Italien liebt Zappa – Tributalben zwischen Jazz und Kammermusik
Das Werk von Frank Zappa ist so umfangreich wie unerschöpflich. Zappa (1940-1993) war Komponist, Gitarrist, Sänger, Texter, Bandleader, Satiriker, Freak, Gesellschaftskritiker, Studiotechniker, Regisseur, Buchautor, Anthropologe. Und außerdem: ein halber Italiener.
Sein Vater stammte aus Sizilien und kam als Kind nach Amerika. Die Mutter hatte ebenfalls italienische Wurzeln, ihr Vater war aus Neapel eingewandert. Die Großmutter sprach ihr Leben lang nur Italienisch. Auch Franks Eltern wechselten ins Italienische, wenn er und seine Geschwister nicht alles mitkriegen sollten. Natürlich konsultierte die Familie Zappa nur italienischstämmige Ärzte. Frank Zappas großes Idol Edgar Varèse hatte übrigens ebenfalls italienische Vorfahren und war ein Student von Ferruccio Busoni gewesen.
1984 entdeckte Frank Zappa einen Namensvetter in Italiens Musikgeschichte: den Komponisten Francesco Zappa, der im 18. Jahrhundert in Mailand tätig gewesen war. Mit dem Synclavier, einem der ersten digitalen Synthesizer, nahm Zappa einige Triosonaten seines Vorgängers auf und veröffentlichte das Ergebnis auf einem separaten Album. Musikalisch war die Platte Francesco Zappa eher unbedeutend. Aber als originelle Demonstration des Synclaviers, als Hinweis auf den Beginn der technischen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts und als ironischer Kommentar zum Musik-Historizismus ist sie ein kleiner Geniestreich. Sein fiktives, synthetisches Ensemble nannte Zappa „The Barking Pumpkin Digital Gratification Consort“.
Kein Wunder, dass der große Eklektizist und Satiriker Frank Zappa gerade in Italien besonders verehrt wird – ist er doch beinahe ein Landsmann. Zahlreiche italienische Musiker haben sich mit seinem Werk auseinandergesetzt, in jüngerer Zeit zum Beispiel das aus der Kammermusik geborene Accademia Amiata Ensemble (2006), das toskanische Klarinette-Gitarre-Duo Inventionis Mater (2016) oder die Jazzpianisten Glauco Venier (2005) und Stefano Bollani (2011). Doch damit nicht genug.
Bereits im Mai 1994, nur wenige Monate nach Zappas Tod, entstand das Album Riccardo Fassi Tankio Band Plays The Music Of Frank Zappa (Splasc(H) Records CDH 428.2). Der italienische Jazzpianist Riccardo Fassi versammelt hier eine 13-köpfige Formation, die gleichermaßen Jazzgruppe, Rockband und Kammerensemble sein kann. Vier Blech- und drei Holzbläser sowie eine sechsteilige Rhythm Section mit E-Keyboards, E-Gitarre, E-Bass usw. führen Zappas Musik durch ein fröhliches Wechselbad der Stile.
Parodien werden ins Ernsthafte umgestülpt. Strawinsky-Artiges entwickelt sich zu Freejazz. Bizarre Bläsersätze treffen auf noch bizarrere Synthesizer-Soli. Einige hochkarätige Gastsolisten, darunter der Trompeter Flavio Boltro und der Akkordeonist Antonello Salis, sorgen für improvisierte Highlights. Die ausgewählten 16 Zappa-Themen, vorwiegend aus der Zeit um 1970, haben alle von Haus aus schon einen mehr oder weniger ausgeprägten Jazzbezug. Denn Zappas Haltung zum Jazz war zwar kritisch, aber differenziert. „Leute wie Eric Dolphy, Thelonious Monk, Charles Mingus und Archie Shepp sind sehr wichtig für die Musikgeschichte, nicht nur für den Jazz“, sagte er in einem Interview.
Ebenfalls schon 1994, als zeitnaher Nachruf auf Zappa, erschien das Album Harmonia Meets Zappa (Materiali Sonori MASO CD 90067). Das italienische Harmonia Ensemble ist ein Kammertrio, das 1991 auf Initiative des Produzenten Giampiero Bigazzi entstand. Der Klarinettist Orio Odori steht im Mittelpunkt. Damiano Puliti (Cello) und Alessandra Garosi (Klavier) vervollständigen das Ensemble, das sich auch improvisatorische Freiheiten erlaubt. In einigen Stücken kommen noch klassische Bläsersolisten hinzu, auch elektronische Elemente spielen eine Rolle – ein Kammerprojekt mit Crossover-Charakter.
Elf raffiniert arrangierte Zappa-Stücke – überwiegend kurz gehalten – kontrastieren mit sieben interessanten eigenen Erfindungen des Ensembles, die zweifellos von Zappas Musik inspiriert sind. Die ernsthaft-virtuose kammermusikalische Umsetzung trägt Zappas lebenslangen „seriösen“ Ambitionen Rechnung. „Wenn ich mein Geld damit verdienen könnte, nur Musik zu schreiben, so schwierig und so kompliziert, wie ich sie haben wollte“, sagte er einmal, „und wenn ich wüsste, dass jemand sie spielen würde und ich sie nur aufnehmen müsste, dann würde ich das glücklich und zufrieden bis an mein Lebensende tun.“
Auch das italienische Quartett Quintorigo des Geigers Andrea Costa ist eigentlich eine Kammerformation – nur Violine, Cello, Saxofon und Kontrabass. Auch Quintorigo lieben aber das Crossover (Jimi Hendrix, Charles Mingus usw.) und holen sich dafür gerne Verstärkung ins Boot. Für ihr 2014er Album Around Zappa (Incipit Records INC 201) taten sie sich mit dem Schlagzeuger Roberto Gatto und dem Vokalisten Moris Pradella zusammen. Diese Kombination von Kammerquartett und Rockrhythmen tönt faszinierend und ziemlich einmalig. Es gibt hier weder Keyboards noch Gitarren, dafür setzen die Geiger hin und wieder elektrische Verstärkung ein und klingen dann fast wie E-Gitarristen. Unter den 14 Stücken sind drei aus Zappas Album Apostrophe (’) von 1974 – in ihnen kommt der hervorragende Sänger besonders gut zur Geltung. Zappas Instrumentalstück „Peaches En Regalia“ (im Original auf Hot Rats) gehört übrigens auf allen drei Alben – Fassi, Harmonia, Quintorigo – zum Repertoire. Es dürfte überhaupt das am häufigsten gecoverte Stück von Frank Zappa sein.