Vredenburg, Utrecht
Die Niederlande sind uns in vielerlei Hinsicht sichtlich verbunden, und so reisen deutsche Musiker besonders oft zu den westlichen Nachbarn – vor allem, wenn man in einem Orchester aus dem Rheinland arbeitet.
Drei Säle stehen dann meistens auf dem Plan: natürlich das ehrwürdige Concertgebouw in Amsterdam, das futuristische De Doelen in Rotterdam und eben die Vredenburg in Utrecht.
So ganz kann sich dieser Saal nicht entscheiden, ob er in der Tradition verharren oder die Moderne erkunden will — das modernistische Design im 1700 Zuschauer fassenden Grote Zaal wirkt mit dem unbehandelten Holz und den gedeckten Farben irgendwie hausbacken. Mittlerweile gibt sich das Ambiente etwas frischer, denn inzwischen wurde das große TivoliVredenburg Centrum gebaut, das den alten Saal des Muziekcentrum Vredenburg architektonisch schluckte. Nun ist die Vredenburg Teil eines weit größeren Komplexes, steht nicht mehr allein am Marktplatz, und auch das wunderbare Café neben dem Künstlereingang mit seinen süchtig machenden Poffertjes musste dran glauben. Schade drum.
Nach wie vor ist die Lage der Halle großartig. Die komplette Innenstadt liegt dem reisenden Musiker zwischen Probe und Konzert zu Füßen, seit einiger Zeit gibt es auch ein paar erstklassige Kaffeeröstereien in der Nähe der Universität, die einen kleinen Umweg lohnen.
Der Saal an sich steht in der Tradition der Weinberg-Säle, wie auch beispielsweise die Berliner Philharmonie oder das Gewandhaus. Allerdings versagt er sich jeden Anflug von deren Zufälligkeit und kommt streng symmetrisch daher. Die Ränge steigen steil auf und umgeben die Bühne mit ihren vielen kleine Parzellen von allen Seiten, weshalb der Saal aus der Musikerperspektive extrem klein wirkt. Man hat das Gefühl, mit seinen Tönen jeden einzelnen Zuhörer direkt ansprechen zu können. Und dennoch verkraftet diese Halle eine Menge Lärm – bis die Vredenburg „dicht“ macht, muss sich das Orchester schon ganz schön ins Zeug legen.
Dazu muss man sich allerdings erst einmal überwinden, denn die gefühlte Intimität der Halle verleitet einen zunächst dazu, eher verhalten und vorsichtig zu spielen. Hat man sich akklimatisiert, musiziert es sich hier ganz wunderbar. Die Vredenburg ist einer der wenigen Säle, der einen besonders großen Detailreichtum nicht mit unschöner Härte zu erkaufen zwingt, wie es beispielsweise die Elbphilharmonie macht. Vielleicht könnte sie eine Spur mehr warmen Hall vertragen. Dass ich mir da etwas mehr wünsche, mag aber eine persönliche Marotte von mir sein, seit ich in der Opera City Hall in Tokyo spielte und ihrem unfassbaren Nachklang verfiel.
Auf der Bühne im großen Vredenburg-Saal hört man nicht nur sich, sondern auch die Kollegen bestens, man schwimmt nicht für sich wie im herrlichen Concertgebouw. Alles in allem ein wunderbarer Konzertsaal, der immer für Freude sorgt, wenn man ihn auf dem Tourplan entdeckt. Dass die Garderoben groß und nahe der Bühne gelegen sind, die Kantine geräumig, freundlich bemannt und (für eine Kantine!) durchaus lecker ist, macht die Vredenburg für uns Musiker rund. Und wenn Corona uns keinen Strich durch die Rechnung macht, ist es in diesem Dezember wieder so weit. Ich freue mich!
Aufnahmen mit konzertsaaltypischem Klang
Es gibt viele Konzertmitschnitte im niederländischen Rundfunk, aber nur wenige CD-Aufnahmen … leider.