m groß war, war selbst eine [Fender] Telecaster an ihm riesig. Die Cloud-Gitarren sind ungefähr so schwer wie eine Les Paul.
Recht schwer, aber handlich.
Prince hatte eine Liste [von Anforderungen]. Ich habe nie direkt mit ihm gesprochen, aber er hatte eine Liste mit Vorgaben. Sie waren skizzenhaft, ein Ausgangspunkt. Sie sollte weiß sein, Piks [Spielkartensymbole] auf dem Griffbrett haben, EMG-Tonabnehmer verwenden, vergoldete Teile haben, und das war’s. Junge, es gab viele Momente, in denen ich mir wünschte, ich hätte mit ihm reden können. Normalerweise würde man über Halsgröße und -form, Bünde und all das reden. Aber er war nicht verfügbar. Es war nicht so, dass es ihn nicht interessiert hätte, aber der Film war in Produktion. Sie hatten bereits mit den Dreharbeiten begonnen, bevor man mir mitteilte, dass ich die Gitarre bauen sollte, weil er sich mit dem anderen Kerl zerstritten hatte. Also habe ich sie gebaut und einfach gehofft, dass alles gut geht.
Ich schätze mal, es hat hingehauen. (lacht)
Es war eine echte Gitarre, und ich sorgte dafür, dass sie sich gut spielen ließ, aber ich sah sie auch als eine Art Filmrequisite an. Immerhin war sie ja Teil der Handlung. Und dann wurde der Film richtig groß, wahrscheinlich viel größer, als irgendjemand geglaubt hätte. Aber dann sagten sie, dass sie eine Purple Rain-Tournee [zur Unterstützung des Films] machen würden, und sie sagten, dass sie zwei weitere [Cloud-Gitarren] wollten. Und ich erinnere mich, dass ich mir dachte: Mann, sieht aus, als hätte sie ihm tatsächlich gefallen.
Ich habe die drei [Cloud-Gitarren] gebaut, und sie wurden im Laufe der Jahre in vielen verschiedenen Farben umlackiert. Er benutzte meine bis in die Neunzigerjahre, dann hatte er sie allmählich abgenutzt und ließ sich von jemand anderem Kopien anfertigen.
Hast du für andere Personen, die wir vielleicht kennen, Gitarren gebaut oder an ihnen gearbeitet?
Als ich in London war, habe ich Gitarren im Stratocaster-Stil für Martin Barre von Jethro Tull gebaut. Er hatte einen grünen Porsche. Er wollte, dass ich die passende Farbe besorge. Wir mussten zu einem Porsche-Händler gehen. Und für Alan Tarney habe ich eine Gitarre im Fender-Stil gebaut. Weißt du, wer Cliff Richard ist?
Mit den Shadows? Oh ja, sicher! (Richard ist in Großbritannien sehr bekannt und “We Don’t Talk Anymore” war in den USA ein Riesenhit).
Alan hat viele seiner Hits geschrieben. Ich habe auch Gary Moore, Randy Rhoads und Greg Lake von Emerson, Lake & Palmer getroffen und an ihren Instrumenten gearbeitet.
Gelegentlich habe ich auch mal eine Reproduktion der Cloud angefertigt, aber nachdem Prince verstarb [im Jahr 2016] ging es richtig rund. Seit seinem Tod habe ich, glaube ich, 35 davon gemacht. Ich bin immer noch dabei und weit im Rückstand.
Ich hatte einen Markenrechtsstreit mit [der Managementfirma von Prince]. Es war Anfang 2018, und Prince und sein Nachlass hatten die Form der Gitarre nie als Marke geschützt. Auch nicht der Typ, der den Bass [auf dem die Cloud-Gitarre basierte] gebaut hatte. Ein Freund von mir sagte: “Warum sicherst du dir nicht die Markenrechte? Nicht, dass du andere Leute abhalten willst, aber dann bist du geschützt.” Denn Prince und [sein Management] hatten die Angewohnheit, naja, du weißt schon, immer die Hand drauf zu haben. Also dachte ich mir, ich mache das mal. Ich besorgte mir einen schönen goldenen Rahmen von Amazon und stellte ihn so hin, dass ich [das Markenzeichen-Zertifikat] jeden Tag sehen konnte. Ich dachte: Jetzt ist alles in Ordnung. Ich habe hier eine kleine Sicherheit. Und nach etwa sechs Monaten fand ich heraus, dass die Marke in den ersten fünf Jahren angefochten werden kann, was der Nachlass von Prince auch tat. Sie forderten mich auf, die Herstellung der Gitarren einzustellen. Und dann habe ich vier Jahre und viel Geld für die Anfechtung aufgewendet. Ich habe fünf verschiedene Anwälte eingeschaltet.
Das ging vier Jahre lang so. Die Leute sagten: Dave, begrab die Sache einfach. Und ich dachte mir: Nein, das ich mache ich mal eher nicht. Ich tue ja niemandem weh. Ich habe nie jemand anderen davon abgehalten, sie zu bauen. Die Fans sind so glücklich, dass sie sie haben können. Ich ehre das Andenken von Prince. Wenn ich also aufgebe, muss ich damit leben, ein Verlierer zu sein – da leide ich lieber. Also habe ich es durchgezogen. Und Mann, ich sag’s dir, all die Dokumente, die du dir ansehen musst und die dich irgendwie wütend machen … vier Jahre lang war ich die meiste Zeit über wütend. Es war hart. Aber ich bereue es nicht im Geringsten. Ich bin froh, dass ich es getan habe.
Du hast also offensichtlich gewonnen, weil du immer noch Cloud-Gitarren herstellst.
Oh, ja. Ich habe eine Einigung erzielt, die es mir erlaubt, weiterzumachen. Ich kann nicht groß ins Detail gehen.
Lass uns einen anderen Gang einlegen. Du weißt offensichtlich, worauf du bei einer Gitarre achten musst. Was lässt eine Gitarre für dich sprechen?
Ich könnte ins Detail gehen, aber so allgemein gesagt – und das mag jetzt etwas komisch klingen – habe ich ein recht gutes Gespür dafür, ob derjenige, der eine Gitarre gebaut hat, sich wirklich Mühe gegeben hat, ob sie mit Liebe gebaut wurde. Ich erinnere mich noch lebhaft daran, wie ich in der High School eine gebrauchte Gibson ES-335 hatte, die wahrscheinlich 1964 hergestellt wurde, und dann kaufte ich eine neue, als [der Mischkonzern] Norlin [Gibson] gekauft hatte. Und schon als Schüler dachte ich: Mann, das ist nicht dasselbe. Um genauer zu sein, was die Spielbarkeit angeht, mag ich größere Bünde. Ich habe kleine, dünne Hände. Ich muss unter die Saiten kommen, wenn ich sie biege.
Wenn ich nur eine Gitarre haben könnte, wäre es wahrscheinlich eine [Fender] Stratocaster, nur vielleicht mit einem anderen Steg-Tonabnehmer. Denn die kann irgendiwe ein bisschen was von allem. Du hast fünf Sounds [zur Verfügung], du hast die wahrscheinlich bequemste Korpusform, die es je gab. Alle Mechaniken befinden sich auf der Oberseite [für leichten Zugang]. Du hast eine Whammy Bar.
Allerdings bringen verschiedene Gitarren unterschiedliche Dinge hervor, sie wecken unterschiedliche Spielwünsche und regen den Enthusiasmus auf unterschiedliche Weise an. Ich habe einige alte Gitarren – eine 1958er Strat, eine 1955er [Fender] Esquire und eine 1953er Gold Top [Les Paul]. Ich denke, dass P90s [Single-Coil-Tonabnehmer im Gibson-Stil mit einem satten Sound] irgendwie unterschätzt werden.
Ich habe drei Bludotone-Verstärker, und einer von ihnen hat einen so guten Clean-Ton. Brian Setzer meinte mal, es sei der beste Clean-Ton, den er je gehört hat. P90s klingen durch diesen Verstärker einfach wundervoll.
Apropos Sound, was magst du an Audio-Ausrüstung? Hast du zu Hause eine High-End-Anlage? Bist du ein Audiophiler?
DR: Oh, ja, das bin ich. Hast du mal was von PS Audio gehört?
(lacht laut) Das kann man wohl sagen!
(Im Ernst, ich hatte zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung, dass Dave auf High-End-Audio steht und PS Audio-Geräte besitzt).
Hier geht’s zum zweiten Teil des Interviews
Unser herzlicher Dank geht an das Copper Magazine.