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High End 2023, Teil 3: Lautsprecher

HIGH END 2023, Teil 3: Lautsprecher

Alles so schön bunt hier

Ein persönlicher Blick auf die Lautsprecher der HIGH END 2023

„Alles so schön bunt hier“ – Nina Hagens Songzeile passt nicht nur auf die Vielfalt der Lautsprecherkonzepte, die man auf der HIGH END 2023 bewundern durfte, sondern war diesmal auch wortwörtlich zu nehmen.


Hier geht’s zu den anderen Teilen unserer HIGH END 2023 Messenachlese:

Teil 1: Analog

Teil 2: Elektronik


Ich kann mich zumindest nicht erinnern, jemals eine solche Farbenfreude in Sachen Furnier und Lackierung auf einer Münchner Messe ausgemacht zu haben. Da glänzten Flächenstrahler in gleich fünf unterschiedlichen Farbtönen, da schimmerten selbst Lautsprecher in den höchsten Preissegmenten in edlem Blau und grellem Orange, Hörner gaben sich nobel abgetönt in Dunkelviolett, und packendes Signalrot schien ganz groß in Mode zu sein.

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Nicht Signalrot, macht aber trotzdem eine Menge her: Nubert präsentierte seine nuVero 60 in der neuen Farbe Brillantblau.

Erstaunlich, dass gerade auch im Premiumsegment der Mut zur Farbe vorherrschte, sei es bei der dynamischen und treibenden Aufführung bei Magico oder den transparenten Auflösungswundern aus Meridians großer DSP-Serie. Bleibt zu hoffen, dass der Endkunde beim Erwerb seiner Preziosen ästhetisch ähnlich mutig agiert, wie es aktuell einige Hersteller vorgemacht haben. Weniger mutig agierten die meisten Hersteller und Vertriebe auch dieses Jahr wieder einmal in Sachen Musik. Vor allem an den Fachbesuchertagen ging man da auf Nummer sicher, um ja keine Zuhörer zu überfordern oder die Lautsprecher in etwaige Kalamitäten zu bringen. Hinzu kommt, dass an KEINEM Stand während der Publikumstage Musik lief, die ein Publikum zwischen 16 und 25 angesprochen hätte – dies sagt alles zum Thema Nachwuchsförderung.

Messe heißt auch: Show

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Larger than life: Der Preis für das spektakulärste System der Show ging ohne Zweifel an den “Great Dragon” des chinesischen Herstellers ESD Acoustic

Die Münchner Messe ist ja nicht nur der Präsentation von Neuheiten verpflichtet, sondern verspricht auch ein gewisses Maß an Spektakel. Da war auf der diesjährigen HIGH END zunächst das einen ganzen Hallenteil beanspruchende Riesenhornsystem des chinesischen Herstellers ESD, dessen Erwerb mitsamt Verstärkung die Portokasse um einen siebenstelligen Dollarbetrag ärmer machen würde. Mit dem nötigen Hörabstand konnte man einer beeindruckenden Wiedergabe asiatischer Gongs und Trommeln lauschen. Bizarr wurde es hingegen bei klassischer Musik, wenn die Geigerin in Dvořáks Violinkonzert auf einem zwei Meter hohen Podest zu stehen schien und die Geige in der Abbildung den Umfang eines Kontrabasses bekam – aber wer Spektakel will, der hält sich nicht an den Mäkeleien eines Klassikrezensenten auf.

Während das Spektakel von ESD neu auf der Messe war, dürfte das zweite große Event nach kurzer Abwesenheit viele alte Bekannte angezogen haben. Freunde des gepflegten Mittelwellen-Sounds kamen wieder mal bei Silbatone und Western Electric auf ihre Kosten. Es ist logistisch, optisch und technisch faszinierend, wie das koreanische Ausstellungsteam es auch dieses Jahr geschafft hat, mit ganz viel Patina versehene Museumsexemplare des Lautsprecherbaus mit der hochgezüchteten Elektronik Silbatones zu verbinden. Klanglich muss man zwar akzeptieren, dass de facto eine Klarinette von einer Oboe kaum zu unterscheiden ist und dass Sound und Abstimmung doch besser in die Westkurve der Allianz Arena als in heimische Gefilde gehören, aber nichtsdestotrotz gebührt dem Silbatone-Team Anerkennung für sein Engagement in Sachen Vintage-Hörnern, und so wurde deren Raum vor allem an den Publikumstagen auch immer wieder zum Zuschauermagneten.

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Alte bekannte: Die Vorführungen mit antiken Kinohörnern bei Silbatone erfreuen sich jedes Jahr aufs Neue großer Beliebtheit.

Kleine mit großem Klang

Machen wir eine komplette Kehrtwende und wenden uns den kleinen Monitoren zu, die es vor allem in den Hallen im Erdgeschoss zu bewundern gab, während man in den Vorführräumen auf den oberen Etagen doch eher dem großen Besteck frönte. Die Kombination von „klein“ und „aktiv“ bereitete vor allem bei Cabasse Vergnügen. Die Cabasse Rialto muss eher schon als Kleinstbox bezeichnet werden, weshalb man umso erstaunter war, in welchem Maß sich Gesangsstimmen von den Chassis lösten und auf welch ungeheurem Bassfundament diese dann aufbauten. Gerade bei solchen Kleinstlautsprechern sind aktive Konzepte klar im Vorteil.

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Castle zeigte eindrucksvoll, wie vollständig der Bass bei einem relativ kleinen Gehäuse sein kann

Wird das Volumen etwas größer, dann sind bei vernünftiger Verstärkung auch wieder Passivkonzepte im Rennen. Dass ein tiefgründiger Bass nicht zwingend von der Gehäusegröße abhängig ist, zeigten die Modelle Earl und Duke aus dem Hause Castle. Von britischer Noblesse gezeichnet, bauten die Lautsprecher ein stämmiges und stimmiges Klangbild in den Raum, das mich glatt nach einem Subwoofer Ausschau halten ließ, der freilich nicht vorhanden war.

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Blick auf die gefaltete Transmission Line der neuen Prodigy1, die nicht nur kompakt, sondern auch zu einem erfreulich vernünftigen Kurs zu haben ist.

Bezahlbar liegt im Trend

Wie auch schon im letzten Jahr wurden auch auf der HIGH END 2023 vermehrt Lautsprecher vorgestellt, die sich in einer Preisrange von 4000 bis 6000 Euro bewegten, was nicht zuletzt auf deutliche Machtworte der Händler gegenüber Herstellern und Vertrieben zurückzuführen ist. Neben den bereits erwähnten Kompaktmodellen von Castle reihte sich hier Wharfedales neue Aura-Serie ein. So war die Standbox Aura 4 ein formidabler Spaßmacher, der all diejenigen glücklich machen wird, die unkompliziertes Musikvergnügen und niveauvolles Hören miteinander verbinden wollen. Mit etwas über 6000 Euro schlägt Wharfedales Dovedale ins finanzielle Kontor, die zunächst wie eine überdimensionale Linton aussieht, aber ein gänzlich anderes, nämlich erwachseneres und ungemein seriös tönendes Konzept verfolgt.

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Auch die Classic-Linie von JBL, die auf der HIGH END 2023 in der MkII-Fassung vorgestellt wurden, bleiben im bezahlbaren Bereich.

Schaut man an das obere Ende der Preisrange, so fällt auf, dass zwar immer noch die technischen Aspekte bei den Präsentationen in den Vordergrund geschoben werden, die meisten ernsthaften Interessenten aber mittlerweile ganz gezielt auf die Qualitäten eines Luxusprodukts achten, die nicht allein mit dem Frequenzgang oder dem Design der Frequenzweiche zu tun haben. Haptik, Furnierqualität, ja auch Optik und Materialgüte der Füße, Trassen oder Terminals, all das sind definitive Entscheidungskriterien. Zwei herausragende Lautsprecher kamen hier von Marten, die mit der neuen Mingus Septet und der Mingus Orchestra ein ganzheitliches Fest für Ohren und Augen boten, das von der reinen Anfassqualität noch überboten wurde. High End in Reinkultur.

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Superbe Materialqualität gibt es auch bei Peak – hinter der Marke steht niemand geringeres als Wilfried Ehrenholz.

HiFi aus regionalem Anbau

Sollte ich meine drei ganz persönlichen Messe-Highlights benennen, so wären dies bei mir allesamt Schallwandler aus heimischer Produktion. Ganz oben stünde da die FinkTeam Borg Episode 2, so nennt Karl-Heinz Fink augenzwinkernd und in Anspielung auf die Star-Trek-Serie die leicht überarbeitete Version seines Vorzeigelautsprechers. Für den unveränderten Preis von 29 900 Euro erhält man nach wie vor eine No-Nonsense-Maschine, die ganz uneigennützig schlicht der Musik verpflichtet ist, indem sie ganz unprätentiös Dynamik, Impulstreue, Transparenz und hohe Musikalität miteinander verbindet.

Äußerst positiv hat mich Thorens’ SoundWall HP 600 überrascht. Eine designtechnisch äußerst gelungene Mischung aus Retro und leicht spacigem Futurismus, die mit allen klanglichen Finessen eines durchdachten Dipolkonzepts zu überzeugen wusste, ohne den für Dipole mitunter heiklen Bass- und Dynamikbereich zu vernachlässigen. Für mich bei Thorens die wesentlich größere Überraschung als das zum Firmenjubiläum entwickelte Riesenlaufwerk „Reference“.

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Wenn der Hörer nicht zum Konzert kommt…

Das dritte Highlight versteckte sich ganz oben in einer der hinteren Ecken und war Wolf von Langas elektromagnetischer Lautsprecher Chicago. Optisch sicherlich gewöhnungsbedürftig, überzeugte dieser vor allem bei großorchestraler Musik mit einer Livehaftigkeit von Pauken und Blechbläsern, die einen durchaus darüber nachdenken lässt, statt des Konzertbesuchs doch lieber im heimischen Hörraum Platz zu nehmen, um Strawinsky oder Mahler zu lauschen.

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Wer livehaftigen Sound will, ohne sich dafür kühlschrankgroße Lautsprecher ins Zimmer stellen zu müssen, sollte sich unbedingt einmal die Kolibri von Avantgarde Acoustic anhören.

Dieser rein subjektive Blick unterschlägt freilich viele andere gelungene Schallwandler-Konzepte auf der diesjährigen HIGH END, aber vielleicht nutzen Sie den kleinen virtuellen Rundgang hier, um sich ein wenig Appetit auf einen Besuch der HIGH END 2024 zu holen, um sich dann ein ganz eigenes Portfolio individueller Favoriten zusammenzustellen.

Hier geht’s zur Homepage des Messeveranstalters …

Die angezeigten Preise sind gültig zum Zeitpunkt der Evaluierung. Abweichungen hierzu sind möglich.