in-akustik Referenz LS-4004 Air Pure Silver Lautsprecherkabel – eine Boa Constrictor, die fliegen kann
Eine unterarmdicke Strippe mit der Lizenz zum Glücklichmachen: Das Lautsprecherkabel in-akustik Referenz LS-4004 Air Pure Silver ist ein nur schwer zu toppendes Statement in Sachen Anmutung, Verarbeitung – und Klang. Die Schlange, von der High-End-Hasen träumen.
Moment mal, da hat sich doch jemand vertan. Ich habe nichts in der Tierhandlung bestellt. Schon gar keine Boa Constrictor. Und seit wann gibt es diese Viecher in Weiß?
Der Karton ist riesig, aber vergleichsweise leicht. Was mir da mit versichertem Expresspaket angeliefert wurde, kann eigentlich keine Würgeschlange sein, auch wenn die Dinger, die sich in der riesigen Pappkiste ringeln, auf den ersten Blick so aussehen. Sie zischen auch nicht, selbst das Zischeln ist weitgehend eliminiert. Aber dazu später. Was da in meinem Hörraum liegt, ist kein exotisches Zootier, für das ich eine spezielle Genehmigung bräuchte, sondern eines der besten Lautsprecherkabel, das man für Geld kaufen kann. Eine überaus clevere Konstruktion, bei der es darum geht, all jene Störfaktoren auszuschalten, die den sauberen Klang beeinträchtigen könnten.
Seinen größten Habenposten verrät dieses Kabel schon in seiner Modellbezeichnung: Das „Air“ steht für die sogenannte Air-Helix-Technologie, die in-akustik schon länger in seiner Lautsprecherkabel-Toplinie einsetzt. Das Referenz LS-4004 Air Pure Silver ist das neueste, in jeder Hinsicht auf die Spitze getriebene Modell.
Vereinfacht gesagt dient bei dieser Konstruktion Luft als Isolator, wobei der Aufbau so komplex ist, dass dieses Kabel in kostenintensiver Handarbeit mit entsprechend kleinen Stückzahlen entsteht. Laut in-akustik werden beim LS-4004 pro Seite 24 Drähte aus hochreinem Silber auf einen Kern aus PE geflochten und zuvor mit einer hauchdünnen Lackschicht versehen, um die Drähte voneinander zu isolieren. Die Entwickler bei in-akustik (siehe auch nebenstehendes Interview) versprechen sich davon mehr „Ruhe“ im Leiter, weil vagabundierende Wirbelströme dadurch weitgehend unterdrückt werden. Ein eigens für das neue Kabel entwickelter Clip soll die Kabeladern helixförmig in exakter Position und auf Abstand in der Luft halten. Eingefädelt werden die Leiter manuell in „Cross Link Super Speed“-Hohlleiter. Auf diese Weise kann eine gleichbleibende Qualität der immens aufwendig gefertigten Kabel garantiert werden. Was die Konstruktion übrigens überhaupt nicht mag, ist der Druck, den ein menschlicher Fuß ausübt, wenn er auf das Kabel steigt – LS-4004-Besitzer sollten also im Umgang mit dem weißen Kabelschlauch große Vorsicht walten lassen, auch wenn die Kabel nicht übermäßig fragil wirken. Grundsätzlich bestehen sie nur aus Silber und PE.
Flexibel ist man in Sachen Anschluss: Kabelschuhe oder Hohlbananas stehen zur Wahl, beide Varianten rhodiniert, um den Widerstand auch und gerade an den Terminals von Verstärker und Lautsprecher möglichst niedrig zu halten. Das FIDELITY-Testexemplar hatte beide Versionen und einen Inbusschlüssel dabei, sodass ich in wenigen Minuten die für mich passende Ausführung herstellen konnte. Und dann war etwas Geduld angesagt, denn das LS-4004 klingt zwar schon kalt aus dem Karton vielversprechend, läuft aber erst nach zwei oder drei Tagen Einspielzeit zu highendiger Form auf.
Ein signifikantes Merkmal wird freilich auch uneingespielt sofort hörbar: Weil das LS-4004 auf geringstmögliche Induktivität hin konstruiert wurde – durch die Anordnung des sogenannten Double-Layer-Multicores in zwei Kabellagen überlappen und neutralisieren sich die um die einzelnen Leiter entstehenden Magnetfelder, wodurch die Induktivität des Kabels erheblich vermindert wird –, entwickelt es auf Anhieb eine beeindruckende Räumlichkeit. Der „Aha-Effekt“ erinnerte mich an eigene Kabelexperimente in grauer HiFi-Vorzeit, als ich auf einen eher obskuren Tipp aus einem Selbstbau-Forum hin in mühseliger Kleinarbeit Computer-Flachbandkabel konfektionierte. Leiter 1 + 3 + 5 + 7 + 9 und so weiter für Plus, 2 + 4 + 6 + 8 etc. für Minus. So gab es für jeden Elektronenfluss in eine Richtung ein Pendant, das sich in unmittelbarer Nähe, aber elektrisch getrennt in die Gegenrichtung bewegte. Der Lohn der Löt-Orgie war seinerzeit ein Lautsprecherkabel, das die meisten deutlich teureren Strippen locker toppte. Der Gesamtquerschnitt war alles andere als riesig, dennoch hatte mein „PC-Kabel“ deutlich mehr Druck im Bass und mehr Glanz in den Höhen als fast alles, was sich damals, vor fast 30 Jahren, im Handel finden ließ.
Jetzt ist es wieder da, das Gefühl, einer ganz besonderen Komponente zu lauschen. Das Lautsprecherkabel in-akustik Referenz LS-4004 Air Pure Silver verändert den Klang einer Anlage gewiss nicht grundlegend (das wäre auch eher kontraproduktiv), aber es macht ganz viel einfach ein wenig richtiger, gibt sich an entscheidenden Stellen stimmiger als Durchschnittskabel.
Ich weiß nicht mehr, mit wie vielen CDs, SACDs und LPs ich im knapp bemessenen Testzeitraum meinen Mark Levinson 390s, meinen Audio Note Zero, meinen Marantz S14 V1 und meinen Clearaudio Innovation fütterte. Ein paar Hundert werden es wohl gewesen sein. Fast immer nahm ich Einzelheiten wahr, die mir zuvor entgangen waren. Darüber hinaus hatte das Referenz LS-4004 Air Silver einen überaus positiven Einfluss auf die tonale Balance, auf Umfang und Kontur des Bassbereiches und auf die Durchzeichnung der Höhen.
Wenn man in den eigenen vier Wänden lange Zeit mit ein und derselben Anlage Musik hört, dann lernt man auch, mit ihren Schwächen zu leben, zu tolerieren, was sie im Gegensatz zu den – oftmals vielfach kostspieligeren – Boliden im FIDELITY-Hörraum nicht kann. So hielt ich meine Infinity Kappa 7.2 Series II für alles Mögliche, aber nicht für einen besonders räumlich agierenden Lautsprecher. Das Referenz LS-4004 Air Pure Silver zeigte mir, dass auch Arnie Nudells betagtes Boxendesign in der Lage ist, virtuell weite und tiefe Konzertsäle zu erschaffen. Da flutete Teodor Currentzis mit seiner modellhaften Einspielung der Sechsten Sinfonie von Gustv Mahler (siehe auch Classidelity in diesem Heft) nicht nur den Raum mit jenem Wohlklang, wie ihn nur ein Spitzenorchester zu erzeugen versteht – ich bekam auch einen ausgesprochen plastischen Eindruck, wie das weitläufige Studio im Moskauer „Haus der Aufnahme“ beschaffen sein muss, in dem Currentzis das russische Orchester MusicAeterna zu Höchstleistungen anspornte. Daran, dass in dem immens dichten Getümmel alle Instrumentenstimmen ohne jede Höranstrengung zu verfolgen waren, dürfte in-akustiks Referenz-Kabel auch nicht ganz unschuldig sein.
Vehement traktierte Kesselpauken sind das eine, knüppelhart groovende Computerbässe etwas ganz anderes. Nachdem die deutsch-kanadische Popsängerin Alice Merton, eine kleine Frau mit einer riesigen Stimme und bemerkenswerten Songwriter-Fähigkeiten, im letzten Jahr die EP No Roots herausgebracht und mit dem ohrwurmigen Titelsong monatelang die deutschen Charts dominiert hatte, folgte vor ein paar Wochen mit Mint (Paper Plane Records Int.) der lang ersehnte Longplayer der 25-Jährigen. Eine Popscheibe mit Wiedererkennungswert, weil Alice Merton es versteht, hartnäckige Ohrwürmer zu schreiben, die man spätestens beim zweiten Hören mitgröhlt. Und da lag auch das Problem der vorab veröffentlichten Maxisingle, die etwas hemdsärmelig auf Gettoblaster-Tauglichkeit abgemischt wurde, um bei der angepeilten Zielgruppe zuverlässig zu punkten – was auch gelang. Beim mit etwas über 39 Minuten leider etwas kurz geratenen Album übten die Tonmeister ein wenig Feinschliff, nahmen beispielsweise die Kompander etwas zurück, um der Platte eine Spur zuvor vermisster Dynamik wiederzugeben. Auch der Hit „No Roots“ kommt jetzt etwas transparenter und stärker auf die Stimme fokussiert aus den Lautsprechern – und das Referenz LS-4004 transportiert diese wirklich subtilen Unterschiede sehr deutlich identifizierbar zu den Ohren. Weil man bei dem Kabel auch viel Wert auf die Vermeidung von Laufzeitunterschieden und Frequenzverschiebungen legte, „wandern“ virtuelle Schallquellen so gut wie überhaupt nicht. Vokale wirken so sauber und unverzischelt wie noch nie. Und der Bass schiebt so vehement an, dass die Füße wie von selbst zu wippen beginnen.
Die ganz großen Momente hat das Silberkabel allerdings dann, wenn es um Stimmen oder Instrumente geht, die ohne Studiotricks für die Ewigkeit festgehalten wurden. Die vier Jahreszeiten, die das Anne-Bisson-Trio auf der Direktschnitt-LP Four Seasons in Jazz – Live at Bernie’s beschwört, werden zu einem heißkalten Trip mit Gänsehaut-Garantie, weil diese per se schon grandios gute Aufnahme dank des in-akustik Referenz LS-4004 Air Pure Silver eine Präsenz und eine Unmittelbarkeit bekommt, die schier erschütternd ist. Diese weißen Schlangen können fliegen, wenn man sie mit der richtigen Musik füttert. Unfassbar gut.
„Ein permanenter Entwicklungsprozess“ – in-akustik Kabel-Entwickler Holger Wachsmann im Interview
Das in-akustik LS-4004 gehört fraglos zu den aufwendigsten Kabelkonstruktionen des Weltmarkts. Ein Kabel, so komplex, dass eine maschinelle Fertigung sich beinahe von selbst verbietet. Im Gespräch mit der FIDELITY-Redaktion verrät Entwickler Holger Wachsmann, warum bei diesem Top-Line-Lautsprecherkabel Luft die wichtigste Komponente ist.
FIDELITY: Luft als Dielektrikum, eine Helix-Struktur des Kabels – was ist der Grundgedanke hinter dem aufwendigen Aufbau eines Lautsprecherkabels wie dem Referenz LS-4004 Air Pure Silver?
Holger Wachsmann: Da muss ich etwas ausholen: Wir alle kennen den Effekt, dass es knistert und funkt, wenn wir einen Pullover mit hohem Synthetik-Anteil ausziehen. Dies liegt daran, dass sich die synthetischen Fasern elektrisch aufladen und im wahrsten Sinne des Wortes blitzartig wieder entladen. Der gleiche Effekt tritt bei Isolationsmaterialien wie zum Beispiel PVC, Polyethylen oder Teflon auf. Diese Materialien speichern elektrische Energie und geben sie zeitversetzt wieder ab, was bei der Übertragung von Audiosignalen über ein Kabel den Klang negativ beeinflusst. Ein Maß hierfür ist die Kabelkapazität, die stark von den verwendeten Isolationsmaterialien abhängt. PVC beispielsweise erhöht den Kapazitätswert etwa um den Faktor 4,5! Hinzu kommen dielektrische Verluste. Luft hingegen verhält sich in dieser Beziehung neutral. Aus diesem Grund haben wir schon seit langem ein Augenmerk auf die Isolation – also das Dielektrikum – gelegt und durch geschäumtes Polyethylen oder gar Polyethylen-Kapillare den Luftanteil erhöht. Wir waren aber immer getrieben von dem Gedanken, ein rein luftisoliertes Kabel zu bauen – was uns letztlich zu dieser Air-Helix geführt hat.
FIDELITY: Inwiefern profitieren auch die preisgünstigeren Kabel-Linien bei in-akustik von dem Entwicklungsaufwand für die Top-Modelle?
Holger Wachsmann: Die Top-Kabel aus unserer Referenz-Serie sind über die Jahre Schritt für Schritt gewachsen und unterlagen einem permanentem Entwicklungsprozess. In der Tat profitieren nun auch „kleinere“ Modelle von der Air-Helix-Technologie. Beispiele hierfür sind das Referenz LS-1204 und das Referenz NF-1204. Weitere werden folgen.
FIDELITY: Wohin fährt der Entwicklungs-Zug in Sachen Kabel, was ist in diesem Jahr zu erwarten?
Holger Wachsmann: Ganz so viel möchte ich hier noch nicht verraten – aber zur HighEnd in München werden wir unter anderem Stromkabel mit Air-Helix-Technologie präsentieren.
FIDELITY: Was ist von Tuning-Maßnahmen für Kabel zu halten?
Holger Wachsmann: Das kommt darauf an, was Sie damit meinen. An der Wirkung von „gelben Steinen“, die man zur angeblichen Klangverbesserung neben einem Kabel platziert, oder Ähnlichem habe ich meine Zweifel. Anders sieht es zum Beispiel mit Cable-Bases aus, die Lautsprecherkabel auf Abstand zum Boden halten. Das wirkt ähnlich wie eine Luftisolation und reduziert den Einfluss des Bodenbelags auf die Kabelkapazität. Besonders zu empfehlen bei Teppichböden oder Bodenbelägen mit hohem Kunststoffgehalt wie Vinyl oder Laminat.
Interview: Hans von Draminski
Wir meinen
Das in-akustik Referenz LS-4004 Air Pure Silver ist, auch dank austauschbarer Anschlussstecker beziehungsweise Kabelschuhe, sehr „pflegeleicht“ und hebt ganz unprätentiös in jeder Anlage spürbar das Klangniveau.
Info
Lautsprecherkabel in-akustik Referenz LS-4004 Air Pure Silver
Aufbau: Air-Helix, Double-Layer Multicore, 24-fach „Cross Link Super Speed Hohlleiter“; geflochtene, mit Lack beschichtete Leiter as hochreinem Silber für geringe Längsinduktivität; PE-Network-Jacket gegen Mikrovibrationen
Konfektionierung: Kabelschuhe oder Hohlbananas, direkt mit dem Kabelleiter verpresste und im Winkel einstellbare Stecker aus Tellurium-Kupfer, rhodiumbeschichtete Kontakte, Länge Testexemplar 2 x 3 m, Kabel als Single-Wire oder Single-BiWire erhältlich, Sonderkonfektionen auf Anfrage
Preis (2 x 3 m): 27 000 €
Mitspieler
CD-Player: Audio Note Zero, Mark Levinson 390s
SACD-Player: Marantz SA14 V1, Sony SCD 333 ES
Plattenspieler: Clearaudio Innovation Compact, SoReal Audio Seismograph
Tonabnehmer: Clearaudio DaVinci und Concerto V2, Denon DL-103R
Phonovorverstärker: Musical Fidelity M-VNYL, Clearaudio Basic
Vorverstärker: Mark Levinson No. 38S, Trigon Snowwhite, Marantz SC-22
Endverstärker: Mark Levinson No. 27, Marantz MA-22, John Curl JC3, Trigon Dwarf II
Lautsprecher: KEF R900, Infinity Kappa 7.2 Series II
in-akustik GmbH & Co. KG
Untermatten 12–14
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