Holborne Passion
Was versteht man gemeinhin unter einem Minimalisten? Frei übersetzt würde man sagen: einer, der sich aufs wirklich Wesentliche konzentriert; anders definiert kann man Minimalismus als „bewusste Beschränkung auf ein Minimum“ verstehen – so der Duden zu diesem Thema. Wenn wir das in die HiFi-Welt transferieren, kommt man am Holborne Passion kaum vorbei.
In aller Kürze:
Der Holborne Passion ist ein formidabel verarbeiteter, reinrassiger Purist mit einer Handvoll sehr brauchbarer Dreingaben. Sein Klang: erstklassig!
Seit bald vierzig Jahren entwickelt und produziert der Musiker und Entwickler Meinrad Müller HiFi-Gerätschaften. Im Jahre 1987 gründete er seine Firma Holborne. Freunde der Renaissancemusik werden sich sofort an Anthony Holborne erinnern, einen englischen Komponisten des späten 16. Jahrhunderts. Und wenn man jetzt noch erfährt, dass Meinrad Müller ursächlich einmal Alte Musik an der Hochschule für Musik in Basel studierte – dann schließt sich spätestens jetzt der Kreis zum Namen seiner Manufakturprodukte.
In bester Tradition stellt seine Firma hauptsächlich Plattenspieler her, aber auch den hier in Rede stehenden Hybrid-Röhrenvollverstärker Passion. Typischerweise gelten die Produkte seines Hauses als überaus langlebig und werthaltig. Ein Erkennungszeichen von Holborne ist das Design des Lautstärkereglers und der konsequente Verzicht auf „Schnickschnack“. Ganz bewusst liegt der Schwerpunkt der Gestaltung auf dem Wesentlichen, der Essenz. DAC-Zugänge oder Netzwerkkartenanschlüsse gibt es nicht. Dafür erstaunt es keineswegs, dass der Passion mit einem MM- oder MC-Phonomodul ausgestattet werden kann. Ein Tipp aus der Praxis gleich an dieser Stelle: Ich würde den MM-Einschub nehmen, um bei Bedarf mit einem Übertrager für alle Eventualitäten gewappnet zu sein. Im Testfall ist bereits ein MC-Phonoboard montiert – natürlich röhrenbestückt (dazu gleich mehr).
Die Class-AB-Ausgangsstufe arbeitet mit einem Paar FET-Transistoren pro Kanal. Um nun selbst geringste Vibrationen abzudämpfen, sind sie auf einem Kühlgitter montiert, das durch eine Aluminiumplatte versteift ist, und diese wiederum werden von zwei Platten aus demselben Metall fixiert. Die gesamte Steuerelektronik passt auf eine kleine Platine. Dadurch wird der Signalweg so weit wie möglich reduziert und die Anzahl der Komponenten minimiert. Dass es sich hierbei um sorgfältig ausgewählte und ausschließlich diskrete Komponenten handelt, sei lediglich am Rande angemerkt – angesichts des hohen Anspruchs des Herstellers ist das kein Wunder. Ein 275-VA-Ringkerntransformator sorgt für stabile elektrische Zustände. Die Stromversorgung wird durch Kondensatoren mit einem Wert von jeweils 10 000 Mikrofarad pro Kanal unterstützt.
Das Stromversorgungsteil (einschließlich des Transformators) ist physisch von dem Teil getrennt, der die sensiblen Signale überträgt. Auch der Aspekt des Elektrosmogs wird beachtet. Ganz absichtlich hat man sich bei Holborne für die Hybridtechnologie entschieden. So basiert der Vorverstärker auf zwei Telefunken-Röhren vom Typ PCC88, die wiederum auf das Wesentliche beschränkt sind. Daraus resultiert zwangsläufig ein möglichst kurzer Signalweg. Das Motor-Potentiometer lässt sich mittels der fein gemachten Metall-Fernbedienung sehr sensibel bedienen. Gleichzeitig kann man hier aus den fünf Eingängen wählen. Wobei der erste immer der Phonoeingang ist!
Schließlich kann man mittels der Remote den Amp auch in den Standby-Modus versetzen. Rückseitig erfreuen die hochwertigen, vergoldeten Anschlüsse – speziell die haptisch wundervollen Furutech-LS-Kontakte bedürfen der Erwähnung. Gleich daneben finden sich ein Pre-Out sowie zwei Gain-Drehschalter. Inzwischen ist so etwas sehr selten geworden, wobei dies gerade in puncto Raumaufstellung der Lautsprecher besonders interessant ist – Stichwort: Balance.
Um bei der Bestückung des MC- oder MM-Röhren-Phonomoduls konsistent zu bleiben, entschied sich der Hersteller an dieser Stelle ebenfalls für die Telefunken-Röhre PCC88. Aus dem Geschilderten wird zwangsläufig ersichtlich, dass der Schwerpunkt in der Konstruktion auf das Minimale konzentriert ist. Wie sich derartiges Handeln klanglich auswirkt, war die wirklich spannende Frage, die ich mir nach Kenntnis all dieser Fakten selbst stellte. Sie sollte mir bereits bei Leonard Cohen und „You Want It Darker“ unmittelbar beantwortet werden. „Weit, tief – einfach da“, geht es mir dabei durch Kopf, während der Take erklingt, getragen von der hintergründigen Orgel, dem stupenden Basslauf und der durchdringend tiefen Stimme des Künstlers. Dieser Verstärker trägt die Musik vor, ja er zwingt geradezu zum Hinhören – große Klasse! Ich benutze ganz bewusst den Begriff des „Stück verstärkenden Drahtes“, denn exakt dies kommt mir gerade in den Sinn. Keine Shownummer, nein, einfach nur die nackte Wahrheit der vorhandenen Musik. So etwas gibt es wahrlich nicht immer, und schon läuft die Platte durch.
Die CD von Ference Snétberger mit dem Titel Nomad landet im Player. Unglaublich präsent ist die Akustikgitarre, blitzsauber werden die Töne voneinander abgegrenzt, und besonders die innere Dynamik beim Track „Yello“ begeistert mich in jeder Hinsicht. Das Solo des Kontrabasses ist umwerfend – frei atmend bedient der Bassist die oberen Tonlagen seines Halses. Ich genieße den Augenblick und lasse erneut die komplette CD durchlaufen … Man möge mir den Verzicht auf weitere Musikbeispiele an dieser Stelle verzeihen, jedes Stück festigte nur meine Meinung, die sich nach vielen Stunden „Bad in der Musik“ mit dem Holborne Passion letztlich immer mehr manifestierte: maximale Klangwiedergabe bei minimalem Technikeinsatz – im positivsten Sinne! Umgangssprachlich würde man heute „megageil“ schreiben – ich sage: ein maximaler Minimalist!
Info
Vollverstärker Holborne Passion
Konzept: Hybrid-Vollverstärker mit Erweiterungsoptionen
Anschlüsse: 4 x Line-In
Ausgänge: 1 x Pre-Out, LS-Abgriffe (Single-Wire)
Leistung (8 Ω): 2 x 70 W
Frequenzgang: 20 Hz bis 75 kHz
Klirr (50 W): < 0,1 %
Line-Eingangsempfindlichkeit: 0,55 V (Gain auf Max.)
MM-Phono-Eingangsempfindlichkeit: 5 mV (Gain auf Max.)
MC-Phono-Eingangsempfindlichkeit: 0,5 mV (Gain auf Max.)
Stromverbrauch (Aus/Standby/Max.): 0/0,5/300 W
Besonderheiten: Gain-Regler, Phonoboards (MM oder MC), XLR-Eingang optional
Ausführung: Aluminium eloxiert in Schwarz oder Silber
Maße (B/H/T): 43/11/33 cm
Gewicht: 13 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: ab 9500 € (inkl. Phono um 12 000 €)
Kontakt
TCG Handels GmbH
Döppers Esch 7
48531 Nordhorn
Telefon +49 5921 7884927
info@tcg-gmbh.de
Mitspieler
CD-Player: C.E.C CD-5 mit Horwege-Modifikation
Plattenspieler: Transrotor Dark Star Reference mit Konstant Reference M1
Tonarm: Transrotor TR 9S
Tonabnehmer: Audio-Technica VM 760SLC, Phasemation PP-200
Röhren-Vollverstärker: MFE TA 845 SE mit Elrog 284
Phonoverstärker: Phasemation EA-220
Lautsprecher: Klipsch Heresy III mit symmetrischen Frequenzweichen von Elixir Loudspeakers, Thivan Labs Eros 9 Ultra
Kabel: u. a. von HMS, AudioQuest
