Shanghai Symphony Hall
Hierzulande nehmen wir die Musikwelt des Reichs der Mitte eher nicht oder bestenfalls mit einer gewissen Geringschätzung zur Kenntnis. Wie so oft ist diese Haltung ein Fehler, denn in China gibt es mittlerweile eine ganze Reihe erstklassiger Orchester, und grandiose Säle schießen dort derzeit aus dem Boden wie die sprichwörtlichen Pilze. Über den Saal in der Hauptstadt haben wir ja schon berichtet, nun ist der heiße Süden an der Reihe. Und das mit gutem Grund, ist doch das Shanghai Symphony Orchestra der älteste und so ziemlich angesehenste westlich orientierte Klangkörper des Landes.
Da in China große Entscheidungen oftmals schnell getroffen und leicht finanziert werden, kam in Shanghai mit der Wahl eines neuen Generalmusikdirektors auch das Thema „neuer Saal“ auf den Plan. Die Umsetzung folgte sofort, und zwar ohne falsche Bescheidenheit: Mit Arata Isozaki und Yasuhisa Toyota wurde das so ziemlich weltweit begehrteste und teuerste Architektenteam unter Vertrag genommen, der Saal nach einer verblüffend kurzen Bauzeit von nur zwei Jahren 2014 eröffnet.
Als Musiker landet man nach mehreren schmalen Treppengängen in einem unterirdischen Geflecht aus Gängen, das den Großen und Kleinen Saal, ein Studio, eine Probenbühne und diverse Stimmzimmer und Garderoben miteinander verbindet. Eine Beobachtung, die ich in neuen chinesischen Sälen schon öfters machen durfte, findet auch hier ihre Bestätigung: Für die Menschen, die hier arbeiten, sind diese Säle mit ihren breiten Gängen, riesigen Garderoben, kurzen Wegen und überall vorhandenen Ablagemöglichkeiten ein steingewordener Traum, an dem sich hiesige Bauten wie beispielsweise die Elbphilharmonie eine dicke Scheibe abschneiden können. Mindestens eine.
Von der Bühne aus wirkt dieser Saal weitaus größer, als er tatsächlich ist. Obschon hier nur vergleichsweise bescheidene 1200 Zuschauer Platz finden, fühlt es sich durchaus nach großem Saal an. Und genauso klingt es auch, wie man nach nur wenigen Tönen feststellen kann. Auch große Lautstärken steckt diese Halle klaglos weg, bleibt transparent, ohne indes das unangenehm Seziererische von Toyotas jüngerer Schöpfung in Hamburg zu zeigen. Im Gegensatz zu vielen modernen Konzertsälen hört man hier auch auf den meisten Plätzen sehr ähnlich. Natürlich bemerkt man die unterschiedliche Perspektive zum Orchester, allerdings bleibt dies eine reine Information, wird nicht zur Wertung. Hier hat Toyota wirklich den schmalen Grat zwischen Durchhörbarkeit und Wärme auf den Punkt getroffen. Grandios. Und schade, dass hier nur für Archivnutzung des Orchesters aufgenommen wird.
Würden hier auch andere Aufnahmen stattfinden, wären die Ergebnisse bestimmt ausgezeichnet, da man sich und seine Kollegen auf der Bühne hervorragend hören und einschätzen kann. Und ganz nebenbei sorgen das helle Holz und die milden Farbtöne für ein äußerst angenehmes Licht, das auch bei längerer Arbeit nicht ermüdet.
Auch sonst ist es eine Freude, hier zu sein. Denn wenn auch die umliegenden Straßen mit einer reinen Wohnbebauung eher langweilig sind – eine Taxifahrt zu den wilderen Vierteln in der Nähe des Bund (das ist die breite Uferpromenade am Huangpo-Fluss) dauert nur 15 Minuten und bietet obendrein meist ein besonderes Abenteuer!
Musiktipps – Aufnahmen mit typischem Raumklang
Offizielle Aufnahmen auf Tonträger sind bisher leider kaum erhältlich, im Youtube-Kanal des SSO kann man sich aber einen guten Eindruck von dem Orchester in seinem Saal verschaffen.