Teatro Olimpico, Vicenza
Eigentlich dürfte dieser Saal in unserer Reihe keinen Platz finden, denn er ist auf fast keiner Aufnahme verewigt.
Fotografie: Stefan Gawlick
Kaum jemand von Ihnen wird die sehr besondere Akustik dieses Raumes über die heimische Anlage genießen können. Und doch möchte ich Ihnen dieses in vielerlei Hinsicht unfassbare Bauwerk näherbringen. Vielleicht werden Sie nun beim nächsten Trip in die Toskana oder nach Venedig noch einen kleinen Zwischenstopp in Vicenza einlegen, um das Staunen neu zu lernen …
Mitte des 16. Jahrhunderts beschloss die Accademia Olimpica zu Vicenza, ein elitärer Club, der sich mit der Pflege der Bühnen- und Theaterkunst beschäftigte, sich ein eigenes Theater zu gönnen. Ein passendes Baugrundstück mitten in der Stadt war vorhanden, und da praktischerweise eines der Mitglieder der Akademie auf den Namen Andrea Palladio hörte, musste man auch nicht viel Zeit mit der Suche nach einem Architekten verschwenden.
Als der endgültige Baubeschluss 1580 gefasst wurde, machte sich Palladio sogleich ans Werk, konnte die Pläne aber nur fast, leider nicht ganz vollenden. Er starb im Herbst desselben Jahres. Sein Sohn und sein Kollege Scamozzi vollendeten den Bau, und am 3 März 1585 wurde das Teatro Olimpico mit einer Aufführung von Sophokles’ König Ödipus schließlich eingeweiht.
Nähert man sich dem Theater von der Innenstadt aus, läuft man zunächst leicht daran vorbei, da es sich bei der Fassade um eine für italienische Städte so typische leicht vergammelte Backsteinmauer mit nur wenigen Fensteröffnungen handelt. Hinter einem schmiedeeisernen Tor ist ein Garten mit Statuen zu sehen auch das ist in dieser Gegend keine Seltenheit.
Hat man das Gebäude durch eine lächerlich kleine und schiefe Holztüre betreten, kommt das erste Wunder: Man steht in einem weiten und hohen Marmorsaal, der überall das Wappen der Akademie trägt. Ignoriert man sodann die großen Portale, die nur zum nächsten Nebenraum führen, und wendet seine Schritte nach rechts, gelangt man wiederum durch ein paar kleine und unscheinbare Türchen in den eigentlichen Theaterraum.
Ich kenne wirklich niemanden, dem es nicht beim ersten Betreten dieses Saales mindestens für fünf Minuten die Sprache verschlagen hat. Der Prunk dieses Theaters wirkt nach der schäbigen Fassade und den mickrigen Türen umso tiefer. Vor einer den antiken Theatern nachempfundenen Scaena mit Gängen, die mittels perspektivischer Tricks bei der Kulissenplanung Weite und Tiefe vorgaukeln, spannt sich das Halbrund der Publikumsränge, die – ganz wie in den antiken Vorbildern – ohne bequemes Gestühl auskommen.
Man sitzt schlicht auf den Stufen. Über dem ganzen Ensemble wölbt sich eine runde Decke, die wie ein locker bewölkter Himmel bemalt ist. Dieser Saal kennt in der Tat außer den antiken Open-Air-Bühnen keine Vorbilder und hat keine Nachfolger. Es handelt sich um einen unbeschreiblich wertvollen Solitär.
Klanglich bietet das Teatro Olimpico durchaus Besonderes. Denn da die 800 Zuschauerplätze im Halbrund angeordnet sind, sitzt niemand wirklich weit weg vom Geschehen, man hat fast auf jedem Platz das Gefühl, die Bühne mit nur wenigen Schritten erreichen zu können.
Für die Musiker ist eben das auch eine besondere Qualität, denn hier fühlt sich jedes Repertoire wie Kammermusik an. Die besondere Stimmung des Saales, die Nähe zu den vielen Zuschauern, der unmittelbare Klang, der fast überall im Haus über die gleiche Qualität verfügt – all das schafft eine Gemengelage, die hiesige Konzerte vom Musikeralltag abhebt. Das Teatro Olimpico ist natürlich nicht besser als die meisten anderen berühmten Hallen – dazu ist es zu klein, zu unpraktisch, klimatisch ein Desaster, und über die Beleuchtung will ich an dieser Stelle lieber nicht reden.
Und dennoch möchte ich die Konzerte hier um nichts in der Welt missen. Und Ihnen kann ich nicht genug ans Herz legen, möglichst bald einen Umweg über Vicenza einzuplanen.
Musiktipps
CD-Tipps mit konzertsaaltypischem Klang:
Nennenswerte Tonträgerproduktionen aus diesem Saal sind nicht verfügbar – was einen Besuch vor Ort umso lohnenswerter macht.