iFi Audio iCAN Phantom
Röhre oder Transistor? Weiter Raum oder tonmeisterliche Präzision? Straightforward oder entspannender Wohlklang? Wie oft steht man vor diesen Fragen. Und wie schön, wenn man einfach mit Ja antworten kann.
In aller Kürze:
Der iFi Audio iCAN Phantom ist ein erstklassiger Kopfhörerverstärker, der alle erdenklichen Situationen abdeckt. Egal, womit oder wie Sie hören möchten, er liefert beste Qualität ohne Allüren.
Seit die erste Audiokomponente das elektrische Licht der Welt erblickte, die sich von den schon existierenden Geräten klanglich unterschied, haben wir das Dilemma: bei Kauf die Frage, wie es denn klingen soll. Denn die Wahrheit, was auch immer das sein soll, bieten natürlich alle Hersteller und jeder auf seine Weise, gegen die man meist nur schwer argumentativ vorgehen kann. Die einen halten sich an die Messwerte, die nächsten vertrauen zudem ihren Ohren, wieder andere nur den Ohren, und eine weitere Fraktion spaltet sich komplett von der Objektivität ab und proklamiert, dass man nur mittels ihrer Komponenten den Komponisten verstehen könne. Da ich bei den Herren Mozart und Bach nicht nachfragen kann, fällt mir der Widerspruch schwer. So locker er auf der Zunge liegen mag. Aber nach diesem kleinen Exkurs wieder zurück auf die Strecke …
Es soll in diesem Fall ausdrücklich nicht darum gehen, wer womit recht haben könnte, sondern nur um die Frage, wie wir bei einer anstehenden Kaufentscheidung mit unseren Geschmäckern und Wünschen umgehen sollen. Allzu oft – mir ging das mehr als einmal so – lassen wir uns in Dinge hereinreden. Freunde, Händler, Testzeitschriften machen uns klar, wie wir Musik hören sollten und beeinflussen unsere Kaufentscheidung. Wenn sich allerdings der Rauch verzogen hat und wir allein mit unserem Neukauf im Musikhörzimmer sitzen, müssen nur wir glücklich sein. Dann wird sich zeigen, ob wir mit der Anschaffung uns oder Trendsetter bedient haben, uns mit trübem Blick auf das Akustikelement zwischen den Lautsprechern fragen, wohin wir denn das schöne Geld versenkt haben.
Richtig kompliziert wird es, wenn wir uns eingestehen, dass wir nicht immer in der gleichen Stimmung sind und daher auch nicht immer gleich hören. Es wird also immer schlimmer. Eine Lösung dafür heißt „Zweitanlage“. Nicht umsonst stehen bei mir in mehreren Zimmern Setups, die durchaus unterschiedlich tönen. Das bedarf aber eines gewissen Aufwands, was finanziellen Input, Platzbedarf und Leidensfähigkeit des Partners betreffen. Eine weitaus elegantere Lösung bietet jetzt iFi Audio mit dem Kopfhörerverstärker iCAN Phantom. Nun gut, ein Schnäppchen ist auch dieser Kollege nicht, allerdings kann er sämtliche Entscheidungsfragen beim Neukauf sehr entspannt mit einem Ja beantworten.
Eine erste Betrachtung des Phantom führt zu gemischten Reaktionen. Sein Design dürfte auf jeden Fall polarisieren. Von „cool“ bis „hässlich“ hörte ich so ziemlich alles. Hat man das externe Netzteil, das die interne Batterie versorgt, hinter dem Rack verstaut, kann es weitergehen. Die Front bietet so viele Anschlüsse und Verstellmöglichkeiten, wie ich es noch nicht erlebt habe.
Dominant sind die beiden großen Drehschalter für die Eingangswahl und die Lautstärke. So weit, so normal. Dazwischen geht es allerdings schon los: Über einen kleinen Schalter lässt sich der Gain in Schritten von neun Dezibel verstellen, und auf der anderen Seite versteckt sich ein kleiner Kippschalter, der den Phantom so einzigartig macht. Hier kann man zwischen unterschiedlichen Eingangsstufen (richtig gelesen) wählen und somit entscheiden, ob eine straighte Transistorstufe, eine eher warme Röhrenschaltung oder eine „Tube+“ genannte, sehr charmant agierende Röhrenstufe die Arbeit übernimmt und damit den Klang von Beginn an grundsätzlich in unterschiedliche Richtungen lenkt. Des Weiteren kann man wie bei den aus dem Studiobereich bekannten Verstärkern von SPL mit einer Crossfeed-Schaltung den Raumeindruck in vier Stufen modifizieren. Das kann je nach Aufnahme gar nichts bringen oder den akustischen Knoten platzen lassen. Auf jeden Fall hat man auch hier die Wahl, und die Zahl der „unanhörbaren“ Alben im Regal wird deutlich kleiner ausfallen. Eine Funktion, derer ich mich weniger annahm, nennt sich „xBass“ und produziert genau das: viel Bass. Immerhin differenziert, und man hat die Wahl zwischen drei verschiedenen Frequenzen, bei denen die Anhebung stattfinden soll. Ich kann mir vorstellen, dass einige totproduzierte Pop-Alben der 80er Jahre davon profitieren können. Mein Schrank brachte keine Produktion hervor, die dieser Hilfe bedurft hätte. Meine Tochter allerdings war davon bei einem aktuellen Taylor-Swift-Album mehr als begeistert.
Anschlussseitig gibt es alles, was man sich erträumen könnte. Kopfhörer lassen sich über die üblichen Klinken, kleine Klinken in 3,5- und 4,4-Millimeter-Ausführung sowie symmetrische Anschlüsse verbinden. Elektrostaten kann man über vier- oder fünfpolige Buchsen betreiben. Die Rückseite bietet symmetrische und unsymmetrische Eingänge sowie auch – und jetzt wird es noch spannender – einen properen Vorstufenausgang, wiederum als XLR- oder Cinchbuchse ausgeführt. Man kann den Phantom also auch als veritablen Vorverstärker nutzen. Hinter einer kleinen Magnetplatte sind dann sechs SD-Karten versteckt, mittels derer man die Vorspannung für die angeschlossenen Elektrostaten passgenau justieren kann. Wirkt zunächst umständlich, ist aber eigentlich ziemlich smart, denn so kann man nicht aus Versehen die Werte verstellen und damit dem Kopfhörer schaden. Klanglich lässt sich der iFi Phantom nur sehr schwer greifen. Die vielen, miteinander kombinierbaren Einstellmöglichkeiten eröffnen so unglaublich viele, grundverschiedene Klänge, dass man kaum von dem einen Sound reden kann. Allgemein lässt sich festhalten, dass alle Züge sehr solide und sauber agieren, hier wurde mit sehr viel Sachverstand gearbeitet.
In der Transistorversion beispielsweise höre ich einen Livemitschnitt einer Rossinioper sehr klar und sauber eingeteilt. Die Sänger stehen penibel voneinander abgegrenzt auf der Bühne, das Orchester davor wird präzise bis in die hinteren Pulte durchleuchtet. Schalte ich auf „Tube“ um, verändert sich fast alles. Die Bühne wird weiter, vor allem aber deutlich tiefer. Die Sänger sind nicht mehr so klar lokalisierbar, bespielen aber mehr Raum. Die Stimmen kommen nun etwas fleischiger aus den Membranen, der minimale Verlust an Artikulation ist zu verschmerzen. Auf „Tube+“ gewechselt, verstärkt sich das Bild. Alles wird golden, charmant, weit, schön. So schön.
Als ich dann die Vier letzten Lieder von Richard Strauss mit Elisabeth Schwarzkopf in eben dieser Einstellung laufen lasse, fließt Honig aus den Kopfhörern. Selbst meine Beyerdynamic DT 1990 Pro vergessen hier ihre preußische Attitüde und betören sich selbst mit ihrem plötzlich hervorgebrachten Charme.
Ist der iCAN Phantom also der ideale Kopfhörerverstärker für jeden? Mit Sicherheit nicht. Denn wenn man den einen Lieblingskopfhörer, Hörgeschmack, Musikstil gefunden hat und sich überdies nichts aus Elektrostaten macht, kommt man woanders günstiger weg, weil man viele Bereiche des Phantom schlicht nicht braucht. Für alle anderen: Hier ist der Phantom in seinem Element, weil er es einem auf höchstem Niveau ermöglicht, sich eben nicht festlegen zu müssen. Und darauf haben viele von uns schon sehr lange gewartet! Und der Vertrieb orakelt laut über einen neuen Verstärker in der Klasse drunter, der dann keine Elektrostaten bedienen kann, den Rest aber in gewohnt kompetenter Weise und wahrscheinlich spürbar günstiger erledigt.
Einen Kopfhörerverstärker wie den Phantom habe ich aber noch nicht erlebt. Erstklassig im Klang, überragend in der Ausstattung. Und er schenkt seinem Käufer fast unendliche Freiheit.
Info
Kopfhörerverstärker iFi Audio iCAN Phantom
Konzept: analoger Kopfhörerverstärker mit justierbarem Verstärkungsgrad
Eingänge: 3 x Cinch, 1 x XLR
Ausgänge analog: 1 x Cinch, 1 x XLR
Ausgänge Kopfhörer: 3,5 mm Klinke, 3-polig XLR, 4-polig XLR, 4,4 mm Pentaconn, 6,3 mm Klinke (positive Phase), 6,3 mm Klinke (negative Phase), 5-Pin Normalbias, 5-Pin Custom Bias
Verstärkung: 0 dB, 9 dB und 18 dB
Frequenzgang: 0,5 Hz bis 500 kHz (−3 dB)
THD & N symmetrisch/unsymmetrisch: Transistor ≤ 0,0015 %/≤ 0,007%, Röhre ≤ 0,002%/≤ 0,006 %, Röhre+ ≤ 0,012 %/≤ 0,2 %
SNR symmetrisch/unsymmetrisch: < 145 dB (A)/< 130 dB (A)
Ausgangsleistung symmetrisch/unsymmetrisch: > 15 000 mW (@16 Ω)/> 5760 mW (@16 Ω)
Eingangsspannung: DC 12 V/4 A oder 15 V/3 A
Leistungsaufnahme: < 27 W, max. 75 W
Maße (B/H/T): 26/19/12 cm
Gewicht: 4,2 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: um 3750 €
Kontakt
WOD Audio
Westendstraße 1a
61130 Nidderau
Telefon +49 06187 900077
info@wodaudio.de
Mitspieler
Plattenspieler: Transrotor Apollon TMD mit SME 5, SME 3012 u. a.
Tonabnehmer: Clearaudio Talisman und Stradivari V2, Ortofon Vienna und Jubilee, Denon DL-103
CD-Player: Mark Levinson No. 390S
DAC: Merging Technologies
Vorverstärker: Crane Song Avocet
Endverstärker: Digitalendstufe auf ICE Power basierend, Accuphase P-4200
Vollverstärker: Lavardin IT
Lautsprecher: Spendor Classic 3/5, Wilson Audio Sasha DAW
Kabel: u. a. Vovox