Das Konzerthaus in Wien
Es gibt Städte, die sind von der Geschichte reicher beschenkt worden als andere.
Fotografie: Stefan Gawlick
Oder vielleicht haben sie ihre vor sich hergetragenen Werte auch einfach mal durchgezogen und Stein werden lassen. Während man in Köln über die Renovierung des einzigen Opernhauses streitet und es seit Jahren nicht schafft, auch nur einen Kammermusiksaal zu bauen, stolpert man in Wien praktisch an jeder nächsten Ecke über eine wunderbare Spielstätte.
Da der schon etablierte Musikvereinssaal etwas klein und vielleicht auch etwas zu elitär war, wollte sich die Wiener Bürgerschaft zur Jahrhundertwende einen weiteren Saal gönnen, der breiteren Schichten zugänglich sein sollte und auch schlicht mehr Zuschauer fasste. 1913 wurde das eindrucksvolle Jugendstilgebäude im Beisein Kaiser Franz Joseph I. dann eröffnet, heute dient es den Wiener Symphonikern und dem Wiener Kammerorchester als Stammhaus und ist bei sehr vielen Gastorchestern eigentlich der beliebtere Wiener Saal, obwohl es in der öffentlichen Wahrnehmung stets im Schatten des nur 200 bis 300 Meter entfernten Goldenen Saales steht.
Dass die Anlieferung vieler großer Instrumente auch hier kein leichtes Unterfangen darstellt, bleibt dem Alter des Saales geschuldet – moderne Reiseorchester mit ihren Lastwagenladungen voller Flightcases waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch unbekannt.
Für uns Musiker ist ein Besuch im Konzerthaus immer wieder ein besonderes Vergnügen, das schon mit der Unterbringung beginnt: Meistens sind wir im Hotel am Konzerthaus direkt neben dem Bühneneingang untergebracht. Ein zuverlässiges Hotel mit sehr gutem Frühstück und schnellem Wäscheservice, das bei vielen Kollegen mittlerweile den Status einer zweiten Heimat erlangt hat. Ein kurzer Gang über die Straße, schon ist man im Konzerthaus und erreicht über ein ziemlich schmuckloses Treppenhaus die äußerst schmucklosen Garderoben und eine Etage höher den großartigen und mit 1900 Zuschauerplätzen auch durchaus großen Saal.
Die Bühne ist eher breit als tief, was zur Folge hat, dass man auch als Musiker der letzten Reihe (ich bin Pauker) immer dicht am Geschehen ist und nicht, wie beispielsweise im Théatre des Champs-Elysées in Paris, fast ein Opernglas benötigt, wenn man denn mal sehen möchte, was der Dirigent da vorne so alles macht. Zudem gibt die nahe und an der Oberfläche gut strukturierte Rückwand dem Klang ein wenig Hilfe und Substanz, weshalb man hier nie forcieren muss, um auch größere Lautstärken zu erreichen.
Ein exzessives Fortissimo verzeiht der Saal durchaus, während der Musikverein da schon mal „dichtmacht“. Auch ein Vorteil für reisende Orchester, die mit dieser „konventionelleren“ Akustik schneller zurechtkommen. Die Bühnenakustik ist außerdem sehr kontrolliert, man hört die meisten der Kollegen und bekommt dabei ein gutes und verwertbares Feedback aus dem Saal. Im Nachhall kann man sehr gut den eigenen Anteil an der Klangmischung des Orchesters hören und so während des Spielens ständig justieren.
Dass sich die weite Bühne großzügig in den Saal öffnet und man nicht in einem eigenen Bühnenhaus sitzt, sorgt emotional für einen direkten Bezug zum Publikum. Man meint, beim Spielen eine große Nähe zu spüren, was anscheinend beim Publikum ankommt. Denn das treue Klientel dieses Saales ist weitaus experimentierfreudiger und begeisterungsfähiger als das ungleich traditionellere Musikvereinspublikum. Kurz: Im Konzerthaus fühlt man sich als Musiker einfach wohl.
Ein schönes Extra sind die nahen Restaurants, in denen man nach getaner Arbeit das Konzert noch etwas nachbearbeiten kann: direkt auf der Rückseite des Konzerthauses der etablierte und immer volle Gmoa-Keller, nur ein paar Straßen weiter das ursprünglichere und ungleich günstigere Herlitschka. Beides kulinarisch zu empfehlende Lokale, in denen Sie nach Konzerten mit großer Wahrscheinlichkeit das halbe Orchester finden werden.